Der zweite „China-Schock“ wird uns mit Wucht treffen

2. Dezember 2025Lesezeit: 3 Min.
Bernhard Seyringer Illustration
Kommentar von Bernhard Seyringer

Bernhard Seyringer ist Politikanalyst und Technologie-Berater bei AFUSS Consulting. Seine thematischen Schwerpunkte fokussieren „Strategic Foresight“ und „Neue Technologien und Internationale Politik“. Seyringer ist zudem Experte für digitale Geopolitik.

Der zweite „China-Schock“ nimmt mit dem nächsten Fünfjahresplan volle Fahrt auf. Er wird uns mit voller Wucht treffen. War es vor mehr als zwei Dekaden das industrielle Kernland der USA, das die verheerenden Wirkungen zu spüren bekam, ist es nun unser Kontinent. Eine intensive Auseinandersetzung mit den Inhalten des 15. Fünfjahresplans (2026-2030) wäre deswegen mehr als ratsam. Eine Katastrophe mit Ansage und mindestens einer Dekade Vorlaufzeit.

Das Vierte Plenum des 20. Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, hat die „Empfehlungen“ für den 15. Fünfjahresplan (FJP) an die zuständige Planungsbehörde übergeben. Somit steht der offiziellen Veröffentlichung des Plans, im März 2026 nichts mehr im Wege.
Eine Überraschung ist, dass die „industrielle Modernisierung“ noch vor dem Staatsziel „Technologiesouveränität“ auf Rang 1 der Prioritätenliste gesetzt wurde. Das klingt erstmals unverdächtig, bedeutet aber, dass die Führung, die genannten 8 Sektoren mit ähnlicher Konsequenz vorantreiben will, wie die 10 Sektoren des Strategieplans von 2015: „Made in China 2025“. Zu erwarten sind zusätzliche Roadmaps, mit denen schrittweise die Heimmarkt-Ziele für chinesische Unternehmen festgelegt und vergrößert werden. Westliche Industrieausrüster sollten daher keine allzu großen Hoffnungen auf damit verbundene Aufträge hegen.

Der Entwurf nennt weiters 6 „Schlüsseltechnologien“, bei denen bis 2030 mit „unkonventionellen Maßnahmen entscheidende Durchbrüche“ erzielt werden sollen. Es sind das die Industriesektoren bei denen China immer noch stark abhängig von westlichen Unternehmen ist, oder bei denen die Ziele von „Made in China 2025“ nicht, oder nur unzureichend erreicht wurden. Diese „unkonventionellen Maßnahmen“ machen klar, dass die beabsichtige Lenkung weit über die oft ineffizienten industriepolitischen Maßnahmen zur Förderung von Technologieunternehmen hinausgehen soll. Das heißt, nicht nur günstige Kredite und Importbeschränkungen zur Nachfragesteuerung, sondern tatsächlich eine umfassende Betreuung. Dabei soll verstärkt auf die „Kleinen Riesen“ gesetzt werden. Ein seit 2018 laufendes Programm, dass sich speziell auf die Reduzierung der Marktanteile von mittelständischen Unternehmen aus dem Westen konzentriert. In etlichen technologischen Nischen sind diese – zum Missfallen der chinesischen Führung – immer noch marktbeherrschend. Natürlich heißt es auch, dass Xi Jinping mit der Innovationskraft seines Landes noch nicht zufrieden ist: Seine bisherigen Initiativen wie die Reaktivierung des traditionell-maoistischen Volksmobilisierungsansatzes „juguo“ (etwa „Gesamte Nation“) 2019 und die „Kommission für Wissenschaft und Technologie“ der KP, die im März 2023 als Steuerungs- und Kontrollebene den zuständigen Ministerien übergeordnet wurde, scheinen die gewünschten Ziele zu verfehlen.

Der Entwurf nennt weiters 7 „Zukunftsindustrien“: Bereiche in denen es um die Entwicklung von Anwendungsszenarien, Geschäftsmodelle und um Marktregulierungen geht. Auch diese sind sehr unterschiedlich: Von „Gehirn-Computer-Schnittstellen“, die einem im Juli 2025 veröffentlichten Plan zufolge bereits 2027 in Serienproduktion gehen sollen bis zur 6G-Mobilfunktechnologie. Der 6G-Sektor wird seit 2019 vom Ministerium für Wissenschaft und Technologie angeleitet, aufgebaut und ist besonders interessant, da die ITU (International Telecommunication Union – eine Organisation der UNO) im kommenden Jahr mit dem Verhandeln internationaler Standards beginnen wird. Dazu kommen noch 4 „Emerging Industries“, darunter ist die „Low Altitude Economy“ besonders interessant. China setzt hier eindeutig auf den weiteren globalen „First Mover Advantage“.

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