Thomas Arnoldner ist Deputy CEO der A1-Group © A1 / Montage: Selektiv
Thomas Arnoldner ist Deputy CEO der A1-Group © A1 / Montage: Selektiv
Interview

A1-Arnoldner: „Pausetaste bei Förderungen tut dem Markt gut“

Thomas Arnoldner ist seit 2023 Deputy CEO der A1 Group und war davor seit 2018 deren CEO. Im Interview mit Selektiv spricht er über den zähen Breitband-Ausbau in Österreich, bei dem die Förderung zu enormen Marktverzerrungen geführt habe. Außerdem machen ihm die stark gestiegenen Lohnkosten Sorgen: „In den meisten Ländern ist es gar nicht Usus, dass die Inflation überhaupt durch Unternehmen kompensiert wird“, sagt Arnoldner im Hinblick auf die gesunkene Wettbewerbsfähigkeit Österreichs. „Wir werden nicht mehr automatisch mitgezogen, wenn z. B. in Deutschland die Wirtschaft wieder anzieht. Ich hoffe, dass das auch die Arbeitnehmervertreter antizipieren“.

Österreich galt lange als Vorzeigeland im Mobilfunk. Ist es das nach wie vor und wird das auch so bleiben können?

Thomas Arnoldner: Österreich ist sicherlich immer noch ein mobilfunkgetriebenes Land. Wir haben einen hohen Wettbewerb in dem Land, was dazu führt, dass die österreichischen Kundinnen und Kunden nach wie vor von einem der niedrigsten Preisniveaus in Europa profitieren. Aber natürlich auch von einer im internationalen Vergleich weiterhin sehr guten Netzqualität. Man merkt das jedes Mal im Vergleich, wenn man zum Beispiel nach Deutschland fährt. Wir spüren das aber auch beim Festnetzausbau, wo der starke Wettbewerb aus dem Mobilfunkbereich dazu führt, dass die Business Cases für den Glasfaserausbau um einiges schlechter sind, als wir das im europäischen Vergleich sehen.

Ist das der Grund, warum Österreich im Breitbandausbau hinterherhängt?

Das ist einer der Gründe. Kapital wäre genug vorhanden, aber der Business Case im Glasfaserausbau in Österreich ist sehr, sehr schwierig. Warum? Einerseits sind auch im Festnetzbereich nach wie vor die Preisniveaus sehr attraktiv für die Kunden, was aber gleichzeitig herausfordernd für Investoren ist – es dauert länger, um Investitionen zurückzuverdienen. Das zweite ist, dass die sogenannten Take-Up-Rates sehr schlecht sind. Diese Rate besagt, wie viele Kunden ein an ihrem Standort verfügbares Glasfaser-Produkt tatsächlich kaufen. Wir haben in Österreich im Schnitt Take-Up-Rates von unter 30 %, in Europa im Schnitt von über 50 %. Dadurch wird der Ausbau noch teurer. Ein wesentlicher Grund dafür ist der starke Wettbewerb aus dem Mobilfunk. Mobilfunkprodukte können viel aggressiver beworben werden, was zum Beispiel die zur Verfügung stehenden Bandbreiten betrifft, als Festnetzprodukte. Zusätzlich sind die Ausbaukosten in Österreich so hoch wie sonst nirgendwo in Europa.

Warum?

Die regulatorischen Auflagen für den Bau von Glasfaser sind in Österreich sehr streng. Kabel müssen vergraben und aufwendige Wiederherstellungsarbeiten geleistet werden. 70 % der Kosten des Breitbandausbaus in Österreich entfallen dadurch auf Tiefbaukosten. Andere Länder sind bei den Verlegemethoden flexibler. Hier wird zum Beispiel Micro-Trenching verwendet, wo nur ein Schlitz in die Straße gefräst und nicht breit und tief aufgegraben wird. Oder die Glasfaser wird von Haus zu Haus zu gehängt. Dadurch sind die Ausbaukosten dort wesentlich niedriger.

Es gibt eine Förderung für den Breitbandausbau, die zu einem großen Teil gar nicht abgerufen wurde.

Ja, die Politik hat versucht die hohen Ausbaukosten mit enormen Förderungen zu kompensieren. Im Laufe der Jahre kamen über 2 Milliarden Euro an öffentlichen Mitteln für den Ausbau. Diese Förderung resultierte aber in enormen Marktverzerrungen. Die Ausbaukosten sind noch einmal in die Höhe geschossen, weil die Förderung hauptsächlich den Baufirmen zugutekommt. Gleichzeitig waren die Investitionen auf die Fördergebiete fokussiert. Dadurch wurden zahlenmäßig weniger Haushalte mit massiv gestiegenen Kosten ausgebaut. In einzelnen Fördergebieten lagen die Kosten bei bis zu 80.000 Euro pro Haushalt, während es außerhalb der Fördergebiete durchschnittlich 2.000 Euro pro Haushalt waren. Was wir bräuchten, wären Kostensenkungen z. B. durch schnellere Genehmigungsverfahren oder durch einen Tiefbauatlas, in dem geplante Bauvorhaben im Infrastrukturbereich zu sehen sind, bei denen man Glasfaser gleich mit verlegen könnte und damit Zeit und Kosten spart.

