Elisabeth Zehetner ist Staatssekretärin für Energie, Startups und Tourismus © oecolution/Montage: Selektiv
Elisabeth Zehetner ist Staatssekretärin für Energie, Startups und Tourismus © oecolution/Montage: Selektiv
Interview

Zehetner: Österreich droht EU-Verfahren wegen Windräder-Streit

Das Wirtschaftsministerium will bis Sommer mit dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) und dem Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG) zwei wichtige Energiegesetze umsetzen. Besonders beim EABG hakt es aber aufgrund ungelöster „Interessenkonflikte“, wie Energie-Staatssekterärin Elisabeth Zehetner im Interview mit Selektiv erklärt. Dabei geht es vor allem um die Ausweisung von Zonen für die Errichtung von Erneuerbaren-Energie-Anlagen wie Windrädern. „Ich bin aber guter Dinge, dass wir gemeinsam mit den Bundesländern einen Weg finden werden“, so Zehetner. Die Zeit drängt, denn es geht um eine EU-Richtlinie, die bis Mai umgesetzt werden muss. „Über uns schwebt diesbezüglich ein Vertragsverletzungsverfahren, deshalb ist es besonders wichtig, dass wir dieses Gesetz bis zum Sommer auf den Weg bringen. Bis Mai wird es sich vermutlich nicht ausgehen, denn es war noch nie in Begutachtung“.

Im Interview spricht Zehetner außerdem über die Zukunft der Energie-Förderungen und warum der Boom privater Photovoltaik-Anlagen zum Kostentreiber bei den Netzgebühren wurde.

Privater Photovoltaik-Ausbau wird nicht mehr gefördert – ist der Boom in diesem Bereich zum Problem geworden?

Elisabeth Zehetner: Grundsätzlich stellen wir als neue Bundesregierung das gesamte Fördersystem auf den Prüfstand: Wo wird am effizientesten CO2 eingespart und welche Investitionsimpulse werden durch die jeweilige Förderung gesetzt – gerade in der momentanen konjunkturellen Lage ist das noch viel wichtiger. Wichtig ist auch, zu schauen, was das System unterstützt und was das System an die Grenzen bringt. Der PV-Boom, der auch durch übermäßige Förderungen ausgelöst wurde, bringt die Kapazitäten der Netze an die Grenzen und führt dazu, dass wir mit enormen Investitionen in die Netze konfrontiert sind. Die Netze sind derzeit auf die Spitzenlast ausgerichtet und deshalb müssen wir bei den Netzkapazitäten immer nachziehen. Das schlägt sich in den Energiekosten in Form höherer Netztarife nieder. Das müssen wir in Zukunft verhindern. Wir müssen dafür sorgen, dass der Erneuerbaren Ausbau Hand in Hand geht mit dem Ausbau der Netzinfrastruktur, aber vor allem auch der Speicherinfrastruktur.

Der Netzzugang für private Anlagen soll durch das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) eingeschränkt werden – wie wird das genau aussehen?

Das steht noch nicht genau fest, da wir den aktuellen Entwurf derzeit gestalten – auf Basis der letzten Begutachtung und mit den Visionen, die wir als Bundesregierung haben. Klar ist aber, dass das Prinzip der Verursachergerechtigkeit und der Systemdienlichkeit stärker integriert werden muss. Dabei spielt auch die Spitzenkappung für Wind und PV eine Rolle. Warum? Nur so kann ich dafür sorgen, dass der Netzausbau kosteneffizient bleibt, weil das Netz auf die durchschnittliche Last ausgelegt werden kann und nicht auf die Spitzenlast ausgelegt werden muss.

Das bedeutet, dass private Anlagen nicht mehr den gesamten Strom, den sie produzieren, einspeisen können?

Ab einem gewissen Punkt, wenn man merkt, es ist zu viel Strom im System, soll die Einspeisung dieser Anlagen beschränkt werden können.

Wenn Private den gesamten Strom, den sie produzieren, nutzen wollen, geht das künftig also nur noch mit Speichern?

Genau. Das wäre das Ziel, dass man künftig, vor allem im Privatbereich, keine Erneuerbaren-Anlage mehr ohne Speicher baut. Im normalen Tagesverlauf, wenn man berufstätig ist, braucht man den meisten Strom am Abend, dann scheint aber keine Sonne mehr.

Eine große Hoffnung ruht am Windkraftausbau, der derzeit aber sehr schleppend vorangeht. Wird das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz (EABG) hier tatsächlich beschleunigen?

