Wirtschafts- und Energieminister Wolfgang Hattmansdorfer (ÖVP) betont im Selektiv-Interview die Vorteile, die das neue Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) bzw. „Billigstromgesetz“ Unternehmen bringen wird. Damit sei ein „Kraftakt für den Wirtschaftsstandort“ gelungen. In der heutigen Nationalratssondersitzung soll darüber hinaus die Senkung der Elektrizitätsabgabe beschlossen werden. Weiters will Hattmannsdorfer beobachten, wie sich der deutsche Industriestrompreis entwickelt und gegebenenfalls auch hierzulande nachziehen, um „Österreich konkurrenzfähig zu halten“.
Für Unternehmen sind im ElWG Power Purchase Agreements, die Teilnahmemöglichkeit an Energiegemeinschaften und Direktleitungen zu Erzeugern vorgesehen. Gibt es eine Schätzung, welche oder wieviele Unternehmen davon profitieren werden?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Hinzu kommt noch die Rechtssicherheit bei den geschlossenen Verteilernetzen. Von all diesen Punkten profitieren vor allem Unternehmen, die ein aktives Energiemanagement haben und für die Energie ein kritischer Wettbewerbsfaktor ist. Grundsätzlich ist mit dieser Strommarktreform ein Paradigmenwechsel gelungen mit drei Zielen: sicher, sauber, leistbar. In über 140 Seiten und 191 Paragraphen legen wir darin ein „Kosten-Runter-Paket“, ein „Unternehmerpaket“ und ein neues Betriebssystem für unseren Strommarkt vor.
Mit dem ElWG werden 450 Mio. Euro bereitgestellt, um die Netzkosten um 3 % zu senken. Wo landet dieses Geld genau?
Der Strompreis besteht aus dem Arbeitspreis, dem Netzpreis und den Abgaben und Steuern. Der Netzpreis wird vom Regulator festgelegt und dort setzen wir an. Wir werden die Regulierungskonten öffnen und Gebühren, die zu viel eingehoben wurden, zur Gestaltung der Netzkosten zur Verfügung stellen. Das war ein Kraftakt: Nächstes Jahr werden die Netzkosten im Schnitt nur um 1,1 % steigen – von 2024 auf 2025 waren es über 20 %. Die Regulierungskonten im Umfeld der Netze sollten kein Sparschwein sein – wenn dort Geld liegt, sollte es den Kunden und Unternehmen zurückgegeben werden.
Sollten die Netzkosten nicht sinken, statt wieder zu steigen – wenn auch nur um 1,1 %?
Ich glaube, alles, was unter der Inflation liegt, ist ein wesentlicher Beitrag zu mehr Wettbewerbsfähigkeit. Wir haben einen massiv steigenden Energiebedarf und die Anforderungen an die Netze steigen. Wenn dann die Netzkosten nur um 1,1 % steigen, ist das ein wesentlicher Beitrag. Durch die Spitzenkappung im Billigstromgesetz und durch die Einführung der digitalen Ansteuerung der Anlagen heben wir außerdem mehr Potenziale im Netz. Experten gehen davon aus, dass so ein Drittel der Netze besser genutzt werden können.
Die Elektrizitätsabgabe wird nun ebenfalls für 2026 mit 500 Mio. Euro gefördert. Mit welchen Effekten rechnen Sie dadurch für Unternehmen?
Von den grob 500 Mio. Euro wird die Hälfte der Wirtschaft zur Verfügung stehen, die andere Hälfte den Haushalten. Damit wird es auch eine inflationsdämpfende Wirkung geben.
Die Maßnahme ist aber auf 2026 beschränkt. Als zum Jahreswechsel 2024/2025 Energiepreis-Unterstützungsmaßnahmen ausgelaufen sind, hat das für heuer die Inflation massiv angeheizt. Ist damit wieder zu rechnen, wenn die Stützung der Elektrizitätsabgabe ausläuft?
