Christoph Badelt ist Präsident des Fiskalrats © Fiskalrat/ Montage: Selektiv
Christoph Badelt ist Präsident des Fiskalrats © Fiskalrat/ Montage: Selektiv
Interview

Badelt: „Der Staat ist mittelfristig der Verlierer der Inflation“

Das Budgetdefizit wird in den kommenden Jahren nur langsam sinken. Der leichte Rückgang des Defizits kommendes Jahr ist hauptsächlich dem aufgeschnürten Beamtenabschluss geschuldet. Ab 2027 reichen laut Fiskalrats-Chef Christoph Badelt die bisher beschlossenen Maßnahmen nicht mehr, um die Defizitziele zu erreichen. Das Ziel von 3 Prozent des BIPs hält er für „volkswirtschaftlich unambitioniert“. Für eine Stabilisierung der nach wie vor steigenden Staatsschuldenquote sei ein Defizit von unter 2,7 Prozent notwendig. „Wir werden auf Sicht mindestens auch in der übernächsten Legislaturperiode konsolidieren müssen“, so Badelt, der die für Herbst angekündigten Strukturreformen einmahnt.

Das Defizit soll von heuer 4,4 Prozent auf 4,2 Prozent kommendes Jahr sinken – das klingt nicht nach einem großen Sprung.

Christoph Badelt: Es gibt starke Kräfte, die die Ausgaben hinauftreiben, insbesondere im Bereich der Sozialausgaben, wo die Indexierung über den Verbraucherpreisindex der letzten 15 Monate einen starken Trend der Ausgaben nach oben nach sich zieht. Es ist sehr schwer, diesen Prozess der Konsolidierung in Gang zu bringen. Erschwert wird das ganze auch massiv durch die Inflation. Der Staat wird oft als Gewinner der Inflation dargestellt. Mit dem Sozialsystem, das wir haben, ist er aber in Wahrheit mittelfristig der Verlierer und Budgetpolitik wird extrem schwierig. Umso wichtiger wäre es, dass nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Länder und Gemeinden alles tun, um die Inflation nicht weiter steigen zu lassen. Das ist natürlich die Quadratur des Kreises. Schauen Sie sich zum Beispiel die Halbsanierung des Budgets der Stadt Wien an – die Tariferhöhungen gehen wieder in die Inflationsrate hinein.

Die Ausgaben steigen nicht nur, sie steigen auch stärker als noch im Frühjahr gedacht. Sollte nicht genau das nicht passieren, wenn man sich einen Sparkurs verordnet?

Eines der Grundprobleme ist, dass die letzte Regierung eine Dynamisierung von Sozialausgaben beschlossen hat, die das Bild noch vervollständigt hat. Die Pensionen waren schon davor große Blöcke, aber jetzt kommen noch andere dazu.

Einen deutlichen Beitrag zur Senkung des Defizits 2026 trägt der aufgeschnürte Beamtenabschluss bei. Der war aber alles andere als fix. Würde ohne diese Maßnahme das Defizit nächstes Jahr steigen?

Ja, der Beamtenabschluss macht es deutlich leichter, das 2026er-Ziel zu erreichen, denn im Budgetvoranschlag für 2025 und 2026 stehen noch ein paar Maßnahmen, die man erst erreichen muss, mit denen man aber schon fix geplant hat. Zum Beispiel bei den Förderungen, aber auch bei den Ressortausgaben. Insofern ist der Beamtenabschluss eine Erleichterung, denn der war vorher nicht eingepreist. Ab 2027 werden die gegenwärtig beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen, um das Defizit weiter hinunter zu bringen. 

Ab 2027 werden die gegenwärtig beschlossenen Maßnahmen nicht ausreichen, um das Defizit weiter hinunter zu bringen.

Christoph Badelt

Wird es uns gelingen, den Pfad des Defizitverfahrens einzuhalten und wie geht es danach weiter?

2025 und 2026 wird uns das gelingen. Die Frage, wie es nach dem Defizitverfahren weitergeht, ist sehr berechtigt. Dann geht nämlich das Sparen weiter. Wenn wir das Defizit von 3 Prozent erreicht haben, müssen wir in die Phase kommen, in der wir die Staatsschuldenquote jährlich um einen halben Prozentpunkt senken. Davon ist im Augenblick noch nichts zu sehen, im Gegenteil, die Staatsschuldenquote steigt weiter. 

Es wird also auch noch die nächste Regierung einen Sparkurs fahren müssen?

Ja, ganz eindeutig. Wir werden auf Sicht mindestens auch in der übernächsten Legislaturperiode konsolidieren müssen. Gleichzeitig ist das Ziel von 3 Prozent volkswirtschaftlich gesehen extrem unambitioniert. Wir sind mit dem Defizit derzeit noch weit davon entfernt, die Staatsschuldenquote auch nur zu stabilisieren. Dafür bräuchte es ein Defizit von 2,7 Prozent und wenn man die Staatsschuldenquote senken will, entsprechend weniger. 

Wir sind mit dem Defizit derzeit noch weit davon entfernt, die Staatsschuldenquote auch nur zu stabilisieren.

Christoph Badelt

Rechnen Sie damit, dass die Regierung einnahmenseitig weitere Maßnahmen setzen muss? Ausgabenseitig scheint man sich ja nicht zu trauen, die heißen Eisen anzugreifen.

Ich hoffe natürlich sehr, dass man ausgabenseitig mit Strukturreformen vom Fleck kommt. Einnahmenseitig wäre ökonomisch nicht gut, weil wir jetzt schon an der Spitze der Abgabenbelastung in Europa stehen. Wir müssen die Ausgaben in den Griff bekommen und da sind wir bei den großen Dingen wie Gesundheit, Förderungen, Pensionen und Föderalismus. Wir haben schon im Frühjahr gesagt, dass das Budget jetzt erst einmal eine tolle Leistung ist, im Herbst aber die Strukturen angegangen werden müssen. Wir sind schon im Herbst und ich habe noch nichts Konkretes gesehen.

Vergangene Woche haben sich Finanzminister und Industriellenvereinigung gestritten, ob man die Wirtschaftslage weniger schlechtreden oder weniger schönfärben sollte. Was meinen Sie, sollte man optimistisch oder pessimistisch sein?

Das Glas ist halb voll und halb leer zugleich. Nach einer relativ langen Rezession ist natürlich ein Zeichen des Aufschwungs etwas Erfreuliches, selbst wenn es schwach ist. Man muss aber auch so ehrlich sein, zu sagen, dass wir nicht in eine Phase raschen Wirtschaftswachstums kommen.