Das Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungs-Gesetz soll dafür sorgen, dass wir unsere Erneuerbaren-Ziele erreichen und auch dort, wo wir Anlagen planen, wesentlich schneller werden. Das ist ein Gesetz, das nur im Schulterschluss gemeinsam mit den Bundesländern umgesetzt werden kann. Es geht um Verfahrenskonzentration – idealerweise nur noch ein Verfahren pro Anlage, möglichst schlank und unbürokratisch. Großprojekte sollen dann binnen zwei Jahren genehmigt sein. Bei Pumpspeicheranlagen sind wir derzeit teilweise bei weit mehr als 10 oder sogar 15 Jahren, bei Windkraftanlagen sind oft 8 Jahre. Bei Leitungen kann es noch länger dauern – ein wichtiger Lückenschluss in Salzburg ist erst vor zwei Wochen erfolgt – nach 20 Jahren, das können wir uns nicht mehr leisten. Wir müssend die Erneuerbaren-Anlagen schneller ins Netz bringen, denn nur so können wir langfristig den Strompreis senken.

Das EABG ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die unter anderem auch konkrete Flächenausweisungen für Erneuerbaren-Anlagen vorsieht. Die Umsetzung ist mit Mai fällig – wird sich das ausgehen?

Über uns schwebt diesbezüglich ein Vertragsverletzungsverfahren, deshalb ist es besonders wichtig, dass wir dieses Gesetz bis zum Sommer auf den Weg bringen. Bis Mai wird es sich vermutlich nicht ausgehen, denn es war noch nie in Begutachtung, weil einige Problemstellen und Interessenkonflikte noch nicht gelöst sind. Ich bin aber guter Dinge, dass wir gemeinsam mit den Bundesländern einen Weg finden werden, diese Richtlinie umzusetzen – vor allem, weil wir mehr Erneuerbare schnell ans Netz bringen wollen.

Was sind die strittigen Punkte?

Verfahrenskonzentration heißt ja, dass Verfahren verlagert werden und natürlich geht es um das Thema der Zonierung.

Also darum, wo die Windräder stehen sollen?

Genau. Irgendwo müssen sie stehen.

Das ElWG und das EABG werden die Strompreise eher langfristig senken. Gibt es auch einen kurzfristigen Plan, Netzgebühren und Steuern runterzubringen? Deutschland setzt bereits Schritte.

Wenn der Staat im Lotto gewinnt, ja. Derzeit gibt es nur geringen bis keinen budgetären Spielraum, um die Gebühren einfach zu senken. Umso wichtiger ist es, das ElWG und das EABG schnell auf den Weg zu bringen, damit wir die Rahmenbedingungen schaffen, dass die Kosten nicht weiter explodieren und kostendämpfende Effekte durch die Spitzenkappung eintreten.

Wann kann man mit sinkenden Gebühren durch diese Maßnahmen rechnen?

Idealerweise schaffen wir es vor dem Sommer, die Gesetzesvorlage vorzulegen. Bis dann tatsächlich die Umsetzung erfolgt, greifen die Maßnahmen realistischerweise frühestens ab 2026.

Für die energieintensive Industrie könnte der Stromkosten-Ausgleich (SAG) Linderung bei den hohen Kosten bringen. Dabei geht es nicht um eine Förderung per se, sondern eine Rückvergütung eines Teils der Kosten des CO2-Zertifikatehandels. In Österreich wurde dieser Ausgleich nur einmalig 2022 gewährt, während er in sehr vielen anderen Ländern bis 2030 verlängert wurde. Gibt es eine Chance auf eine Wiederbelebung dieser Maßnahme in Österreich?

Es ist klar, dass die Industrie durch die hohen Energiepreise und Lohnkosten extrem unter Druck ist – auch im Wettbewerb mit den umliegenden Ländern. Ich habe mich immer für eine Verlängerung des SAG eingesetzt, aber momentan, so ehrlich muss man sagen, gibt es dafür keinen budgetären Spielraum. Sobald dieser Spielraum wieder da ist, muss man genau darauf schauen, wie man die Industrie als wichtigsten Player in der Ankurbelung der Konjunktur stärken kann.

2022 hat das SAG ein Volumen von rund 200 Millionen Euro ausgemacht. Ab wann rechnen Sie damit, dass es dafür wieder Spielräume gibt? Ab 2027 soll ja erst einmal eine Lohnnebenkostensenkung kommen.

Wichtig ist einmal, dass es dazu ein Bekenntnis im Regierungsprogramm gibt. Die Lohnnebenkosten sind genauso wichtig wie die Energiepreise – man kann das eine nicht gegen das andere ausspielen. Ein starker Standort braucht es, dass wir an beiden Hebeln kurbeln.

Das Erneuerbare-Gase-Gesetz (EGG) ist auch noch nicht umgesetzt. Wie kann es gelingen, dass Biogas-Quoten Energie nicht noch teurer machen?

Das ist die große Frage, weil erneuerbares Gas noch nicht wettbewerbsfähig sein kann mit fossilem Gas. Deshalb ist es wichtig, dass man sich überlegt, wie man diese Marktprämie so gestalten kann, dass das Potenzial trotzdem realisiert wird. Es geht darum, die erneuerbaren Gasressourcen intelligent einzusetzen, sodass sie die Resilienz stärken, aber nicht den Preis treiben.

