Ohne schmerzhafte Schnitte wird es nicht gehen

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.
Man muss ja keine Show daraus machen wie weiland Karl-Heinz Grasser, der vor versammeltem Parlament verkündete, „ein guter Tag beginnt mit einem sanierten Budget“. Aber ein wenig mehr Enthusiasmus fürs Sparen würde man sich als Bürger dann schon erwarten, wenn die Regierung mitten in einer Wirtschafts- und Budgetkrise gleich zum zweiten Mal binnen weniger Wochen zu einer Klausur zusammentritt.
Keine Frage, eine Arbeitsmarkts- und Sicherheitsstrategie sind wichtig, und auch die Anpassung der Überwachungsmöglichkeiten der Polizei an die Technologie des Jahres 2025 muss ein Staat leisten. Aber dass die türkis-rot-pinke Koalition entgegen der Warnungen von Fiskalrat, EU und Ökonominnen jeder Façon offenbar findet, mit ihrem 6,3-Milliarden-Euro-Sparpaket für heuer eh schon ihr Möglichstes getan zu haben, verwundert doch einigermaßen. Spätestens mit der eher peinlichen Feststellung, dass die Republik – Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen – 2024 zusammen doch deutlich mehr ausgegeben hat, als die Steuerzahler ihr erwirtschaftet haben, hätten eigentlich noch einmal die Alarmglocken läuten müssen. Denn die Umstände sind seither an praktisch keiner Front günstiger geworden, im Gegenteil – schon vor Donald Trumps Zollwahnsinn standen die Prognosen weiter auf Rezession.
In diese Lage darf sich eine verantwortungsvolle Regierung eigentlich nicht mehr darauf beschränken, nur die „low-hanging fruit“ zu ernten – Klimabonus, Bildungskarenz, einige Steuerlücken und Förderungen. Nein, es bräuchte jetzt schnell eine Vision, wie man wieder in halbwegs beherrschbare Budget-Dimensionen kommen könnte. Das wird weh tun, keine Frage: Wer in einem gut ausgebauten Staat wie Österreich binnen vertretbarer Zeit Milliarden weniger ausgeben will, wird an den ganz großen Einnahmen- und Ausgabenposten nicht vorbeikommen. Mit dem Hoffen auf eine „Föderalismusreform“, auf „Digitalisierung der Verwaltung“ und „Sachkosten in den Ministerien“ wird es nicht getan sein. Klar gehört das alles durchleuchtet. Aber irgendwann wird jemand den Österreicherinnen und Österreichern einschenken müssen, dass der Staat dafür, was er derzeit leistet, von der Kinderbetreuung bis zur Pension, von Wirtschaftsförderung bis zur Integration, zu viel Geld ausgibt und zu wenig einnimmt. Und dass das in den kommenden Jahren angesichts der Demographie eher schlechter als besser wird.
In dieser Situation zu sagen, wir tun eh schon so viel, jetzt schauen wir einmal, wie sich alles entwickelt, ist fahrlässig. Die Politik der vergangenen Jahrzehnte hat, auch als die Wirtschaft boomte, Ausgaben weit über das hinaus beschlossen, was die Republik sich leisten kann: Pensionserhöhungen weit über der Inflation, Pendlereuros, Gratis-Kinderbetreuung, Abschaffung des Pflegeregresses, Senkung von Einkommen- und Körperschaftssteuer, die Abschaffung der Kalten Progression, und und und. Das ist alles wunderbar, jedem sind diese Wohltaten zu gönnen und natürlich helfen sie auch der Wirtschaft. Aber es waren eben ungedeckte Schecks – und jetzt, wo die Lage am Dampfen ist, müsste man schleunigst nachdenken, was man davon rückabwickeln kann. Und zwar nicht, weil es irgendein obskures EU-Ziel zu erreichen gilt – das ist eine gute Orientierung, aber kein Selbstzweck: Es geht darum, die Republik für die nächsten Krisen handlungsfähig zu halten. Und dafür braucht es ein finanzierbares Budget – nicht irgendwann, sondern jetzt.