Der Staat sollte einfach mal nichts tun

4. August 2025Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Gerhard Jelinek

Gerhard Jelinek ist ein österreichischer Journalist, Fernsehmoderator und Buchautor. Der Jurist und erfahrene Journalist gestaltete rund 70 politische und zeitgeschichtliche Dokumentationen und Porträts.


Österreichs Abgeordnete sind auf Sommerferien. Von Mitte Juli bis zum 12. September: Neun lange Wochen, ausgefüllt mit Besuchen von Feuerwehrfesten, wohlverdientem Urlaub (natürlich vorwiegend im wanderbaren Österreich) und dem Besuch der jeweils nahegelegenen Festspiele. Diese politische Sommerpause ist nicht zu kritisieren. Gut, dass wenigstens in diesen Sommerwochen keine neuen Gesetze beschlossen, in den Ministerien keine neuen Verordnungen ausgearbeitet werden und auch die Behörden kaum Bescheide ausstellen. So schön und einfach könnte das Leben sein, wenn man nicht gerade auf eine Baugenehmigung wartet oder einen Termin bei einer Wiener Behörde braucht.

Was immer in unserem Land veränderungswürdig wäre, es besteht der Generalverdacht, dass eh nichts Besseres nachkommt. Die Fleißigen (und auch die eher Faulen) in diesem Land rufen zwar – via Medien – seit ewigen Zeiten nach „Reformen“, bekämpfen dann aber eben diese, werden sie endlich einmal eingeleitet, mit anschwellendem Geraunze und politischem Protest. Es muss sich was ändern, aber bitte nicht bei mir.

Und vielleicht haben unsere Landsleute (und alle, die in Österreich wohnen – Zitat VdB) ja einfach recht. Vielleicht braucht Österreichs Wirtschaft – und nicht nur diese – einfach stabile Verhältnisse, Rahmenbedingungen, die nicht alle paar Monate geändert, Gesetze, auf die sich Investoren aller Größenordnungen einfach verlassen können, Rechtssicherheit eben. 

In Belgien gab es nach den Wahlen 2011 mehr als 541 Tage keine funktionierende Regierung. Keine neuen Gesetze. Der Wirtschaft hat es nicht geschadet.

Ein Beispiel: Wir lesen, wie wichtig und moralisch geboten es wäre, gegen den menschengemachten Klimawandel etwas zu unternehmen. Wir lassen uns davon überzeugen, um etliche Tausend Euro chinesische Solarpanels aufs Dach des Einfamilienhauses zu montieren, nehmen monatelange Wartezeiten der Professionisten in Kauf, stellen uns um staatliche Förderungen an, berechnen, dass sich die Investition unter lebensnahen Bedingungen eh nicht rechnen wird, entscheiden uns dennoch dafür, weil man ja fortschrittlich, nachhaltig und überhaupt ein guter Mensch sein will. So handeln Hunderttausende. Dann wird es dem Staat zu teuer. Hunderte Millionen Euro Förderungen werden bürokratisch sorgsam orchestriert ausgezahlt, bis der Topf leer ist. Dann kommt die Reform. Stopp des Förderregimes, dafür Verzicht auf die Mehrwertsteuer. Das ist praktisch, macht aber die Solaranlagen kaum günstiger (aufgrund der massiven chinesischen Überproduktion sinken die Preise ohnehin so stark, dass österreichische Anbieter von PV-Anlagen und Wechselrichtern in die Krise taumeln). 
 
Nach ein paar weiteren Monaten entdecken die Stromnetzbetreiber, dass ihre Leitungen an sonnigen Hochsommertagen glühen, der zur falschen Zeit produzierte Strom gar nicht gebraucht wird, und (da nicht lagerfähig) umsonst oder gegen Entgelt irgendwo auf dem internationalen Strommarkt verramscht werden muss. Das hat man zwar alles schon vorher gewusst, aber irgendwie war es fesch, Milliarden in die „grüne“ Solarenergie zu investieren. Und alle, die im besten Glauben gehandelt haben, sollen nun zusätzlich Netzgebühren zahlen, damit sie die am Gartenhaus produzierten Kilowatt ins Netz einspeisen dürfen. Der Staat ändert im Nachhinein Rahmenbedingungen für Investitionen und macht sie damit unrentabel. Ein weiteres Beispiel gefällig?

„Was privaten Investoren zugemutet wird, gilt nicht für den Staat“

Gerhard Jelinek

Per Gesetz – im Nachhinein – untersagt die Republik die Indexanpassung von ohnehin schon per Gesetz gedeckelten Mieten. Das führt dazu, dass Eigentümer über drei Jahre einen Wertverlust ihrer Einnahmen von rund zehn Prozent hinnehmen müssen. Das ist ein krasser Eingriff in Eigentums- und Vertragsrechte (den der Verfassungsgerichtshof wie immer unbeanstandet hinnimmt). Wer mit privatem Kapital in den Bau (Kauf) von dringend benötigten Wohnraum investiert hat, wird bestraft. Der Grund: Purer Populismus. Die öffentliche Hand, Kommunen oder auch die Arbeiterkammer verzichten nicht auf die indexbasierten Erhöhungen öffentlicher Dienstleistungen und Beiträge. Was privaten Investoren zugemutet wird, gilt nicht für den Staat. 
Alle klagen über die Baukrise, fehlende Wohnungen. Die Lösung wäre einfach: Eine Verfassungsgarantie, dass sich der Staat für eine Investitionsperiode (bei Bauten wohl 50 Jahre) an Gesetze hält, nachträgliche Änderungen ausschließt. Bauordnungen nicht weiter verkompliziert. Und Höchstgerichte keine weiteren lebensfremden und wirtschaftsfeindlichen Urteile fällen. Einfach nichts tun.

An Rahmenbedingungen (und seien sie auch schlecht) passt sich die Wirtschaft an, man investiert oder lässt es sein. Nachträgliche Verschlechterungen (gerade durch Gerichtsurteile!) führen zu Unsicherheit und Investitionszurückhaltung. Das gilt auch für die gebetsmühlenartigen Forderungen nach neuen (Vermögen-)Steuern. Wer bindet sein Kapital in unbeweglichen Werten (Immobilien), wenn er ständig hört, dass es tunlichst wegbesteuert werden soll? Ein wirtschaftlicher Aufschwung setzt Vertrauen und Stabilität in Rahmenbedingungen voraus – wenn schon echte Strukturreformen auf die nächste (?) Regierung verschoben werden, dann verlängert doch einfach (Scherz!) die Sommerpause des Parlaments.

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