„Die Politik hat versucht die hohen Ausbaukosten mit enormen Förderungen zu kompensieren. Diese Förderung resultierte aber in enormen Marktverzerrungen.“

Thomas Arnoldner

Der Finanzminister freut sich gerade über jede Milliarde, die sich einsparen lässt. Kann man die Breitbandförderung einfach streichen?

Das passiert bereits. In dem Doppelbudget 2025/26 sind 150 Millionen Euro an Einsparungen aus der Breitbandförderung 2030 enthalten. Das befürworten wir auch sehr. Es ist wichtig, dass jetzt einmal die Förderlose, die vergeben wurden, fertig gebaut werden. Es tut nicht nur dem Budget gut, sondern auch dem Markt, was Förderungen betrifft jetzt die Pausetaste zu drücken. Die Zeit kann man nutzen, um zu überlegen, ob es nicht ein Förderregime gibt, das näher an den Marktmechanismen ist und zum Beispiel die Herausforderung der niedrigen Take-up-Rates adressiert. Derzeit werden ja auch Haushalte mit Glasfaser beglückt, die das gar nicht in Anspruch nehmen wollen.

Im Sparpaket sind auch Sonderabgaben für einzelne Branchen enthalten – etwa für Energieunternehmen oder Banken. Schürt das Sorgen, dass solche Abgaben auch weitere Branchen treffen könnten?

In Bezug auf die Telekommunikationsbranche sind mir solche Überlegungen nicht bekannt. Ich glaube, dass ist der Tatsache geschuldet, dass bekannt ist, dass die Branche bei Investitionen ohnehin schon große Herausforderungen hat. Solche Abgaben führen immer dazu, dass es weniger Investitionen gibt. Mario Draghi und Enrico Letta haben in ihren Reports klar gesagt, dass die Telekommunikationsbranche im Schnitt ihre eigenen Kapitalkosten nicht zurückverdient. Das gilt für europäische Unternehmen genauso wie für österreichische. Uns fehlen in Europa 200 Milliarden Euro, um die Ziele der digitalen Dekade 2030 zu erreichen – das heißt: flächendeckende Breitbandabdeckung. Es ist absurd, dass wir im digitalen Bereich absolut keinen Binnenmarkt haben. Es gibt 27 unterschiedliche Telekommunikationsgesetze, 27 Regulatoren und da reden wir nur vom Telekom-Bereich – dazu kommen unterschiedliche Datenschutzbehörden, Cybersecurity-Gesetzgebungen, Konsumentenschutzgesetze, Bauordnungen. Da ist noch enorm viel auf EU-Ebene zu tun und gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass wir diese Regularien nicht in Österreich auch noch aufdoppeln.

Wäre ein digitaler Binnenmarkt auch eine Möglichkeit, künstliche Intelligenz in Europa stärker voranzutreiben?

Künstliche Intelligenz ist für Europa, aber vor allem auch für uns als Branche und Unternehmen eine große Chance. Wir haben im Unternehmen mehr als 100 Use Cases für künstliche Intelligenz – an der Schnittstelle zu den Kunden, im Call Center, bei Recommendation Engines für TV-Produkte, in der Finanzplanung, in der Netzplanung oder im Marketing. KI ist aber auch für den Wirtschaftsstandort wichtig. In der produzierenden Industrie gibt es die Chance, die immer größer werdenden Produktivitätsnachteile aufgrund der stark gestiegenen Lohnkosten durch künstliche Intelligenz zu kompensieren. Auch im öffentlichen Dienst sollten wir massiv KI einsetzen, um effizienter und damit letztendlich auch „kundenfreundlicher“ zu werden, also die Prozesse für die Bevölkerung viel schneller gestalten zu können. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht durch eine überbordende Regulierung bremsen, die vielleicht für große Unternehmen noch managebar ist, aber für kleinere und mittlere Unternehmen einfach zu einer unüberwindbaren Hürde wird.

Wie weit sind wir dann auf dieser Reise in Österreich, sowohl bei Unternehmern als auch in der öffentlichen Verwaltung?

Bei Unternehmen erheben wir das gerade im Rahmen einer Taskforce der Industriellenvereinigung, die ich gemeinsam mit Christoph Knogler (CEO von Keba, Anm.) leiten darf. Meine Erwartung ist ein sehr heterogenes Bild, was den Reifegrad der teilnehmenden Unternehmen im Bereich KI angeht. Es gibt Unternehmen, die schon sehr weit sind, und es gibt auch solche, die das Potenzial sehen, aber noch mit Herausforderungen kämpfen. Dazu gehören technische Voraussetzungen, die Bereitstellung von Mitteln, das Know-how im Unternehmen und kulturelle Faktoren. KI ist eine Querschnittsmaterie und muss deshalb mit einem umfassenden Transformationsprozess begleitet werden. Und dann bleibt noch die Sorge vor Regulierung, die die Unternehmen bremst.

Was bedeutet das konkret?

