Augenauswischerei bei der Nachhaltigkeits-Bürokratie
Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.
Der erste EU-„Omnibus“ zur Entbürokratisierung ist wohl tatsächlich kein Rennauto. Die Kommission hat sich natürlich mit Nachhaltigkeit ein heikles Thema ausgesucht. Gelungen ist jedenfalls, Umweltschützer zu verstören und viele Unternehmen mit den Achseln zucken zu lassen. Nachhaltigkeitsberichte sind also nur noch für sehr große Unternehmen verpflichtend. Die wiederum brauchen aber von ihren Lieferanten entsprechende Berichte. Also von kleineren und mittleren Unternehmen. Für die ist die Entlassung aus der Brüsseler Berichtsleidenschaft also relativ egal. Es ist also nicht mehr als eine gönnerhafte Ankündigung, wenn EU-Kommissar Valdis Dombrovskis sagt, dass 80 Prozent der berichtspflichtigen Unternehmen „befreit“ werden.
In Österreich übrigens würden sie von etwas „befreit“, für das es noch gar keine national-gesetzliche Grundlage gibt – die Frist für die nationale Umsetzung der CSRD (das Fachkürzel für die Taxonomieverordnung) ist nämlich im Juli 2024 abgelaufen. Wie gegen viele andere Länder hat die EU deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eröffnet. Seit wenigen Wochen danach fehlt Österreich bekanntermaßen eine handlungsfähige Regierung. Die gesetzliche Grundlage für die Berichterstattung soll das Nachhaltigkeitsberichtsgesetz (NaBeG) liefern – seit Jänner ist dazu zumindest ein Entwurf in Begutachtung. Ob das eine der ersten Prioritäten der neuen Regierung sein wird, sei dahingestellt.
Die Lieferkettenrichtlinie, über die es im Vorfeld eine fast schon emotional geführte Debatte gegeben hat, gilt offiziell ja auch nur für sehr große Unternehmen – und indirekt für deren Lieferanten. Geändert wird nun, dass nur noch die direkten Lieferanten und nicht die Lieferanten der Lieferanten der Lieferanten in fernen Ländern geprüft werden müssen. Ändern wird sich aber auch da für viele kleinere und mittlere Lieferanten kaum etwas, denn viele große Unternehmen haben die Berichterstattung für ihre Lieferketten längst aufgesetzt. Sie jetzt komplett über den Haufen zu hauen, macht möglicherweise mehr Arbeit als sie einfach überzuerfüllen. Wie war das nochmal mit der Planungssicherheit, auf die die EU so stolz ist? Bleibt zu hoffen, dass die nächsten Omnibusse stärker besetzt sind.