Fiskalzeichen und Wunder

27. März 2025Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Georg Renner

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.

Time to face the music: Heute Vormittag werden uns nach der Nationalbank auch IHS und Wifo offiziell das dritte Rezessionsjahr in Folge in Aussicht stellen.

Realistischerweise wird das der endgültige Todesstoß für die Bemühungen der neuen Koalition sein, ein EU-Defizitverfahren zu vermeiden: Sinkt das BIP, statt wie bisher erwartet doch ein bisschen zu steigen, müsste der Staat mehr als die bereits paktierten 6,4 Milliarden Euro einsparen bzw. zusätzlich einnehmen. Und zwar weit mehr – bis zur doppelten Summe des bisherigen Konsolidierungsvolumens könnte nötig sein, so die Schätzungen von Experten.

Das unterjährig zu erreichen ist völlig illusorisch – und vielleicht nicht einmal schlau. „Low-hanging fruit“ wie die Abschaffung von Klimabonus und Bildungskarenz, die Schließung von Steuer- und Beitragslücken hat die Regierung bereist – lobenswerterweise – abgeerntet. Ab jetzt geht es um die Mühen der Ebene, wo es keine einfachen, schnellen Maßnahmen mehr gibt, sondern nur schwierige Entscheidungen mit Vor- und Nachteilen:

Klar muss jede Förderung auf den Prüfstand gestellt werden – aber in allen Fällen wird die Streichung einer Förderung zur Folge haben, dass von irgendwas weniger gekauft oder produziert wird.

Klar gehört das Pensionssystem reformiert – aber wenn Seniorinnen und Senioren weniger in der Tasche haben, wird natürlich auch weniger gekauft.

Klar gehören umweltschädliche Subventionen eliminiert und schädliches Verhalten höher besteuert – aber man muss kein großer Ökonom sein, um sich vorzustellen, welche Auswirkungen es hat mitten in einer Rezession, die besonders die Industrie trifft, zum Beispiel Schwertransporte zu verteueren.

All das und vieles mehr – Föderalismusreform, Bürokratierückbau, Digitalisierung, und so weiter – muss auf der Agenda der Koalition bleiben. Aber ohne Schnellschüsse und mit klugem Abwägen, welche Folgen vertretbar sind und welche nicht.

Was das Defizitverfahren jedenfalls nicht werden darf: Eine Ausrede, solche dringend nötigen Strukturreformen erst dann anzugehen, wenn der Druck aus Brüssel zu groß wird. Und es kann gut sein, dass dieses Bewusstsein jetzt endlich gesickert ist.

In den vergangenen Tagen hat sich ein paar Mal gezeigt, dass jetzt, wo nach Wien länger keine überregionale Wahl mehr ansteht, ein Zeitfenster offen sein könnte, die Republik – Bund, Länder, Gemeinden, Kassen und all ihre Institiutionen – gemeinsam auf einen finanziell stabilen Kurs zu bringen: Dass beispielsweise alle Ressorts sich mit dem Finanzministerium in Rekordzeit auf Einsparungen bei ihren Sachkosten geeinigt haben, ist ein so ein Signal. Dass ÖVP, FPÖ und SPÖ in Niederösterreich eine gemeinsame Reform der Spitalsstruktur paktiert haben, ein weiteres.

Es geschehen Zeichen und Wunder, könnte man sagen. Und das ist gut, weil ein mittelgroßes Wunder wäre gerade ziemlich hilfreich.

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