Der Elch und die Bundesregierung

9. September 2025Lesezeit: 3 Min.
Alexander Purger Illustration
Kommentar von Alexander Purger

Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.

Ohne jetzt in überpatriotisches Selbstlob verfallen zu wollen: Was uns Österreicher vor allen anderen auszeichnet, ist unser untrügliches Gespür für das Wesentliche. Wie kaum eine andere Nation vermögen wir Wichtiges von Unwichtigem klar zu unterscheiden. Dazu braucht man nur in die Zeitungen oder besser noch in ihre legitimen Nachfolger, die sozialen Medien zu schauen. Dort ist kostenfrei zu besichtigen, was den Österreichern als wirklich wichtig ins gestrenge Auge sticht. Aktuell ist das ein Problem, von dem man mit Fug und Recht feststellen kann, dass seine Lösung über unser aller Zukunft entscheiden wird: über die weitere Entwicklung des Staates, den Zustand des Wirtschaftsstandortes, ja, man kann ohne Übertreibung sagen: über das Leben unserer Kinder und Enkel. Diese Frage, die zur Zeit ganz Österreich in ihren Bann schlägt, ist – Sie haben es längst erraten – der Verbleib von Elch Emil.

„Was uns Österreicher vor allen anderen auszeichnet, ist unser untrügliches Gespür für das Wesentliche.“

Alexander Purger

Wo ist er momentan aufhältig? Wo hat er genächtigt? Hat er das Wiener Stadtgebiet betreten oder nicht? Wie viele heimische Grasbüschel hat der Einwanderer aus dem hohen Norden bereits gerissen? Muss er deswegen vergrämt oder gar „entnommen“ werden wie Bruder Bär und Stiefsohn Wolf? – Das sind die Fragen, die zu Recht die Menschen bewegen und den Lebensnerv der Nation treffen. Nur krasse Außenseiter verzetteln sich noch an Nebenfronten und verplempern ihre Zeit mit dem Erörtern von Scheinproblemen. Was ist der x-te Bericht über den 400-Milliarden-Euro-Schuldenberg der Republik gegen die elektrisierende Nachricht, dass Elch Emil bei Tulln ein Bad in der Donau genommen hat? Was ist die öde Debatte über die Nicht-mehr-Finanzierbarkeit der Pensionen gegen die interessanten Belehrungen über die Essgewohnheiten von Elchen? Was ist die völlig fruchtlose Diskussion über den Sinn der österreichischen Neutralität im Angesicht eines wild gewordenen Russland gegen die herzerwärmende Frage, wie es um die zwischenelchlichen Bedürfnisse des bedauernswerten Einzelgängers Emil steht?

Unsere Bundesregierung hat daher vollkommen recht, dass sie die Finger von Schulden, Pensionen und militärischer Sicherheit lässt. Denn sicher ist nur, dass das niemand hören will. Man will hören, wie es Emil geht, wo Emil ist und was Emil vorhat. Und da die Regierung das auch nicht weiß, verbringt sie ihre Zeit halt mit Mietpeisbremsen, Österreich-Aufschlag-Verboten und energiereichen Debatten über Energiekostensenkungen. Das ist zwar nicht ganz Elch Emil, aber fast, und geht eindeutig in die richtige Richtung.

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