Wir haben derzeit überall leichte Anzeichen eines Wirtschaftswachstums und das müssen wir maximal fördern. Österreich war lange Schlusslicht beim Wachstum im EU-Vergleich. Im letzten Monat waren wir erstmals wieder im Monatsvergleich über dem EU-Schnitt. Das müssen wir jetzt festigen. Wir stellen deshalb etwa über die Staatsbeteiligungen eine halbe Milliarde Euro zur Verfügung. Parallel wird das Billigstromgesetz jetzt schrittweise von Quartal zu Quartal in Kraft gesetzt, wodurch sich weitere Stromkostensenkungsmaßnahmen ergeben.
Sie rechnen also nicht damit, dass die Inflation beim Auslaufen der temporären Maßnahmen wieder ansteigt?
Nein, weil sie schrittweise durch die Maßnahmen des Billigstromgesetzes ersetzt werden.
Wir haben jetzt die gesetzliche Grundlage für günstigeren Strom beschlossen.
Wolfgang Hattmannsdorfer
In Deutschland kommt mit nächstem Jahr ein eigener Industriestrompreis. Das wird österreichischen Unternehmen einen weiteren preislichen Nachteil bescheren, der durch die bisherigen Maßnahmen nicht ausgeglichen werden kann. Wird es ein ähnliches Modell wie in Deutschland geben?
Wir haben jetzt die gesetzliche Grundlage für günstigeren Strom beschlossen. Das war ein echter Kraftakt für den Wirtschaftsstandort. Jetzt beschließen wird die Senkung der Elektrizitätsabgabe. Selbstverständlich wird ein Kernpunkt der Standortpolitik sein, Österreich konkurrenzfähig zu halten. Jetzt müssen wir mal schauen, was in Deutschland genau beschlossen wird. Wir haben jetzt einmal das 150 Millionen Euro schwere SAG (Stromkosten-Ausgleich für energieintensive Unternehmen, Anm.) für 2025 und 2026 beschlossen, das derzeit zur Notifizierung in Brüssel liegt. Klar ist, dass man darüber hinaus planen muss, wenn Deutschland die Rahmenbedingungen massiv verändert.
Deutschland hat das SAG bis 2030 – das wünschen sich viele Unternehmen auch für Österreich. Der Industriestrompreis geht darüber aber hinaus.
Ja, aber es ist wahrscheinlich so, dass SAG-Betriebe keinen Industriestrompreis bekommen. Da gibt es noch Unklarheiten und die müssen wir jetzt einmal abwarten.
Viele wundern sich, warum in dem eigentlich sehr technischen Strommarktgesetz die Klimaneutralität 2040 verankert wurde.
Das Ziel ist nicht im Gesetz verankert, es steht lediglich darin, dass das Gesetz einen Beitrag zur Klimaneutralität leisten wird. Das ist eine sehr harmlose Formulierung – es wird dadurch kein 2040er-Ziel definiert.
Ziel dieses Bundesgesetzes ist es, zu den nationalen Energie- und Klimazielen sowie der Erreichung der Klimaneutralität 2040 beizutragen.
§ 5. Abs (1) Z 3. des ElWG
Die Verursachergerechtigkeit, die das Kernstück des ElWG war, wurde deutlich aufgeweicht. Warum sollen PV-Anlagen-Besitzer nicht genauso zum Erhalt und Ausbau der Netze beitragen wie alle anderen Privaten?
Wir haben für dieses Gesetz eine Zweidrittelmehrheit benötigt, es aber im Wesentlichen so beschlossen, wie wir es vorgelegt haben. In zehn Paragrafen gab es Änderungen. Die Spitzenkappung gibt es weiterhin. Und für PV-Anlagen sehen wir auch weiterhin Einspeisegebühren vor. Ich hatte eine Freigrenze von 15 Kilowatt vorgeschlagen, jetzt sind es 20 Kilowatt.
Ändert das etwas an der Summe der Beiträge?
Statt 30 Mio. Euro werden es nun 29 Mio. Euro sein.