Umweltrechtsexperte Stephan Schwarzer sieht trotz aller Bemühungen auf EU-Ebene noch viel Potenzial für den Abbau von Hürden im Bereich Umwelt und Klima: „Was der Green Deal eigentlich bezwecken will, verhindert er auch selbst.“ Ein Beispiel dafür sei das „Verbrennerverbot“, das kommende Woche entschärft werden könnte. Auch vom Stecken immer neuer Klimaziele hält der Geschäftsführer der E-Fuel Alliance wenig: „Diese Zieldebatte verdeckt, dass wir es in fünf Jahren nicht geschafft haben, Wasserstoffstrukturen aufzubauen und CO2-Lager zu errichten.“
Am 16. Dezember könnte die EU Änderungen des für 2035 geplanten „Verbrennerverbots“ ankündigen. Im Raum steht eine Verschiebung oder eine Entschärfung. Ginge das in die richtige Richtung?
Stephan Schwarzer: Eine Verschiebung wäre wohl nicht die beste Lösung, denn dann hat man das gleiche Problem halt fünf Jahre später. Wichtig wäre eine Technologieoffenheit. Dann wäre nämlich auch der Termin mit 2035 wieder realistischer, wenn man alle Technologien zulässt. Das wäre ja auch nicht das Ende des Umweltschutzes, sondern eben eine Möglichkeit, alle Optionen zu nutzen, um den Termin halten zu können.
Was hat diese mögliche Kehrtwende im Verbrennerverbot ausgelöst?
Das wurde bereits vor drei Jahren heiß diskutiert, mit dem Ergebnis, das Verbot dennoch zu machen und dann zu evaluieren, ob es auch wirklich sinnvoll ist. Das ist natürlich eine komische Lösung, etwas zu verbieten mit der Option, das Verbot wieder aufzuheben. Da hilft niemandem. Dass man das genau jetzt überlegt, liegt sicher an der wirtschaftlichen Situation. Die Arbeitsplatzverluste sind ja real. Ende Oktober gab es einen Rat der Regierungschefs, der der EU-Kommission dann eine Überarbeitung aufgetragen hat. Ursprünglich war es für das erste Quartal 2026 geplant und wurde nun etwas vorgezogen. Was genau kommt, ist aber offen. Möglich sind viele Varianten – eine Verschiebung, eine sinnvollere Art der Berechnung von Emissionen, Ausnahmen für Hybride und E-Fuels. Die Kommission wird nun aber auch erst einen Vorschlag machen, und dann sind Parlament und Rat am Zug.
Wenn es dann erst wieder Ausnahmen für Hybride oder klimaneutrale Kraftstoffe geben soll, könnte man das Verbrennerverbot nicht einfach ganz abschaffen?
Natürlich, das Verbrennerverbot ist völlig unnötig, weil es den Emissionshandel gibt. Der Emissionshandel steuert die Menge von Zertifikaten, die man dann eben auch in der Mobilität zur Verfügung hat. Ein typischer Fall von Überregulierung.
Das Verbrennerverbot verbietet Verbrenner genau genommen nicht. Wie ist es konstruiert?
Ich hatte zu diesem Thema kürzlich den Top-Experten Christian Schneider von der Uni Wien zu Gast. In der Regelung steht ein Grenzwert für Autos drinnen und dieser Grenzwert liegt bei null Gramm CO2 – gemessen wird das beim Auspuff. Dabei ist irrelevant, ob es sich um eine nachhaltige oder fossile Energiequelle handelt. Ein Gramm CO2 am Auspuff kostet 95 Euro Strafe. Wenn ein Auto pro Kilometer 120 Gramm CO2 emittiert, wird das zu teuer. Mit diesem Aufschlag könnte ich kein Auto mehr verkaufen. Hinzu kommt, dass man die Strafen vermeidet, wenn man Zertifikate von E-Auto-Herstellern kauft. Diese Zertifikate können aber nur von Herstellern wie Tesla aus den USA oder BYD aus China angeboten werden. Damit würden wir die USA und China für jeden in Europa verkauften Verbrenner belohnen. Das ist kein Witz, das ist Realität, das genaue Gegenteil von dem, was die USA-Zölle mit europäischen Autoexporten machen.
Wie funktioniert das genau?
Wenn ich der Pönale an die EU-Kommission entgehen will, kann ich bei Konkurrenten, die mehr Elektroautos verkauft haben, als sie müssen, Gutschriften kaufen. Man zahlt dann weniger als bei der Strafzahlung an die Kommission, doch in diesem Fall gibt man das Geld seinen Konkurrenten, was ihnen hilft die europäischen Hersteller zu verdrängen. Das müsste man sofort abschaffen, dass wir am Ast sägen, auf dem wir sitzen.
Die EU hat heute bereits einige Entbürokratisierungs-Schritte im Bereich Klima und Umwelt gesetzt. Wie schätzen Sie das als Umweltrechtsexperte ein?
Es gibt noch immer sehr viel Regulierung, die massive Hürden aufbaut. Zum Beispiel erscheint nahezu unmöglich alles zu erfüllen, was notwendig ist, damit Wasserstoff als grün gilt. Das kommt mir vor wie bei einer Fußballmannschaft, die einen schweren Gegner hat, aber zwei der besten Spieler auf der Bank sitzen lässt. Was der Green Deal eigentlich bezwecken will, verhindert er auch selbst. Wenn ich zum Beispiel grünen Wasserstoff für die EU in Nordafrika produzieren will, brauche ich eine CO2-Quelle. Der EU-Bürokrat sagt aber, dass das CO2 aus einem europäischen Emissionshandelssystem sein muss. Das heißt, ich muss dann ein Schiff von Spanien nach Marokko fahren lassen, damit das CO2 ist, das aus der EU kommt. Solche Beispiele gibt es viele. Da bräuchte es noch einige Omnibusse.
Die EU hat sich ein neues Klima-Zwischenziel für 2040 gesteckt. Wie sinnvoll ist das Setzen immer neuer Ziele?
Mich stört an der Diskussion, dass es für vernünftigen Klimaschutz offenbar keinen Platz gibt. Die einen meinen, man müsse alles dem Klimaschutz unterordnen. Die anderen wollen den Klimaschutz komplett zurückfahren. Dabei gäbe es noch so viele Möglichkeiten, an denen wir noch gar nicht dran sind: E-Fuels, grünes Gas, CO2-Speicherung und vieles mehr. In der Debatte geht es immer nur um E-Autos.
Zum Zwischenziel: Die EU-Politik ist immer ziellastig. Was zu kurz kommt, ist der technologische Unterbau. Und man müsste es schaffen, dass Länder wie Brasilien wirtschaftliche Vorteile aus dem Klimaschutz ziehen können. Die Zieldebatte verdeckt, dass der Green Deal es in sechs Jahren nicht geschafft haben, Wasserstoffstrukturen aufzubauen und CO2-Lager zu errichten.