Eine Chance für den Euro als globale Währung

20. Oktober 2025Lesezeit: 3 Min.
Johannes Hahn
Kommentar von Johannes Hahn

Johannes Hahn (Dr.phil) war von 2010-2024 EU-Kommissar (Regionalpolitik, Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen,  zuletzt für Haushalt und Verwaltung). Davor war er Bundesminister für Wissenschaft und Forschung (2007-2010) und Stadtrat in Wien (2003-2007). Vor seiner politischen full-time Tätigkeit bekleidete er viele Jahre Management- und Vorstandspositionen in der Industrie (VA Technologies, Novomatic).

Die Vormachtstellung des Dollars als globale Währung wird fragiler – vielleicht ist das die Chance für die Europäische Union, den Euro als Weltwährung zu positionieren. Auch EZB-Chefin Christine Lagarde macht sich über eine Stärkung in diese Richtung bereits Gedanken und tatsächlich gibt es eine relativ einfach umsetzbare Möglichkeit, die die Rolle des Euros neu definieren könnte. Denn am Ende hat nicht nur Europa Interesse daran, eine glaubwürdige Alternative zum Dollar zu entwickeln.

Im ersten Halbjahr 2025 hat der Dollar den stärksten Rückgang seit mehr als 50 Jahren erlebt. Es ist eine Melange aus Trumpscher Außen(handels)politik, amerikanischen Schuldendrucks und wachsendem Zweifel an der Unabhängigkeit der US-Notenbank Federal Reserve, die ein anhaltend schwieriges Umfeld für den Dollar liefert. Allerorts werden die Goldreserven aufgestockt – der Goldpreis befindet sich auf einer beispiellosen Rallye und jagt einen Rekord nach dem anderen. Der Dollar sitzt aber als Weltreservewährung fest im Sattel und dominiert nach wie vor das globale Finanzwesen – für Transaktionen ist Gold ungeeignet. Es gibt jedoch eine große Anzahl an Ländern, die an der Dollar-Dominanz schon lange gerne rütteln würden und die Chance für den Euro war nie besser. Seit Jahren liebäugeln etwa die BRICS-Länder, der „globale Süden“ mit Alternativen – eine eigene, goldgedeckte Währung ins Spiel zu bringen, ist aber illusorisch.

Es gibt eine große Anzahl an Ländern, die an der Dollar-Dominanz schon lange gerne rütteln würden und die Chance für den Euro war nie besser.

Johannes Hahn

Wir reden hier aber von vielen Ländern, mit denen die Europäische Union derzeit Handelsabkommen verhandelt – in ganz unterschiedlichen Stadien des Fortschritts: die Mercosur-Staaten Südamerikas, Indien, Indonesien, die Philippinen, Malaysia oder das eben erst unter Dach und Fach gebrachte Abkommen mit Mexiko. In diesen Deals steckt eine große Chance, den Euro als Weltwährung zu stärken. Als ich für NextGenerationEU auf einer Roadshow zur Begebung von EU-Bonds in einigen dieser Länder mit Nationalbankchefs sprechen durfte, nannten diese vor allem die mangelnde Liquidität als Hürde, größere Euro-Depots anzulegen. 

Noch macht der Dollar etwa die Hälfte der weltweiten Handelsfakturierung aus. Wenn man nun die Handelsdeals nutzen würde, um den Warenverkehr in Euro statt in Dollar zu fakturieren, würde sich das schnell ändern. Das als Bedingung in die Verträge aufzunehmen, dürfte angesichts der Abneigung dieser Länder gegen die Dollar-Dominanz nicht auf viel Widerspruch stoßen. Wir sprechen hier von Freihandelszonen, die – wenn die Handelsabkommen mit Mercosur, Indien und Indonesien unterzeichnet sind – insgesamt weit mehr als zwei Milliarden Einwohner umfassen. So könnte mit dem Euro tatsächlich eine brauchbare alternative Reservewährung mit ausreichender Liquidität geschaffen werden.

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