Die Tante aller Wahlschlachten

Rainer Nowak ist österreichischer Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“. Zuvor war Nowak Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.
Stell dir vor, es ist Wahlkampf und keiner will kämpfen. Der müdeste und langweiligste Wiener Gemeinderatswahlkampf der vergangenen Jahrzehnte schleppt sich ins Finale. Am Wahlsonntag wird Michael Ludwig als Wiener Bürgermeister bestätigt werden, egal was bisher geschah und noch passieren wird. Noch selten zuvor hatte ein Wiener Bürgermeister so schwache Gegner und damit so gute Karten. Dass 2025 die Probleme Wiens größer sind als je zuvor, spielt offenbar keine Rolle. Zumindest die Themen Sicherheit und Bildung, oder in Wahrheit: die Integration, die erstmals in der 2. Republik wirklich für jeden in der Stadt als echt alarmierende Probleme wahrgenommen werden, so er/sie nicht in den edlen Vorstädten residiert und keine Kinder hat, spielen eine Rolle. Interessanterweise wird das von der Stadtregierung noch instinktiv geleugnet, was der SPÖ und ihrem Neos-Anhängsel dann doch ein paar Stimmen kosten wird.
Während jede weitere noch so kleine negative Budgetdefizitentwicklung des Bundes dieser Tage zu Recht für Schlagzeilen und Schnappatmung sorgt, ist das auseinanderklaffende Wiener Stadtbudget und der traditionelle Schuldenberg von mittlerweile 10,2 Milliarden Euro wurscht, um einen Begriff zu verwenden, den der Gesundheitsstadtrat gerne formuliert, wenn er auf die muslimische Mehrheit in den Volksschulklassen angesprochen wird. Der Wiener Bürgermeister rühmt sich und seine Stadtregierung gerne, dass die Wirtschaftsentwicklung der Stadt besser als der landesweite Durchschnitt sei. Er sagt nicht dazu, dass Wien im Gegensatz etwa zu Linz keine Schwerindustrie-Metropole ist, sondern vor allem auch vom boomenden Tourismus profitiert. Die Dankesworte an Hoteliers, Gastronomen, Lufthansa und Ryan-Air kommen sicher noch.
Und noch eine kleine Lücke in der täglichen Selbstbeweihräucherung Wiens: Es waren natürlich auch die Milliarden Euro der türkis-grünen Bundesregierung, die über alle Gewerbetreibenden und Ein-Personen-Unternehmen ausgeschüttet wurden, die uns nicht nur ein ausgedehntes Budgetloch beschert haben, sondern eine massive Pleitewelle in Wien verhinderten, wie sie andere Städte etwa in Südeuropa durchlitten. Die riskant fahrlässige Koste-es-was-es-wolle-Strategie führte neben einem weiter dichten und Milliarden-geölten Sozialsystem dazu, dass auch schwierige Bezirke und Einkaufsstraßen nicht verslumten, sondern weiterhin proper die hübsche Wiener Tourismus- und Wahlkampfkulisse bilden. Was nicht schlecht ist, aber zumindest der Erwähnung wert wäre.
Den Vogel schießen jedenfalls die lokalen Grünen ab, die nun ein völlig neues Argument gegen den Lobau-Tunnel bringen: Der koste angeblich sechs Milliarden Euro und nun müsse doch endlich einmal gespart werden. Die Partei, die das Geld als Regierungspartei abgeschafft hat, will nun also auf die Kosten schauen. Fehlt nur noch, dass uns die ÖVP erzählt, dass (nach Jahrzehnten mit ÖVP-Finanzministern) nun endlich etwas gegen das Defizit unternommen werden muss. Moment…