Lindners Wirtschaftswende – für Österreich gilt: „Copy, paste, act!“

Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initiativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Seit März 2025 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus im Kabinett Christian Stocker. Davor war sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner hat unter dem Titel „Wirtschaftswende Deutschland“ eine Reihe von Maßnahmen vorgestellt, die Deutschland mehr „Wachstum und Generationengerechtigkeit“ bringen sollen. Lindners Konzept setzt dabei auf steuerliche Entlastungen, gezielten Bürokratieabbau und eine kluge, EU-verzahnte Klimapolitik. Für Österreichs Sondierungs- und Koalitionsverhandlerinnen und -Verhandler sollte das Papier nicht nur Pflichtlektüre sein. Schließlich kämpfen auch wir in Österreich mit einer Rezession und noch viel ambitionierteren Klimazielen als Deutschland, darunter die angestrebte Klimaneutralität bis 2040. Man sollte vielmehr die Zielsetzungen und Maßnahmen des „Wirtschaftswende“-Konzepts – unter Berücksichtigung österreichischer Spezifika – ganz einfach kopieren, in ein künftiges Regierungsprogramm ein- und vor allem rasch umsetzen. Nachfolgend die wichtigsten Ansatzpunkte.
Regulierung stoppen
Das von Lindner geforderte „sofortige Moratorium“ für neue Regulierungen könnte auch in Österreich den Spielraum für Unternehmen erweitern und unsere Innovationspotenziale besser entfachen. Gerade für Wirtschaftsbereiche, für die neue Vorschriften wie das Lieferkettengesetz in Kraft treten sollen, würde eine Regulierungspause immense Entlastung und neue Wachstumsspielräume bringen.
Steuern senken
Auch die vom Lindner-Konzept geforderte steuerliche Entlastung in Deutschland durch den Abbau des Solidaritätszuschlags ist ein starkes Signal – sie bedeutet immerhin ein Minus von 5,5 Prozent bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer. Eine ähnliche Entlastung könnte auch in Österreich Investitionen fördern und dringend benötigtes Kapital für Innovationsprojekte und Arbeitsplätze bereitstellen. Der Kapitalbedarf ist hierzulande enorm – (weitere) steuerliche Erleichterungen wären ein echter Wachstumsmotor.
Anreize für Arbeit
Ein weiterer wichtiger Punkt in Lindners Konzept ist die Reform der Arbeitsanreize. Auch Österreich steht – trotz steigender Arbeitslosigkeit – vor den großen Herausforderungen des Fachkräftemangels in einer alternden Gesellschaft. Eine Reform der Sozialleistungen, die Wiedereinstieg und Verbleib im Arbeitsmarkt stärkt, könnte das Arbeitskräftepotenzial besser ausschöpfen und das Sozialsystem entlasten. Das „Fördern und Fordern“-Prinzip setzt bewusst auf Eigenverantwortung und gezielte Anreize.
Keine Alleingänge beim Klima
Statt Deutschland weiter als isolierten Vorreiter zu inszenieren, der bis 2045 klimaneutral ist, setzt Lindner auf eine enge Abstimmung mit den EU-Zielen für 2050 und auf den EU-Emissionshandel. Der Grund: Nationale Alleingänge im Klimaschutz verursachen hohe Kosten, ohne global spürbare Emissionsreduktionen zu erreichen. Eine gemeinsame europäische Strategie würde die Dekarbonisierung kosteneffizienter und auch fairer gestalten: „Relativ ambitionierte nationale Klimaziele führen im europäischen Emissionshandel (…) nicht zu einer schnelleren Erreichung europäischer Ziele, sondern lediglich zu einer Reduktion der notwendigen Anstrengungen anderer Mitgliedstaaten. Daher sollten die nationalen Ziele, wie die nationalen Zwischenziele, durch die europäischen Ziele ersetzt werden“, heißt es im Lindner-Konzept. Die Subventionen für erneuerbare Energien sollen Schritt für Schritt auf null gesenkt werden, um Infrastruktur und Energiespeicherung mit dem Ausbau von Wind- und Solarkraft zu synchronisieren. Technologien wie CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) sowie eine Diversifizierung der Energiequellen sollen zudem die Versorgungssicherheit erhöhen und Energiekosten stabilisieren.
Das alles sollte sich Österreich ganz genau ansehen, denn die Alpenrepublik hat sich in typischer „Goldplating“-Manier sogar das noch ehrgeizigere Ziel gesetzt, bis 2040 klimaneutral zu werden. Das macht Österreich nicht zum Vorreiter, sondern zum einsamen Reiter in der EU.
Die Orientierung an der „Wirtschaftswende“-Klimapolitik bietet zwei entscheidende Vorteile: Senkung der Transformationskosten und Stärkung des europäischen Wettbewerbsumfelds. Dies sind Vorteile, die auch die österreichische Wirtschaft zukunftsfähig machen und gleichzeitig einen wichtigen Beitrag zum europäischen Klimaschutz leisten könnten. Christian Lindners Vorschläge für Wachstum und Generationengerechtigkeit zeigen klar: Wachstum und Klimaschutz sind keine Gegensätze, wenn man sie mit den richtigen Ansätzen klug verknüpft.
Für die künftige österreichische Regierung gilt mit Blick auf das „Wirtschaftswende“-Konzept: Copy & paste & act! Einen Fehler sollte die nächste Regierung dabei aber unbedingt vermeiden: Erst gegen Ende einer Legislaturperiode – wie Christian Lindner – auf den Punkt zu bringen, was Wachstum und Generationengerechtigkeit wirklich weiterbringt.
Lindners „Wirtschaftswende“-Papier
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner hat unter dem Titel „Wirtschaftswende Deutschland – Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit“ Anfang November ein Papier mit Ideen zur Stärkung des Wirtschaftsstandorts Deutschland veröffentlicht.