Der Angriff auf die Unabhängigkeit der Zentralbanken

Heike Lehner ist freiberufliche Ökonomin. Ihre Spezialgebiete liegen im Bereich der Geldpolitik und Finanzwirtschaft, wozu sie aktuell ebenso promoviert.
Von der Politik unabhängige Zentralbanken sind eine Errungenschaft. Spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist klar, dass unabhängige Zentralbanken wichtig sind, um langfristig stabile Inflationsraten zu halten. Zentralbanken dürfen keine politischen Marionetten sein. Sie müssen widerstehen, wenn die Politik nach Zinssenkungen schreit – sei es, um die Wirtschaft künstlich aufzuputschen oder die Zinsen auf Staatsschulden gering zu halten. Diese Unabhängigkeit beizubehalten ist natürlich ungleich einfacher in Zeiten des Friedens. In Krisenzeiten wird die Unabhängigkeit oft geopfert, insbesondere wenn Staaten sich der Gelddruckmaschine bedienen, um etwa Kriege zu finanzieren.
Das Thema kam nun mit dem erneuten Amtsantritt von Präsident Trump wieder auf. Während Trump klar für eine Zinssenkung plädierte, entschied sich Fed-Chef Jerome Powell vergangenen Mittwoch zurecht dazu, die Zinsen konstant zu halten. Die wirtschaftlichen Fundamentaldaten gaben ihm Recht. Doch das war erst der Auftakt. Der politische Druck auf Zentralbanken wird in den kommenden Jahren zunehmen – und zwar weltweit, nicht nur in den USA. Auch die Eurozone ist davor nicht gefeit.
Die aktuelle Inflationsperiode scheint unter Kontrolle zu sein. Zumindest die Europäische Zentralbank (EZB) denkt anscheinend so. Immerhin hat sie gestern abermals die Zinsen um 0,25 Prozentpunkte reduziert. Hoffentlich hat sie damit recht. Denn die nächsten Inflationsschocks stehen schon vor der Tür. US-Importzölle könnten Handelskonflikte eskalieren lassen und Vergeltungszölle verursachen, was die Preise vielerorts steigen lassen würde. Geopolitische Spannungen gefährden die Versorgung mit kritischen Rohstoffen und würden die Inflation ebenso anheizen. Die Deglobalisierung mag Lieferketten weniger anfällig für globale Störungen machen, doch sie wird die Produktion verteuern. Der demografische Wandel führt zu Arbeitskräftemangel und steigenden Löhnen, was den Preisdruck weiter erhöht. Und als wäre das nicht genug, sorgt der Klimawandel mit Extremwetterereignissen für Ernteausfälle und daraus resultierend steigende Lebensmittelpreise. All diese Faktoren haben eines gemeinsam: Sie erhöhen die Kosten, aber bremsen das Wirtschaftswachstum. Eine toxische Kombination für jede Zentralbank. Und genau das macht es so schwierig für sie. Denn am liebsten hat diese, wenn mit einem Inflationsanstieg auch eine erhöhte Wirtschaftsleistung einher geht. Das ist der Fall, wenn die Nachfrage steigt, also beispielsweise mehr konsumiert wird. Aber nicht, wenn die Produktionskosten einfach so steigen.
In der Vergangenheit sind die Inflationsanstiege von der Kostenseite großteils nur von relativ kurzer Dauer gewesen. Zentralbanken haben sie deshalb nur wenig beachtet. Mit dem Inflationsschock nach der Pandemie hat sich allerdings einiges geändert. Denn damals haben die Zentralbanken vielerorts viel zu spät die Zinsen erhöht. In der Eurozone dachte man lang aus oben genanntem Grund, dass die Inflation sich rasch wieder erholen würde – ein fataler Denkfehler.

Solche Schocks werden uns künftig häufiger begleiten – und sie werden länger anhalten als bisher. Damit wächst der politische Druck, von der reinen Geldpolitik abzuweichen. Denn der Schock selbst führt schon zu einer erhöhten Inflation, gepaart mit sinkender Wirtschaftsleistung. Wenn die Wirtschaft unter der Last hoher Kosten schwächelt, wächst die Versuchung für Regierungen, die Zentralbank zum Erfüllungsgehilfen ihrer Fiskalpolitik zu machen. Aber gerade dann ist es wichtig, dass Zentralbanken einen kühlen Kopf bewahren und kompromisslos ihrem Mandat folgen, das in den meisten Fällen Preisstabilität heißt.
Die kommenden Jahre werden zeigen, ob Zentralbanken wirklich unabhängig bleiben oder ob sie unter politischem Druck einknicken. Das Problem ist kein US-amerikanisches, sondern ein globales. Die Eurozone ist hiervon nicht ausgeschlossen, sondern ganz vorne dabei. Immerhin stagniert die europäische Wirtschaft bereits jetzt und leidet unter vielen strukturellen Problemen. Wenn insbesondere Regierungen in den Industriestaaten erst einmal die Notenpresse als Allzweckwaffe gegen jedes wirtschaftliche Problem wieder entdecken, haben wir ein großes Problem. Wer glaubt, die Inflation sei ein Problem der Vergangenheit, kann mittelfristig durchaus eines Besseren belehrt werden. Nur hoffentlich bleiben die Zentralbanken standhaft.