Quereinsteiger als Talentscouts?

1. Dezember 2025Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Markus Hengstschläger

Der Genetiker Markus Hengstschläger ist Leiter des Instituts für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik an der Medizinischen Universität Wien und u.a. auch stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Gründer und Leiter des Symposiums „Impact Lech“.

Im März habe ich an dieser Stelle geschrieben, dass jedes Kind ein Recht darauf hat, dass man sich professionell auf die Suche nach seinen Talenten macht. Ob etwa im Handwerk, im Sport, in der Kunst, in der Wissenschaft, im sozialen Bereich – meiner Meinung nach hat jeder Mensch Talente und Begabungen, nur jeder wo anders. Dementsprechend kann auch jeder Mensch etwas Besonderes leisten. Ich habe mir damals eine talentfördernde Regierung gewünscht, die das Bildungssystem dahingehend weiterentwickelt, dass Talente der nächsten Generation besser entdeckt und gefördert werden können.

Im Juli habe ich in einem anderen Selektiv-Kommentar die Frage gestellt: „Was wenn mehr Menschen das machen würden, was sie gut können?“. Daran erinnernd, dass Begabungen genetisch und frühkindlich mitgeprägte Potenziale sind, die nur durch Üben und Lernen in eine besondere Leistung entwickelt werden können, habe ich ein von WissenschaftlerInnen verfasstes Buch empfohlen, dass eine wertvolle Hilfe bei der Suche nach Begabungen, bei sich selbst oder z.B. bei seinen Schülerinnen und Schülern, sein kann.

Natürlich bei weitem nicht der einzige, aber ein sehr gut geeigneter Platz dafür ist schließlich die Schule. Ja, es ist so vorgesehen und ja, Lehrerinnen und Lehrer wollen und können Talente entdecken und fördern. Aus so manchem persönlichen Gespräch kann man aber das Gefühl bekommen, dass die Umstände im schulischen Alltag dafür nicht immer optimal sind und die Zeit nicht ausreichend ist.

Im Jahr 2022 hat das Bildungsministerium aufgrund bestehenden Lehrermangels ein groß angelegtes Quereinsteigerprogramm initiiert. Quereinsteiger mit einem abgeschlossenen facheinschlägigen Studium, fachverwandter Berufspraxis und der Bereitschaft zu einer berufsbegleitenden pädagogischen Ausbildung wurden nach entsprechender Zertifizierung für das Unterrichten motiviert. Die hohe Beteiligung an diesem Programm gemeinsam mit einem gestiegenen Interesse am Lehramtsstudium haben dazu geführt, dass in diesem Schuljahr eine zumindest leichte Entspannung beim Lehrermangel eingetreten ist. Bildungsminister Christoph Wiederkehr spricht sogar von einer „Renaissance des Lehrerberufs“. Als Reaktion auf diese Entwicklungen wurden jetzt die Bedingungen des Programms dahingehend „verschärft“, dass es weniger Plätze für Quereinsteiger pro Jahr gibt. Da das Interesse weiterhin groß ist, führt das dazu, dass es nicht für alle zertifizierten Interessentinnen und Interessenten Stellen geben wird. Sollte man folgerichtig nicht darüber diskutieren, ob und wie man diese Quereinsteiger dazu motivieren und einsetzen könnte, nicht ausschließlich zu unterrichten, sondern als Talentscouts an unseren Schulen zu arbeiten?

Vielleicht ergibt sich ja gerade so etwas wie eine „historische Chance“ für Österreich. Man könnte ein bereits etabliertes Programm dafür nutzen, die Bedingungen individueller Persönlichkeitsentwicklung für die nächsten Generationen zu verbessern und die Innovationskraft Österreichs langfristig zu steigern. Nichts braucht Österreich schließlich mehr als seine Talente. Und für all jene, die in Zeiten knapper Budgetmittel schon zu rechnen beginnen, noch schnell ein Zitat von John F. Kennedy: „Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung.“

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