Walter Veit ist Hotelier und Präsident der Österreichischen Hotelvereinigung, die freiwillige Interessensvertretung der Hotellerie. Im Interview bilanziert er das Regierungsprogramm, welche Herausforderungen zu bewältigen sind, um Österreich zu einer Ganzjahresdestination zu machen und wieso das Steuersystem dringend reformiert werden muss.
Die neue Regierung ist im Amt, das Regierungsprogramm vorgestellt. Was ist ihre Einschätzung für den Tourismus?
Walter Veit: Im Regierungsprogramm sind viele unserer Forderungen enthalten, das ist schon einmal sehr wichtig. Aber jetzt kommt es darauf an, wie und wann sie umgesetzt werden. Ein gutes, aktuelles Beispiel ist die Diskussion um eine mögliche Trinkgeldbesteuerung und den Sozialversicherungsbeiträgen die jetzt schon pauschal für das Trinkgeld bezahlt werden. Im Regierungsprogramm steht, dass es eine praxistaugliche Lösung geben soll. Das kann aber von voller Steuerbefreiung bis voller Besteuerung alles bedeuten.
Die schwache Wirtschaftsentwicklung belastet die Unternehmen. Was ist die größte Herausforderung spezifisch für den Tourismus?
Das Mitarbeiterthema ist sicher die größte Sorge. Die Auslastung ist vorerst noch sehr gut. Doch bei der Suche nach Mitarbeitern gibt es zwei Punkte im Regierungsprogramm, bei denen wir optimistisch sein können. Es ist dort angekündigt, dass wir bei der Anzahl der Saisoniers eine Aufstockung bekommen und dass die Bewilligungen vor Beginn der Saison erteilt werden. Und zweitens geht es um die steuerliche Entlastung der Überstunden und eine Flattax für Pensionisten die noch weiterarbeiten wollen. Minister Hattmannsdorfer hat hier angekündigt, dass sie wohl erst im dritten Regierungsjahr kommen wird. Die derzeitige Budgetsituation lässt diese Maßnahme nicht zu, aber wir hoffen doch, dass sie früher kommt. Es würde mehr Österreicher motivieren wieder mehr zu arbeiten oder auch nach dem regulären Pensionsantritt in ihren Betrieben in Teilzeit beschäftigt zu bleiben.
Auch die Frage der Lohnnebenkosten wird von Seiten der Wirtschaft immer wieder aufgebracht.
Hier ist eine Senkung angekündigt, das wäre prinzipiell sehr richtig und sehr gut. Aber ich bin jetzt 42 Jahre Unternehmer und ich glaube seit 42 Jahren und einem Tag höre ich dieses Versprechen. Ich glaube nicht mehr daran, meine große Hoffnung besteht, dass irgendwann einmal eine Regierung sich dem ganze Lohnthema annimmt und für eine deutliche Senkung sorgt. Aber was uns Betriebe schon massiv helfen würde, wäre eine echte Vereinfachung der Lohnverrechnung. Vielleicht kann uns auch da jetzt das Staatssekretariat für Entbürokratisierung helfen, so dass dieses ganze Thema einmal durchschaubar wird. Ich glaube, es gibt keine fünf Lohnbüros in Österreich, die zu hundert Prozent exakt die Löhne und Gehälter der Mitarbeiter in unserer Branche abrechnen können. Das ist so ein hochkomplexer Prozess mit Überstunden, Zeitausgleich, Feiertagszuschlägen, Nachtstunden oder auch Zuschläge für Fremdsprachen. Hier würde eine echte Vereinfachung schon eine enorme Erleichterung bringen. Nicht zu vergessen sind die Berechnung von Arbeitgeber-, Arbeitnehmeranteil sowie Dienstgeberzuschlag und Kommunalsteuer. Der sogenannte Bruttolohn ist doch nur mehr eine Fantasiezahl und bildet nicht im Geringsten den Unterschied zwischen Nettobezug und dem tatsächlichen Kosten für einen Mitarbeiter ab.
Beim Thema Vereinfachung werden auch immer wieder die Bürokratie und Vorgaben vorgebracht. Was müsste da angegangen werden?
Eine Vereinfachung, alles, was Überprüfungen und Vorgaben angeht, wird sehr dringend gebraucht. Vor allem auch deshalb, weil eine Reform hier dem Staat ja nichts kostet. Natürlich ist vollkommen klar, dass wir die Standards nicht zurückfahren wollen, Österreich ist ein sicheres Land, jeder Tourist soll sich wohl und sicher fühlen, wenn er bei uns auf Urlaub ist. Aber es ist eine Tatsache, dass es hier viele Doppelgleisigkeiten gibt. Im ÖHV-Präsidium haben wir uns deshalb als Schwerpunkt für das kommende Arbeitsjahr die Vereinfachung der bürokratischen Prozesse vorgenommen, nicht die Entbürokratisierung. Denn wir brauchen bürokratische Prozesse, es muss Normen geben, aber die Doppel- und Dreifachgleisigkeiten gehören weg. Sie verbrauchen zu viel Geld, Arbeitskraft und Zeit. Ein Beispiel aus meinem Hotel sind die Aufzugsanlagen. Ich möchte natürlich, dass die Aufzüge zu 100 Prozent sicher sind. Zur Kontrolle kommt einmal der TÜV und nimmt alles ab und sagt alles sei in Ordnung. Und eine Woche später oder vorher kommt die errichtende Aufzugsfirma und sagt, wir sind auch verpflichtet, jedes Jahr den Aufzug abzunehmen. Das muss doch effizienter gehen. Da spielt auch der Föderalismus eine große Rolle, das wird gern übersehen. Denn neun Bundesländer bedeuten auch neun verschiedene Regelungen. Wenn ich von einem Architekten das optimale Hotel für den Gast erstellen lassen würde, dann müsste er auch gleich neun Varianten je nach Bauvorgaben der Länder liefern.
Der Tourismus in Österreich ist ein wichtiger Teil der Wirtschaft. Was sind in den kommenden Jahren die größten Herausforderungen?
Unser Ziel ist, dass wir Österreich langfristig zu einer Ganzjahresdestination machen wollen. Wir können das natürlich nicht in jeder Extremlage, aber wir sehen jetzt schon, wie die Saisonen sich ausweiten und manche Betriebe mit zwei Saisonen heute wirklich schon ganzjährig die Mitarbeiter beschäftigt haben. Bei uns in Obertauern auf 1.740 Metern ist es noch sehr schwierig, da einen Ganzjahrestourismus zu realisieren, aber vielleicht schaffen wir bald einmal eine zweite Saison, nämlich im Sommer. In vielen anderen Destinationen funktioniert das schon. Auch der Herbst, als Urlaubszeit in Österreich, wird von Jahr zu Jahr, besser gebucht. Doch wenn wir den Ganzjahrestourismus erreichen wollen, brauchen wir eben mehr Mitarbeiter, Kinderbetreuung und Unterkünfte. Das alles steht im neuen Regierungsprogramm. Ein erstes Treffen mit der neuen Tourismus-Staatssekretärin, Elisabeth Zehetner gab es schon, bei dem wir unsere Schwerpunkte und Probleme besprechen konnten. Der erste Kontakt war sehr positiv, jetzt müssen wir nur an den konkreten Punkten arbeiten.