Vision für die Zukunft? 2 Jahre warten, bitte!

28. Februar 2025Lesezeit: 3 Min.
Sara Grasel Illustration
Kommentar von Sara Grasel

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.

Die Lage ist wirklich verzwickt, da ist es verständlich, dass man sich Zeit nehmen muss. Österreichs Wirtschaft schrumpft heuer vielleicht das dritte Jahr in Folge, ein Unternehmen nach dem anderen sperrt zu, die Energiekosten sind zu hoch, um unsere Produkte am Weltmarkt gut anbieten zu können und die Menschen sind so verunsichert, dass sie ihr Geld lieber zur Seite legen. Wie lange braucht man, um einen guten Plan zu schmieden, der wieder für Aufbruchstimmung sorgt? Sagen wir: 5 Monate? Das Regierungsprogramm, das wir geduldig erwartet haben, wirkt nun trotzdem ein wenig gehudelt. Vieles ist vage gehalten – offenbar noch nicht ganz fertig verhandelt. Das zu konkretisieren wird mühsam werden. 

Ein Beispiel: Hohe Energiekosten sind zu so einem großen Problem für Unternehmen geworden, dass sogar die EU – die in diesem Bereich recht wenige Hebel hat – das Thema ganz nach oben gerückt hat. Bisher ist der „Clean Industrial Deal“ der EU-Kommission vor allem ein „Affordable Energy“-Plan, der die Mitgliedsländer dazu anhält, Maßnahmen zu setzen. Die Industrie bittet in Österreich seit langem darum, die Strompreiskompensation für energieintensive Unternehmen bis 2030 zu verlängern, wie in fast allen anderen EU-Ländern. In Österreich ist sie Ende 2022 ausgelaufen. Im Regierungsprogramm ist das Stromkosten-Ausgleichsgesetz (SAG) zwar erwähnt, aber von einer Umsetzung ist keine Rede. Es soll sich eine Expertengruppe mit dem Thema auseinandersetzen. Unkonkret bleiben auch Pläne zur Senkung der Lohnnebenkosten, die frühestens in zwei Jahren passieren könnte – Nachsatz: abhängig von der konjunkturellen und budgetären Lage.

Da sind wir beim Kern des Problems: So dringend wir sie brauchen würden, jetzt ist leider keine Zeit für große Reformprojekte. Jetzt muss nämlich erst einmal zwei Jahre lang eisern gespart werden. Das könnte noch so richtig unangenehm werden. Die neuen Mittelfrist-Prognosen von Wifo und IHS kommen erst im März und dann wird wahrscheinlich klar, dass wir noch mehr sparen müssen als bisher gedacht. Dass nur bei den Ausgaben gespart wird, glaubt niemand mehr. Klassische Vermögensteuern finden sich im Programm zwar nicht, aber dafür werden Banken, Energieunternehmen und Immobilienunternehmen zur Kasse gebeten.

Das mag nicht bei vielen Menschen für Mitleid sorgen, aber uns muss klar sein, dass dieses Geld dann für Investitionen fehlt. Im Fall der Energieunternehmen für den Erneuerbaren-Ausbau. Im Fall der Banken könnte eine höhere Abgabe die bereits jetzt eingeschränkte Kreditvergabe weiter nach unten drücken. Die Immobilienbranche, die nach gelinde gesagt schwierigen Jahren gerade ein wenig Licht am Horizont sehen kann, wird durch die Mehrbelastung wahrscheinlich auch keinen Motivationsschub bekommen. Es sei daran erinnert, dass jetzt schon zu wenige neue Wohnungen gebaut werden.

Wer die Präsentation des Regierungsprogramms verfolgt hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass dort vor allem SPÖ-Chef Andreas Babler einen konkreten Punkt nach dem anderen aufgezählt hat. „Wir haben nicht versucht, uns auf einen Minimalkompromiss herunterzuverhandeln“, versuchte ÖVP-Chef Christian Stocker als etwas Positives zu verkaufen. Jo eh, es war halt offensichtlich kein Kompromiss möglich. Also halt ein Flickenteppich aus halb-ausgegorenen Einzelpunkten ohne große Vision.

Auf Reformen zur Ankurbelung der Wirtschaft werden wir zwei Jahre warten müssen. Das ist aber kein Grund, jetzt keine wirtschaftspolitische Vision zu haben. Wirtschaft ist immer auch Psychologie. Wir brauchen eine große Reform, es ist schon fast egal, welche, sagte Ökonomin Monika Köppl-Turyna in einem Interview mit Selektiv. Es geht nämlich darum, den Menschen die Zuversicht zurückzugeben, dass etwas weitergeht, dass es einen Plan gibt und dass wir aus diesem Schlamassel herauskommen.

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