Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer hält die Ziele der österreichischen Wasserstoffstrategie für „sehr ambitioniert“, will aber mit neuen Fördermillionen und Verordnungen Tempo machen. Für die Übergangszeit will er sich auf EU-Ebene für die von der Industrie geforderte Verlängerung der CO2-Freizertifikate einsetzen. „Solange CO₂-arme Technologien noch nicht flächendeckend wirtschaftlich einsetzbar sind, braucht es eine faire Übergangsphase. Ohne eine Verlängerung der Gratiszertifikate riskieren wir, dass Wertschöpfung und Emissionen einfach nur verlagert werden“, so Hattmannsdorfer.
Wenn Österreich bis 2040 klimaneutral sein will, wird es dafür grünen Wasserstoff für die Transformation der energieintensiven Industrie brauchen. Kann sich das überhaupt ausgehen?
Wolfgang Hattmannsdorfer: Klimaneutralität ist nur erreichbar, wenn wir Wasserstoff als zentralen Baustein dieser Transformation verstehen. Das erfordert Investitionen, Infrastruktur und internationale Partnerschaften. Genau deshalb setzen wir auf eine klare Doppelstrategie: Wir bauen im Inland Produktionskapazitäten auf und positionieren Österreich als europäische Wasserstoffdrehschreibe. Dadurch sichern wir uns über Importkorridore wie den Südkorridor langfristig Zugang zu grünem Wasserstoff aus dem Ausland. So schaffen wir Versorgungssicherheit, Wettbewerbsfähigkeit und übernehmen ökologische Verantwortung.
Die Industrie drängt auch aus diesem Grund auf eine Verlängerung der CO2-Freizertifikate im ETS/CBAM. Glauben Sie, dass das etwas ist, was durchsetzbar ist?
Ich halte das nicht nur für durchsetzbar, sondern für notwendig und darum setzen wir uns entschieden dafür auf europäischer Ebene ein. Wenn Europa die Kosten trägt und andere die Märkte bedienen, verlieren wir doppelt – an Wohlstand und an Wettbewerbsfähigkeit. Der CO₂-Grenzausgleich (CBAM) ist ein wichtiges Instrument, aber er muss erst reibungslos funktionieren, bevor wir der Industrie zusätzliche Belastungen aufbürden.
Wenn Europa die Kosten trägt und andere die Märkte bedienen, verlieren wir doppelt.
Wolfgang Hattmannsdorfer
Solange CO₂-arme Technologien noch nicht flächendeckend wirtschaftlich einsetzbar sind, braucht es eine faire Übergangsphase. Ohne eine Verlängerung der Gratiszertifikate riskieren wir, dass Wertschöpfung und Emissionen einfach nur verlagert werden. Das wäre weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll. Wir brauchen Klimaschutz mit Hausverstand – global wirksam und standortverträglich.
Welche Rolle wird Wasserstoff im heimischen Energiesystem spielen und wann?
Wasserstoff wird ein wesentlicher Faktor bei der Diversifizierung unserer Energiequellen und spielt damit eine wesentliche Rolle bei der industriellen Transformation. Er ersetzt fossile Energieträger dort, wo Elektrifizierung an Grenzen stößt – etwa in der Zementindustrie. Österreich soll künftig eine Schlüsselrolle als Erzeuger, Nutzer und Transitland im europäischen Wasserstoffnetz einnehmen.
Dank Merit-Order bestimmt der teuerste Energieträger den Strompreis. Wasserstoff wird zumindest zu Beginn teuer sein. Kann sich das auf den Strompreis auswirken?
Nein, Wasserstoff wird kein Preistreiber für Haushalte. Er ist kein Massenenergieträger, sondern ein gezielter Einsatzstoff für energieintensive Prozesse. Ich erwarte mir das Gegenteil: durch mehr heimische Erzeugung und weniger Abhängigkeit von Importen stabilisieren wir langfristig Preise und Versorgungssicherheit.
Österreich hat bereits seit 2022 eine Wasserstoffstrategie mit dem Ziel, bis 2030 eine Elektrolysekapazität von einem Gigawatt aufzubauen – was ist bisher geschehen?
