Wirtschaft und Sicherheit: De-Risk, no fun!

31. Oktober 2024Lesezeit: 3 Min.
Bernhard Seyringer Illustration
Kommentar von Bernhard Seyringer

Bernhard Seyringer ist Politikanalyst. Seine thematischen Schwerpunkte fokussieren „Strategic Foresight“ und „Neue Technologien und Internationale Politik“. Seyringer ist zudem Experte für digitale Geopolitik.

Heute treten die Importzölle der EU für aus China produzierte Elektroautos in Kraft. Dieser Schritt kommt zu spät und die Zölle müssten höher sein, um Wirkung zu zeigen. Allerdings sollte man das weniger als „Handelskrieg“ diskutieren, denn als Teil der „De-Risking“-Überlegungen der European Economic Security Strategy. De-Risking bedeutet nicht mehr oder weniger als Risikoabschätzung. Das wäre hochnotwendig. Peking hat seine Risikoeinschätzungen zu internationalen Abhängigkeiten und Verflechtungen bereits in den frühen 2000er-Jahren begonnen in Richtung „Sicherheit“ zu verschieben. Schrittweise und angepasst an die internationale Entwicklung. Den großen außenpolitischen Kurswechsel unter Xi gab es nicht. Viel mehr folgt man im Zhongnanhai seit mehr als zwei Dekaden einer Timeline in Richtung Konflikt mit dem Westen. Und das ziemlich konsequent.

Westlich-infantiler Blick auf China

China denkt das Verhältnis Wirtschaft und Sicherheit seit Jahrzehnten anders: Bereits am 16. Parteitag der KP im Jahr 2002 hat Jiang Zemin von einer bevorstehenden „Periode strategischer Möglichkeiten“ gesprochen, die noch „ungefähr zwei Dekaden“ anhalten wird, und an deren Ende es zu „Konfrontationen mit dem Westen kommen wird“. Deswegen war es aus chinesischer Sicht nur konsequent, dass im wichtigsten industriepolitischen Entwicklungsplan des Landes bereits ab 2006 vom Streben nach „indigenous innovation“ gesprochen wird. Eine Form von Technologieunabhängigkeit vom Ausland, die Chinas Wirtschaft vor Sanktionen im Konfliktfall schützen soll. Allerdings hatte man es in der Ära Hu Jintao noch für notwendig befunden, mit diversen Beschwichtigungsnarrativen, wie der „Friedlichen Entwicklung“ von 2004 oder der „Harmonischen Welt“ von 2008, den westlich-infantilen Blick auf das Land zu kultivieren.  

„Made in China 2025“

Die Vorbereitungen für diese neue, konflikthafte Periode wurden nach der Globalen Finanzkrise von 2009 intensiviert. Man betrachtete den Westen als geschwächt, und wollte sich diese Schwäche zu Nutze machen. Xi Jinping hatte ab 2012 diese strategische Ausrichtung nur vorangetrieben: Ab 2014 sprach die chinesische Führung von einem „holistischen Blick auf die nationale Sicherheit“ und bezog plötzlich Bereiche wie Nahrungsmittelversorgung, Energiesicherheit und natürlich Schlüsseltechnologien in die sicherheitspolitischen Überlegungen ein. Deutlich sichtbar wurde das dann ein Jahr später, mit der „Made in China 2025“-Strategie, in der festgelegt wurde, das chinesische Unternehmen am Heimmarkt in manchen Branchen Marktanteile zwischen 90 und 100 Prozent bis 2025 erreichen müssen. Eine klar kalkulierte Verdrängung westlicher Unternehmen. Auch die „Dual Circulation“-Strategie des aktuellen 14. Fünfjahresplans sollte man sich wohl mal durchlesen.

Pivot to Asia?

Die USA haben diese Entwicklungen erkannt und die damalige Außenministerin Hillary Clinton hat bereits im November 2011 den „Pivot to Asia“ ausgerufen. Eine Fokussierung der US-Außenpolitik auf Asien. Ein eher glückloses Konzept. Donald Trump hat als Präsident an diesen Kurs aber nur angeknüpft.

In der EU sollte man sich dessen bewusst sein: Über die Frage, ob es einen Wirtschaftskonflikt zwischen EU und China gibt, wird nicht 2024 in Brüssel abgestimmt, sondern das hat man bereits vor Dekaden in Peking entschieden.

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