Der Wunsch nach einer talentfördernden Regierung

Der Genetiker Markus Hengstschläger ist Leiter des Instituts für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik an der Medizinischen Universität Wien und u.a. auch stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Gründer und Leiter des Symposiums „Impact Lech“.
Es wird niemanden überraschen, dass ich mir von der neuen Regierung mehr Geld für die kompetitive Förderung der Grundlagenwissenschaft wünsche. Weil es gut für jede Forscherin und jeden Forscher ist, weil es gut für das stark Drittmittel-geförderte Universitätsinstitut ist, das ich leiten darf, und weil es gut für das Land ist. Und da ich nun auch schon über drei Jahrzehnte an Universitäten unterrichte, darf es auch niemanden überraschen, wenn ich mir von einer neuen Regierung eine konsequentere Strategie zur Förderung von Talenten und Begabungen wünsche. Weil es gut für jeden jungen Menschen ist und weil es gut für das Land ist.
Ich erlaube mir sogar noch einen Schritt weiter zu gehen: Ich glaube, dass es für Österreich gerade jetzt existenziell ist ein Land der Forschungsförderung und Talentförderung zu sein. Internationale Vergleiche, ob es sich dabei um Innovationsrankings, Universitätsrankings oder PISA-Studien der OECD zu den Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern handelt, belegen ja auch, dass hier in Österreich noch Luft nach oben ist.
Im Zusammenhang mit Talentförderung müssen meiner Meinung nach neben vielen anderen Aspekten drei Schwerpunkte gesetzt werden:
Für das österreichische Bildungssystem müssen bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden damit die Talente und Begabungen der nächsten Generationen entdeckt und gefördert werden können. Jedes Kind hat ein Recht darauf, dass man sich professionell auf die Suche nach seinen Talenten macht. Eine entsprechende Stärkung der Elementarpädagogik und die Implementierung der Arbeit von Talentscouts für alle Bereiche sind nur zwei von vielen Instrumenten, die mir in diesem Zusammenhang sofort einfallen.
Österreich soll ein offenes Land sein, das für Talente aus dem Ausland hoch attraktiv ist. Und dabei soll nicht nur an das Füllen der Lücke an qualifizierten Arbeitskräften gedacht werden, die in den nächsten Jahren durch die Pensionierung hunderttausender Babyboomer in unserem Land entstehen könnte. Für Wissenschaft, Kunst und Kultur, die Wirtschaft und Gesellschaft ist das gemeinsame Leben und Arbeiten von Menschen mit verschiedensten Hintergründen, Sichtweisen und Ausbildungen der Innovationstreiber schlechthin.
Und schließlich braucht es dringend Konzepte, die darauf abzielen, dass der Begriff „Talent“ in Österreich breiter gesehen und verwendet wird. Jeder Mensch ist talentiert, nur jeder woanders. Und ob etwas als Talent gesellschaftlich hoch angesehen ist, darf nicht davon abhängen wie viele Menschen jemandem beim Ausüben dieses Talents zuschauen oder wie viel man mit diesem Talent verdienen kann. Erst wenn wir sagen, dass ein Mensch, der es kann und will andere Menschen ein Berufsleben lang zu pflegen, mindestens so große Talente hat, wie eine Opernsängerin oder ein erfolgreicher Schifahrer, verwenden wir den Begriff richtig. Erst solch ein Verständnis des Begriffs „Talent“ schafft die notwendige Akzeptanz und Wertschätzung der Vielfältigkeit des Menschen, die für eine erfolgreiche Zukunft unverzichtbar ist.