Wie man zielsicher an den Problemen vorbei regiert

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.
Unternehmen sind entzückt: Da weist man viele Monate lang darauf hin, dass die hohen Energiekosten ein massives Problem sind und was tut die Regierung in ihrer ersten Woche? Mit Maßnahmen drohen, die zu noch höheren Strompreisen führen würden. Wer hätte sich nach der Wahl Ende September gedacht, dass am Ende ausgerechnet die SPÖ so ungeniert ihr Ding durchziehen kann?
Zuerst die Mietpreisbremse. Klingt ja toll, Wohnen ist ein großer Posten auf der Monatsrechnung der meisten Menschen. Spätestens ein Blick nach Berlin holt Sozialromantiker schnell wieder auf den Boden der Realität. Dort hat ein Mietpreisdeckel dafür gesorgt, dass keine neuen Wohnungen mehr auf den Markt kommen und vorhandene Wohnungen, wenn überhaupt, nur noch schwarz vermietet werden. Gretchenfrage: Was passiert bloß, wenn das Angebot schrumpft? Genau: Die Preise steigen.
Dieses Prinzip scheint ausgerechnet dem neuen roten Finanzminister Markus Marterbauer entfallen zu sein. Offenbar nicht abgesprochen und offensichtlich auch nicht zu Ende gedacht, hat er am Mittwoch eine neue Idee in den Raum geworfen, die er gerne heute im Nationalrat gesehen hätte (der Budgetausschuss gestern hat den Vorschlag vorerst nicht durchgewunken): der „Elektrizitätswirtschaftstransformationsbeitrag“, kurz EWTB. Dahinter versteckt sich eine Steuer, die kommerzielle Stromerzeuger in Österreich entrichten sollen – 3 Euro pro Megawattstunde Strom aus erneuerbaren Quellen, die sie im Großhandel verkaufen.
Auf die Haushalte darf das laut Antrag nicht abgewälzt werden. Wie das garantiert werden kann, bleibt ein Rätsel. Haushalte kaufen gar nicht im Großhandel. Privatkunden werden die Effekte vielleicht erst in zwei bis drei Jahren spüren. Industriekunden, die zu aktuellen Großhandelspreisen kaufen, aber wohl recht rasch. Die Preise am Markt schwanken stark und es gibt Phasen, da liegt der Preis bei null, manchmal auch bei nur 2 oder 3 Euro pro Megawattstunde. In diesen Zeiten hätten Unternehmen, die für jede verkaufte Megawattstunde 3 Euro bezahlen müssen, kaum Gründe, weiter zu produzieren. Es wäre dann günstiger, Strom aus anderen Ländern zu importieren. Aus Ländern, in denen Strom um mindestens 3 Euro pro Megawattstunde billiger produziert werden kann. Gretchenfrage: Was passiert bloß, wenn das Angebot schrumpft? Genau: Die Preise steigen.
Noch ein Hinweis am Rande: Die Einnahmen aus dem EWTB sollen laut dem Antrag in die Energiewende fließen. Lustig, denn die Steuer bezahlen Unternehmen, die erneuerbare Energie erzeugen. Das Geld fehlt dann genau den Unternehmen, die die Energiewende im Kern vorantreiben für Investitionen in ebendiese. Ob der Staat wirklich besser weiß, wie man dieses Geld investiert? Es handelt sich übrigens noch dazu um jene Unternehmen, von denen sich die Regierung bereits rund 200 Millionen Euro pro Jahr über den „Energiekrisenbeitrag Strom“ holen wird.