Die Wasserstoffstrategie wurde 2022 beschlossen – ich bin ein Fan von klaren Worten: dieses Ziel ist aus heutiger Sicht sehr ambitioniert. Wir arbeiten aber entschlossen an der raschen Umsetzung. Mit 275 Millionen Euro fördern wir nationale Leuchtturmprojekte, die den industriellen Hochlauf sichtbar machen und heimische Wertschöpfung sichern. Gleichzeitig bringen wir neue Verordnungen auf den Weg: Die Investitionszuschuss-Verordnung für Elektrolyseanlagen und die Wasserstoff-Zertifizierungsverordnung sind fertig ausgearbeitet und in finaler politischer Abstimmung. Damit schaffen wir erstmals klare, EU-konforme Rahmenbedingungen für Produktion und Handel.
Die Wasserstoffstrategie wurde 2022 beschlossen – ich bin ein Fan von klaren Worten: Dieses Ziel ist aus heutiger Sicht sehr ambitioniert.
Wolfgang Hattmannsdorfer
Parallel dazu haben wir die Erarbeitung der Wasserstoff-Importstrategie gestartet, um Österreich im europäischen Wasserstoffnetz – insbesondere entlang des Südkorridors – dauerhaft zu verankern. Kurz gesagt: Wir gehen jetzt vom Papier in die Umsetzung – mit klaren Regeln, Investitionen und europäischer Vernetzung.
Welchen Bedarf gibt es in Österreich, genügt ein GW?
Entscheidend ist, dass wir realistisch jetzt Schritt für Schritt die Grundlagen dafür schaffen, das Wasserstoffnetz aufzubauen: mit einer funktionierenden Infrastruktur, klaren gesetzlichen Rahmenbedingungen und starken Investitionsanreizen. Umso wichtiger ist es, dass wir heute die Voraussetzungen legen, damit Österreich im europäischen Wasserstoffnetz eine aktive Rolle einnimmt.
Wie geht der Netzausbau voran und zu welchem Ausmaß kann das Gasleitungsnetz für Wasserstoff verwendet werden?
Wir können auf einer starken Basis aufbauen – viele Teile des Gasnetzes sind bereits wasserstofftauglich und werden jetzt gezielt umgerüstet. Wir treiben den Umbau Schritt für Schritt voran – mit klarer Priorität auf industrielle Cluster und die Anbindung an den europäischen Südkorridor. Ziel ist ein flächendeckender Backbone, das Produktion, Speicher, Industrie und Arbeitsplätze verbindet.
Welche Rolle kann Österreich im Wasserstoffnetz Europas spielen?
Auf Grund unserer geografischen Lage im Herzen Europas eine zentrale. Österreich soll zur Brücke im europäischen Wasserstoffsystem werden: Mit dem Südkorridor wollen wir die Verbindung von Nordafrika über Italien bis nach Mitteleuropa schaffen. Auf der anderen Seite liegt gerade in Richtung Ukraine großes Potenzial. Das macht uns zur zentralen Drehscheibe für klimaneutrale Energieimporte, stärkt unsere geopolitische Unabhängigkeit und ist eine echte Chance für unseren Standort.
Österreich soll zur Brücke im europäischen Wasserstoffsystem werden.
Wolfgang Hattmannsdorfer
Sie haben eine große Investment-Initiative im Bereich Wasserstoff angekündigt. Was wird hier genau gefördert?
Gefördert werden konkrete Industrieprojekte, die Wasserstoff aus der Theorie in die Praxis bringen – von der Produktion über den Transport bis zur Nutzung. Das reicht von großtechnischen Elektrolyseanlagen über regionale H₂-Hubs bis hin zu innovativen Anwendungen in der Industrie. Ziel ist, Wertschöpfung im Land zu halten, Arbeitsplätze zu sichern und Investitionen in klimafitte Technologien auszulösen.
Für die ersten vier Projekte stehen 275 Millionen Euro bereit – wie hoch ist das Volumen insgesamt?
Mit den 275 Millionen Euro geben wir gezielt einen ersten Anschub für jene Projekte, die den größten Hebel haben. Darüber hinaus planen wir beispielsweise eine kleinere Förderschiene in der Höhe von 20 Millionen Euro für Elektrolyseanlagen, das befindet sich derzeit in Vorbereitung und damit wird sicherlich nicht Schluss sein. Das Hochfahren von Wasserstoff hat entscheidende Bedeutung und bekommt daher unsere volle Aufmerksamkeit. Entscheidend ist, dass jeder Fördereuro künftig noch mehr bewirkt – durch Innovation, Industriepartnerschaften und europäische Zusammenarbeit.