Barbara Schmidt ist Generalsekretärin von Oesterreichs Energie © Oesterreichs Energie / Montage: Selektiv
Barbara Schmidt ist Generalsekretärin von Oesterreichs Energie © Oesterreichs Energie / Montage: Selektiv
Interview

Eskalation im Nahen Osten: „Gefahr einer neuen Energiekrise besteht“

Die Generalsekretärin der Interessenvertretung der österreichischen E-Wirtschaft, Barbara Schmidt, sieht derzeit noch keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Österreich, mahnt aber, dass bereits Russland die gezielte Verknappung von Gas als geopolitisches Druckmittel eingesetzt hat. Angesichts hoher Strompreise weist sie darauf hin, dass das heimische Stromsystem auch in Hinblick auf die Versorgungssicherheit in einer anderen Liga spiele.

Die USA greifen iranische Atomanlagen an, der Iran droht mit einer Blockade der Straße von Hormus. An den Energiebörsen führt diese geopolitische Unsicherheit bereits zu steigenden Preisen. Steht uns eine neue Energiekrise bevor?

Barbara Schmidt: Das lässt sich derzeit nicht mit Sicherheit sagen, aber die Gefahr besteht. Die vergangenen Jahre haben sehr deutlich gezeigt, welche Wirkung politische und militärische Konflikte im Energiebereich haben. Russland hat damals die gezielte Verknappung von Gas als geopolitisches Druckmittel eingesetzt, etwas ähnliches könnte auch jetzt geschehen. Ein bedeutender Teil der globalen Flüssiggastransporte läuft durch die Straße von Hormus. Klar ist aber, dass wir derzeit noch keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Österreich sehen. Die Situation zeigt aber einmal mehr sehr deutlich, dass wir gut beraten wären unsere eigene Energieerzeugung so schnell wie möglich auszubauen. Wir könnten einen großen Teil der Energie, die wir benötigen aus heimischen Quellen decken.

Können wir uns das leisten? Laut der Studie eines deutschen Vergleichsportals liegt Österreich beim Strompreis unter den zehn teuersten Ländern weltweit.

Wie seriös ein weltweiter Vergleich von Haushaltsstrompreisen ist, kann ich nicht beurteilen. Es ist mir aber wichtig, dass wir dieses Thema differenziert betrachten und nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Österreich ist sicher kein Billigstromland – weder im Haushaltsbereich noch bei Unternehmen. Doch mit unserem Stromsystem spielen wir im Hinblick auf die Versorgungssicherheit auch in einer vollkommen anderen Liga als viele andere Länder. So musste ein Österreicher bzw. eine Österreicherin im Jahr 2023 rund 32 Minuten ohne Strom auskommen. In den USA lag dieser Wert in den vergangenen Jahren deutlich jenseits von 300 Minuten – das ist rund das Zehnfache. Der Preis für dieses Standortrisiko findet sich auf keiner Stromrechnung.

Wo liegt Österreich, wenn wir diesen Faktor miteinbeziehen?

Das lässt sich nicht ohne weiteres sagen. Auch in den USA gibt es keine homogenen Strompreise – so zahlt die Industrie in Kalifornien im Durchschnitt etwa höhere Strompreise als in Österreich. Im europäischen Vergleich lagen wir bei den offiziellen Zahlen zuletzt zwar meist leicht über dem Durchschnitt – aber deutlich unter wichtigen Nachbarländern wie Deutschland. Doch auch wir sind der Meinung, dass Strom bei uns derzeit zu teuer ist. Wir unterstützen daher die gezielte Entlastung der Industrie im Zuge des Strompreiskosten-Ausgleichsgesetzes (SAG) als kurzfristige Maßnahme.

Und was braucht es langfristig?

Langfristig und nachhaltig können wir die Strompreise nur mit einem möglichst raschen Ausbau der Stromerzeugung im Land nach unten bringen. Mehr Erneuerbare sind auch eine Versicherung gegen geopolitische Turbulenzen. Mit der Wasserkraft verfügt die erneuerbare Stromversorgung in Österreich über ein breites und stabiles Fundament. Jetzt gilt es mit dem Ausbau von Wasser, Wind und Photovoltaik die eigene Produktion weiter zu steigern und im Gleichklang dazu Netze und Speicher auszubauen. Diese Investitionen sind nicht nur Investitionen in unsere Energieversorgung – sie sind auch Investitionen in unseren Wirtschaftsstandort und in unsere Zukunft. Denn jede Kilowattstunde Strom aus erneuerbaren Quellen macht Österreich unabhängiger von internationalen Energieimporten und stärkt die Versorgungssicherheit.

Zur Person

Barbara Schmidt ist seit 2007 Generalsekretärin von Oesterreichs Energie und Geschäftsführerin der Oesterreichs Energie Akademie GmbH. Darüber hinaus ist sie Vorstandsmitglied von Erneuerbare Energie Österreichs (EEÖ), des österreichischen Verbandes für Elektrotechnik (OVE) und des World Energy Council (WEC Austria).