Bei der Sozialhilfe führen wir die falsche Debatte

25. Juni 2025Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Georg Renner

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.

Worüber reden wir bei der Sozialhilfe? Ihre Höhe – oder wie wir verhindern, dass die Kinder von heute sie später brauchen.

Wenn es Ihnen ein bisschen wie mir geht, haben auch Sie in den vergangenen Tagen die Diskussion über die Wiener Sozialhilfe verfolgt. Von boulevardesken Enthüllungen über hohe Summen, die zugewanderte Großfamilien da monatlich beziehen über den Vergleich zwischen dem großzügigen Wiener und dem deutlich sparsameren deutschen System in der „Presse“ bis zur „Standard“-Reportage aus der Wohnung eines Sozialhilfebeziehers reicht aktuell das Programm, und ich vermute, das wird die kommenden Wochen so weitergehen – die Sozialhilfefrage schickt sich an, das anstehende Sommerloch zu füllen.

Ich will jetzt nicht despektierlich klingen: Ja, natürlich ist das eine interessante Debatte, es geht da schon auch um gefühlte Gerechtigkeit zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern, um Pullfaktoren bei der Asylmigration, möglichen Inaktivitätsfallen und, eine Ebene tiefer, noch um Identitätsfragen zwischen Stadt und Land. Alles wichtige Themen, natürlich gehört das alles politisch geklärt.

Aber in Summe fürchte ich, dass die Parteien da viel zu viel politisches Kapital und, noch wichtiger, die wichtigste Währung in unserer Diskurskultur, nämlich Aufmerksamkeit an eine Frage verschwenden, die für die Zukunft unserer Republik eine sehr untergeordnete Bedeutung hat. Denn selbst wenn nach langem Ringen am Ende eine Reform der Sozialhilfe stehen sollte, was wird dabei herauskommen, wenn man vor allem über die eingangs genannten Extremfälle diskutiert? Eine Ersparnis von fünf Prozent im Jahr? Vielleicht sogar zehn?

In Summe hat Österreich zuletzt etwas mehr als eine Milliarde Euro für die Sozialhilfe ausgegeben – das ist nicht nichts, und natürlich zahlt es sich aus, auch nach Sparpotenzial von ein paar Dutzend Millionen Euro zu suchen.

Aber entscheidend für den Standort, für unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und unsere Freiheit, werden letztlich andere Fragen sein. Eine besonnene Politik würde weniger darüber diskutieren, wie viel eine neunköpfige Migrantenfamilie monatlich vom Staat bekommen soll – und mehr darüber, wie man vermeidet, dass die sieben Kinder eines Tages selbst von der Sozialhilfe abhängig sind.

Und gerade an dieser Front hat Österreich zuletzt ein trauriges Bild abgegeben: In den Ballungszentren konzentrieren sich zunehmend Kinder, die kaum ein Wort Deutsch können – die Zahl der Außerordentlichen Schüler, die zu wenig Deutsch sprechen, um dem Unterricht folgen zu können, ist von rund 30.000 im Schuljahr 2021/22 auf fast 50.000 im Schuljahr 2023/24 explodiert. Und das nicht nur durch den berüchtigten (und mittlerweile unterbrochenen) Familiennachzug, sondern auch, weil die Kindergärten längst kein Garant mehr sind, dort zumindest ausreichend Deutsch für den Schulbesuch zu lernen.

Das ist nichts anderes als eine hausgemachte Katastrophe. Und auch, wenn das gerade beschlossene Budget eine Erhöhung für die Deutschförderung vorsieht: Ich würde mir, gerade jetzt zum Schulschluss, etwas mehr Dringlichkeit von einer Regierung erwarten – Diskussionen und, idealerweise, Lösungen, wie man verhindert, hier eine Generation von Sozialhilfebeziehern hervorzubringen, statt wochenlang über ein paar hundert Euro pro Familie zu streiten.

Vielleicht ist in den Ferien ja Zeit dafür.

Meistgelesene Artikel