Datencenter dürfen nicht die neuen Windräder werden

Philipp Koch ist Ökonom und Leiter des Forschungsbereichs Data Science beim Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria. Koch promovierte 2024 an der Universität Toulouse und dem Center for Collective Learning und forscht mithilfe moderner empirischer Methoden zu den Themen ökonomische Komplexität, Strukturwandel, Wirtschaftsgeschichte und Außenhandel.
Beinahe jede Interaktion mit der digitalen Welt lässt ein Lämpchen in einem Datencenter aufblinken. Sei es ein Klick auf YouTube, eine Anfrage an ChatGPT, eine Datenspeicherung in der Cloud, eine datenintensive Industrie-4.0-Anwendung oder einfach nur eine WhatsApp-Nachricht. Rechenkapazität wird nicht nur von High-Tech-Unternehmen benötigt – wir alle brauchen sie. Und der Bedarf wird weiter steigen, Stichwort Künstliche Intelligenz. Datencenter sind damit gemeinsam mit Breitband- und Strominfrastruktur das Rückgrat der digitalen Welt und die physische Infrastruktur der Digitalisierung.
Gerade hier hinken wir in Österreich aber hinterher. Belastbare Zahlen zur lokalen Rechenkapazität sind rar, doch Schätzungen zeigen, dass wir im internationalen Vergleich über deutlich weniger Rechenkapazität pro Wirtschaftsleistung verfügen. Ein Blick auf die Data Center Map verdeutlicht, wie weit Regionen wie Frankfurt oder Amsterdam bereits sind: Sie haben sich zu zentralen Knoten des europäischen Datenverkehrs entwickelt. Und das geht auch mit entsprechender Wertschöpfung einher. Laut Bitkom waren in Deutschland 2024 mehr als 130.000 Personen direkt in Datencentern beschäftigt.
Auch in Österreich gibt es Bestrebungen und Entwicklungen hin zu mehr Rechenkapazität. Microsoft hat in Schwechat vor Kurzem ein Datencenter eröffnet, zwei weitere werden folgen. Google baut ein Datencenter in Oberösterreich. Das ist kein Zufall, denn Österreich bringt für den Betrieb von Datencentern durchaus Standortvorteile mit: Der Internetknoten Wien ermöglicht raschen internationalen Datenverkehr. Der hohe Anteil an erneuerbaren Energien ist auch ein Plus. Die größte Hürde, auch international, ist oft die Energieversorgung selbst. Denn Datencenter verbrauchen sehr viel Strom, und das rund um die Uhr. In Irland etwa, Standort vieler europäischer Niederlassungen von US-amerikanischen Digitalkonzernen, machen Datencenter mittlerweile mehr als ein Fünftel des gesamten Stromverbrauchs aus.
Hinzu kommen häufig Vorbehalte vor Ort. Zwar sind Datencenter leise und verursachen kaum Verkehr. Doch sie beanspruchen viel Fläche, versiegeln Böden, und schaffen im Verhältnis dazu relativ wenige Arbeitsplätze direkt vor Ort. Nicht selten stoßen neue Projekte daher auf Skepsis oder gar Widerstand. Man fühlt sich dabei etwas an die Diskussion rund um Windräder erinnert: Es ist jedem klar, dass man sie braucht, aber bitte nicht vor der eigenen Tür.
Zwar sind Datencenter leise und verursachen kaum Verkehr. Doch sie beanspruchen viel Fläche, versiegeln Böden, und schaffen im Verhältnis dazu relativ wenige Arbeitsplätze direkt vor Ort.
Philipp Koch
Dabei ist lokale Rechenkapazität kein Selbstzweck, sondern ein Standortfaktor. Die Kapazität unsere Daten vor Ort zu speichern ist beispielsweise eine Grundvoraussetzung für digitale Souveränität, die die österreichische Bundesregierung im Digital Austria Act 2.0 als zentrales Ziel formuliert hat. Außerdem kann die Verfügbarkeit vor Ort über Skaleneffekte insbesondere kleinere Betriebe im digitalen Bereich international wettbewerbsfähiger machen. Gemeinden wiederum können auch profitieren, etwa durch die Nutzung von Abwärme wie es im Fall der Klinik Floridsdorf bereits vorgelebt wird.
Es ist schwierig sich eine Zukunft vorzustellen, in der wir nicht mehr Rechenkapazität als heute benötigen. Deshalb sollten wir Datencenter als zentrale Infrastruktur verstehen. Aber lassen wir sie nicht zu den neuen Windrädern werden.