Durch die Merit-Order wird in Europa der Strompreis durch den Gaspreis, also den teuersten Stromlieferanten, bestimmt. Das wurde zu Beginn der Energiekrise lebhaft diskutiert – jetzt ist es ruhig geworden. Ist es aussichtslos, das anzugreifen?

Aussichtslos ist nur, wenn Österreich glaubt, an diesem gesamten Strommarkt etwas alleine ändern zu können. Europa ist einer unserer wichtigsten Partner bei der Bewältigung von Krisen. Europa nutzt noch viel zu wenig die Möglichkeit der gemeinsamen Einkaufsmacht. Mittlerweile ist die USA mit 60 Prozent der dominierende Flüssiggas-Importeur nach Europa – da müssen wir uns gemeinsam auf die Füße stellen für ordentliche Preise. Die Europäische Kommission hat im Affordable Energy Action Plan auch ganz konkret die Überprüfung dieses Strompreismechanismus festgeschrieben – man wird sich das also wieder anschauen.

Warum funktioniert der gemeinsame Gaseinkauf nicht so gut? Wie kann man sich den Prozess des gemeinsamen Gaseinkaufs vorstellen?

Der gemeinsame Gaseinkauf funktioniert nach dem Prinzip: Unternehmen melden auf einer zentralen Plattform ihren Bedarf an – also wie viel Gas sie brauchen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Form. Anschließend sucht die EU-Kommission gemeinsam mit einem Dienstleister nach passenden Anbietern, um diesen Bedarf zu decken. Das hat bislang vor allem bei kurzfristigen Produkten ganz gut geklappt – also bei Mengen, die rasch gebraucht wurden. Bei mittelfristigen und langfristigen Verträgen hingegen hakt es noch ein bisschen. Da gibt es Luft nach oben, vor allem was Verbindlichkeit und Planbarkeit betrifft. Die Kommission hat deshalb eine neue Gas Market Taskforce eingesetzt, die genau hier ansetzt und Vorschläge erarbeiten soll, wie der Prozess besser, effizienter und attraktiver gestaltet werden kann.

Bis zum Sommer werden alle Förderungen für die Bereiche Klima und Energie auf den Prüfstand gestellt. Dabei geht es auch um die vielen Förderstellen – Kommunalkredit Public Consulting, ÖMAG, AWS, Energieagentur. Sollen die Förderungen künftig nur noch von einer Stelle vergeben werden?

Die Herausforderung besteht darin, wo wir Synergiepotenziale nutzen können. Es macht ja keinen Sinn, wenn ähnliche Förderungen von unterschiedlichen Stellen vergeben werden. Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Review von einem externen Institut mit keinerlei Beziehung zu einer dieser Stellen machen lassen.

Am Ende wir dennoch jemand die Entscheidung treffen müssen, welche dieser Stellen mehr und welche weniger Förderungen vergeben.

Das wird so sein. Der Review soll ja nicht für die Schublade sein, sondern Basis für fundierte Entscheidungen. Das heißt aber nicht, dass dann gleich eine ganze Förderstelle wegfällt.

Wissen Sie schon ungefähr, welche Summe nach den Sparmaßnahmen zum Verteilen übrigbleiben wird? Zuletzt standen Kürzungen um 750 Millionen Euro im Raum.

Seit der Abgabe des letzten Budgetplans in Brüssel haben sich die Rahmenbedingungen wieder verändert – nicht gerade zugunsten des Budgets. Jetzt laufen gerade die Verhandlungen mit dem Finanzminister, wo es darum geht, welchen Anteil unser Ressort zur Verfügung hat. Erst wenn das abgeschlossen ist, wissen wir genau, was übrig ist.

Energie und die Themen Klima und Umwelt sind eng verbunden. Energie liegt jetzt im Wirtschaftsministerium, Umwelt/Klima im Landwirtschaftsministerium. Wie funktioniert die Aufteilung zwischen den beiden Ministerien genau?

Grundsätzlich ist es gut, dass die Energie im Wirtschaftsministerium ist. Energiepolitik ist Standortpolitik und kann nicht auf Klimapolitik reduziert werden, wie das in der Vergangenheit passiert ist. Gleichzeitig ist Energiepolitik natürlich ein wichtiger Hebel für die Erreichung der Klimaziele. Das gilt aber auch für die Mobilität, die bei Peter Hanke liegt. Klimapolitik ist eine Querschnittsmaterie und deshalb ist der enge Austausch mit anderen Ressorts auf der Tagesordnung.

Zur Person

Elisabeth Zehetner ist seit März 2025 Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus im Kabinett Christian Stocker. Davor war sie Geschäftsführerin von oecolution austria. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.

Zehetner war bis Februar 2025 Gastkommentatorin bei Selektiv – ihre gesammelten Kommentare finden Sie hier.