Es gibt einfach wirklich viele Regularien zu allen Themen, die AI berührt: Natürlich den AI Act, selbst, die AI Haftungsrichtlinie, die DSGVO, verschiedene Cybersecurity-Regulierungen, Data und Data Govnernace Act, Produkthaftungsrichtlinie, dieTelekomregulierung, und so weiter und so fort… Natürlich ist es wichtig, sich über all diese Dinge Gedanken zu machen, oftmals habe ich aber das Gefühl, dass es sehr redundante Gedanken sind, die sich mit Fragestellungen auseinandersetzen, die mit der realen Welt nicht mehr viel zu tun haben. Wenn ich mir ansehe, dass es allein im Bereich Data & Privacy 14 EU-Rechtsrahmen gibt, kann man sich schon die Frage stellen, ob dadurch Innovation eher gefördert oder doch vielleicht blockiert wird.

In den vergangenen Jahren sind die Lohnkosten stark gestiegen – auch der A1-Kollektivvertrag hat zuletzt noch ein kräftiges Plus gebracht. Für heuer mahnen Ökonomen Lohnzurückhaltung ein. Ist das realistisch?

Bei den ersten KV-Abschlüssen heuer sieht man schon eine gewisse Zurückhaltung. Aber man muss schon realistisch bleiben – Zurückhaltung bedeutet ja nur, dass man an oder knapp unter der Inflationsrate abschließt. In den meisten Ländern ist es gar nicht Usus, dass die Inflation überhaupt durch Unternehmen kompensiert wird. Was wir mit dieser „Zurückhaltung“ erreichen, ist ja nur, dass der Lohnkostennachteil in Österreich nicht noch größer wird in einer Situation, in der die Inflation immer noch relativ hoch ist. Schauen wir nur zu unseren Nachbarn: Die Schweiz ist zum Beispiel enorm viel kompetitiver geworden über die letzten paar Jahre. Die österreichischen Zulieferer aus der Industrie haben aufgrund der stark gestiegenen Lohnstückkosten und der gestiegenen Energiekosten im Vergleich zu Unternehmen in Polen, in der Slowakei, in Tschechien, am Balkan, enorme Wettbewerbsnachteile aufgerissen. Wir werden nicht mehr automatisch mitgezogen, wenn z. B. in Deutschland die Wirtschaft wieder anzieht. Ich hoffe, dass das auch die Arbeitnehmervertreter antizipieren. Und dass wir nicht eine Phase hoher Arbeitslosigkeit brauchen, um zu verstehen, dass es so nicht weitergehen kann.

„In den meisten Ländern ist es gar nicht Usus, dass die Inflation überhaupt durch Unternehmen kompensiert wird.“

Thomas Arnoldner

Man sagt ja so schön, you should repair the roof when the sun is shining. Wir sind aber weit davon entfernt, dass die Sonne bei uns scheint. Wir sind im dritten Jahr der Rezession. Die Industrie schrumpft. Also regnet es schon hinein. Oder es hagelt vielmehr. Wir sollten jetzt nicht warten, bis der Taifun über uns hinwegzieht. Und deswegen wäre Zurückhaltung bei den Lohn-Abschlüssen so wichtig. Und gerade der öffentliche Dienst sollte da mit gutem Beispiel vorangehen. Wenn das Budget zu konsolidieren ist, dann glaube ich, muss man sich auch die Abschlüsse anschauen.

Was bedeuten die hohen Lohnkosten und auch die hohen Energiekosten für die A1?

Die Lohnkosten sind für uns aufgrund der Kostenstruktur ein größeres Thema als die Energiekosten. Wir hatten jetzt mehrfach Abschlüsse von 7-8 % bei einem Geschäft, das sich in Österreich momentan im besten Fall flach entwickelt. Die Konsequenz ist, dass wir versuchen, durch Effizienzsteigerung, durch KI, durch Synergien, die wir in der Gruppe haben, den Mitarbeiterstand entsprechend anzupassen. Das gelingt uns auch. Aber ich glaube nicht, dass das auf ewig so funktionieren kann. Weder für uns als Unternehmen noch für die österreichische Wirtschaft insgesamt.

Die Nationalbank geht für heuer wieder von einem kleinen Plus beim Wirtschaftswachstum aus. Glauben Sie auch daran?

Das kann ich nicht beurteilen, halte es aber auch für irrelevant, ob da jetzt ein kleines Minus oder ein kleines Plus steht. Es ist in jedem Fall viel zu wenig. Es gibt wichtigere Dinge, die einen Einfluss auf die Stimmung in der österreichischen Wirtschaft haben. Und Stimmung ist sehr wichtig – momentan sehen wir eine massive Investitionszurückhaltung. Es herrscht Unsicherheit, wie es weitergeht. Wie wirtschaftsfreundlich ist das Klima? Gibt es Rechtssicherheit bei Investitionen? Davon sind wir stark betroffen – Stichwort Servicepauschale – aber auch andere Sektoren, wenn man an die sektorspezifischen Beiträge zur Budgetkonsolidierung denkt. Wir brauchen konkrete Maßnahmen, die bei den Unternehmen und bei den Menschen ankommen.