Zölle verunsichern die Märkte

Monika Rosen war mehr als 20 Jahre Chefanalystin einer heimischen Großbank. In ihrer aktuellen Funktion als Vizepräsidentin der Österreichisch-Amerikanischen Gesellschaft ist sie weiterhin gefragte Spezialistin zu allen Themen rund um den Finanzmarkt.
Bis jetzt hat die Börse alle Schritte, die Donald Trump seit seiner Wiederwahl zum US-Präsidenten gesetzt hat, fast frenetisch gefeiert. Doch damit könnte jetzt Schluss sein. Denn Trump wird seine Drohungen offenbar wahrmachen und Zölle querbeet verhängen: Zunächst war von 25 Prozent auf alle Importe aus Kanada und Mexiko die Rede. Waren aus China und Energie-Importe aus Kanada sollten mit 10 Prozent belegt werden. Im letzten Moment hieß es dann, die Zölle für Kanada und Mexiko werden für einen Monat ausgesetzt. In jedem Fall ist der Handelskonflikt damit in eine neue Phase getreten. Und die Analysten an der Wall Street haben umgehend zum Rechenstift gegriffen und ermittelt, welche wirtschaftlichen Auswirkungen diese Zölle konkret haben könnten.
Die Investmentbank Barcleys schätzt, dass die Gewinne im S&P 500 Index als Folge dieser Maßnahmen um rund 2,8 Prozent niedriger ausfallen könnten. Bei Goldman Sachs wiederum hat man sich der Frage gewidmet, um wie viel geringer das US Wachstum ausfallen könnte (geschätzt um 0,4 Prozent), und wie sehr die Zölle die Inflation anheizen könnten (geschätzt 0,7 Prozent). Die Deutsche Bank ist da wesentlich pessimistischer und erwartet eine zusätzliche Teuerung im Ausmaß von bis zu 1 Prozent. Gerade die Inflationsproblematik ist heikel, könnte sie doch dazu führen, dass die US-Notenbank die Zinsen weniger stark senkt als bisher erwartet.
Damit gibt es für die Unternehmen bei den Finanzierungskosten weniger Entlastung als erhofft, was wiederum die Aktienkurse nach unten zieht. Schon in der Vorwoche hat die Federal Reserve die Zinsen unverändert belassen, sprich keine Senkung vorgenommen. Fed-Chef Jerome Powell hat in seinem Statement klar gemacht, die Wahrungshüter würden jetzt erst einmal abwarten, welche Schritte von politischer Seite kommen, bevor man die Zinsen weiter senkt.
Darüber hinaus hat Trump bereits angekündigt, auch Importe aus Europa mit Zöllen belegen zu wollen. Damit scheint die nächste Runde im Handelsstreit „USA gegen den Rest der Welt“ eingeläutet. Kanada hatte seinerseits bereits auf die Maßnahmen reagiert und ebenfalls Zölle auf Importe aus den USA angekündigt. Da die Zölle im letzten Moment ausgesetzt wurden, blieben die Rückgänge an der Börse im Rahmen. Offenbar hofft man jetzt, dass Trump nach wie vor letztlich eine Verhandlungslösung anstrebt und die Zölle vor allem als Druckmittel einsetzt. Nach den starken Kursanstiegen der letzten beiden Jahre (jeweils über 20 Prozent Plus im S&P) ist allerdings genug Platz für Gewinnmitnahmen vorhanden.