Chinas Prioritäten im Jahr 2025

Bernhard Seyringer ist Politikanalyst. Seine thematischen Schwerpunkte fokussieren „Strategic Foresight“ und „Neue Technologien und Internationale Politik“. Seyringer ist zudem Experte für digitale Geopolitik.
In Peking gehen heute die „Two Sessions“ zu Ende. In den außenpolitischen Zirkeln ist man mehr als verunsichert über den Kurs der US-Außenpolitik, aber auch darüber, wie Moskau reagieren wird. Man ist sich darüber im Klaren, dass man nicht der bevorzugte Partner ist, man sich Moskau gegenüber bestenfalls parasitär verhalten hat und dass es eben keine, wie auch immer bezeichnete Allianz gibt. Zuversichtlich zeigt man sich über das europäische Appeasement. Schließlich geht man davon aus, dass die EU nach der Autoindustrie und den „grünen Technologien“ noch mehr Branchen „mission driven“ ruinieren wird.
Was sind die „Two Sessions“?
Die „Two Sessions“ (lianghui) sind ein jährlich stattfindendes, einwöchiges Konklave. Parallel tagen der Nationale Volkskongress (NPC), Chinas „Parlament“ mit 2.977 Delegierten und die Politische Konsultativkonferenz (CPPCC) – eine gewichtige Institution im Organisationsgeflecht rund um die United Front, mit immerhin 2.169 Mitgliedern. Beide Institutionen werden von politischen Schwergewichten angeführt: Der NPC von Zhao Leji, zuvor Leiter der Disziplinarkommission des Zentralkomitees der KP und Xi’s langer Arm in den „Anti-Korruptions“-Anklagen der letzten Jahre. Die CPPCC von Wang Huning: Der Chefideologe der Partei, Mitglied im Ständigen Ausschuss des Zentralkomitees, zuvor Leiter der Politikforschung des ZK von 2002 bis 2020 und wichtiger Berater aller Generalsekretäre der KP seit Jiang Zemin.
Außenpolitik
Es sind bereits die 13. „Two Sessions“ unter Xi Jinping und natürlich stehen beide Konferenzen stark unter dem Einfluss der Weichenstellungen der US-Außenpolitik. Im Rahmen der Pressekonferenz von Außenminister Wang Yi, wurde daher die „No limits“- Partnerschaft mit Russland erneut beschworen. Diese „Partnerschaften“ haben aber keinerlei Bedeutung. Darüber hinaus wäre die „allweather friendship“- Partnerschaft mit Pakistan ohnedies höherrangig. Auch wurde zur Freude der Europäer wieder viel von „Multilateralismus“ gesprochen. Wahrscheinlich, weil weniger bekannt ist, dass man in Peking was anderes darunter versteht: Noch unter Hu Jintao wurde in offiziellen Stellungnahmen von „Multipolarismus“ auf „Multilateralismus“ umgestellt, um international anschlussfähig zu sein.
Auch weil ersteres Konzept, auf dem seit den 1980er Jahren existierenden Axiom „Der Westen steigt ab, der Osten steigt auf“ und einem aktiven Counterbalancing gegen westliche Interessen beruht. Das hätte wohl nicht zu Hus „Harmonischer Welt“ gepasst. Für genaue Beobachter chinesischer Außenpolitik sind außerdem kleine Formulierungsunterschiede im Arbeitsbericht zur Taiwan-Frage interessant: Die Wiedervereinigung will man „entschlossen vorantreiben“ und vor allem wurde „friedlich“ weggelassen. Dazu passt auch die Anhebung des Verteidigungsetats um 7,2 Prozent. Und das ist nur der offizielle Teil: Man kann davon ausgehen, dass es tatsächlich noch ungefähr 40 Prozent mehr sind.
Ankurbelung des Binnenkonsums
Die Debatten zu etlichen makroökomischen Indikatoren sollten nicht überschätzt werden. Wenn also in Ministerpräsident Li Qiangs Arbeitsbericht, die Ankurbelung des Binnenkonsums höchste Priorität genießt, sollte das eher als kommunistische Folklore zur Absicherung der Zustimmung der Abgeordneten verstanden werden. Bereits das nur alle fünf Jahre stattfindende Dritte Plenum im Juli 2024 hat nach staatlichen Investitionsprogrammen zur Ankurbelung der Wirtschaft und einer Verbesserung der sozialen Sicherungssysteme gerufen. Bei der wichtigsten wirtschaftspolitischen Konferenz der Partei (CEWC) Ende 2024 wurde explizit die Erhöhung von Pensionen und wohlfahrtsstaatlichen Transferleistungen gefordert. Xi ist aber ein Gegner vom Aufbau von wohlfahrtsstaatlichen Systemen nach europäischem Vorbild.
Chinas Innovationssystem 2025
Bei den „Two Sessions“ 2024 war das Schlagwort „Neue Produktivkräfte“ (NQPF) ganz oben auf der Bedeutungsskala. Dieser Griff in die marxistische Sprachschatulle sollte einerseits die ideologische Fundierung signalisieren, andererseits den revolutionären Impact neuer Technologien skizzieren. Heuer wird Peking, dem Gedanken der NQPF folgend, auf fünf verschiedene Industriebereiche fokussieren: „Low-Altitude“-Flugobjekte, also fliegende Autos, Biomanufacturing, Quantentechnologie, „Embodied AI“ also Human Robotics, wofür der Strategieplan bereits im Herbst 2023 erlassen wurde und die 6G-Technologie. Diese fünf Sektoren dürfen als Neujustierung der zehn Sektoren der 2015 veröffentlichten „Made in China 2025“-Strategie verstanden werden.
Die aktuelle Grundlinie folgt natürlich vollständig dem KI-Boom: Nachdem die Führung durch den DeepSeek-Rausch erkannte, welch wichtige Funktion Large-Language-Modelle im Bereich internationaler Propaganda und zur Attraktivierung des Hightech-Standortes China haben, wurde deren Implementierung für 2025 auch höchste Priorität beigemessen.