Die Hausaufgaben, erledigt? Wo denn, bitteschön?

10. Juli 2025Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Georg Renner

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.

Dass die EU am Dienstag wie erwartet ein Defizitverfahren gegen Österreich eingeleitet hat, ist keine Tragödie. Aber dass der Finanzminister als Reaktion darauf behauptet, seine „Hausaufgaben bereits gemacht“ zu haben, sehr wohl.

Ja, die schwarz-rot-pinke Koalition hat mit ihrem Budget für dieses und das nächste Jahr einige erste Schritte gesetzt – dass sie „low hanging fruits“ wie die Abschaffung von Klimabonus und Bildungskarenz geerntet hat, darf und soll man anerkennen.

Aber die große Gemütlichkeit, mit der man da jetzt auf das Defizitverfahren reagiert, ist absolut unangebracht: Erstens weiß abseits von schicken Überschriften kein Mensch, wie die Koalition ihre Einsparungsziele in den kommenden Jahren erreichen will. Bis 2029 soll der jährliche Konsolidierungsbetrag ja von heuer 6,4 Milliarden Euro auf 14,6 Milliarden steigen. Im „Strategiebericht“, der Mittelfrist-Perspektive in den Budgetbeilagen, setzt sich ein guter Teil dieses Ziels aus den Unterpunkten „Einsparungen Ressorts“, „Kürzungen Förderungen“, „Weitere Maßnahmen“ und „Andere Sektoren“ zusammen; was dahinter stecken soll, ist völlig offen.

Und zweitens gibt es berechtigte Zweifel, ob das reichen wird: Der Fiskalrat, schon vor einem Jahr der einsame Rufer in der Budgetwüste, rechnet derzeit damit, dass wir 2029 noch immer ein Defizit von 4,2 Prozent aufreißen werden – im Gegensatz zum Finanzministerium, das diesmal aber wirklich damit rechnet, dass 2028 schon die Maastricht-Obergrenze von drei Prozent unterschritten wird.

Kluge Politik würde – gar nicht primär wegen der EU-Regeln, sondern schon allein der instabilen Weltlage wegen, in der jederzeit ungeahnte neue Herausforderungen auf unsere Republik treffen könnten – angesichts dieser Warnungen vielleicht noch einmal ihre „Hausaufgaben“ kontrollieren, statt „mission accomplished“-Rhetorik zu pflegen. Also noch einmal ambitionierter Ausgaben streichen – und am Ende lieber ein bisschen mehr Spielraum haben statt in zwei Jahren betroppetzt feststellen zu müssen, dass der Fiskalrat dann doch recht gehabt hätte.

„Kluge Politik würde angesichts vieler Warnungen vielleicht noch einmal ihre ,Hausaufgaben‘ kontrollieren, statt ,mission accomplished‘-Rhetorik zu pflegen.“

Georg Renner

Dass die Koalition sich in dieser Situation etwa gerade einmal zu einer völlig zahnlosen einfachgesetzlichen „Nachhaltigkeitsklausel“ bei den Pensionen durchringen hat können, die obendrein erst die nächste Regierung binden soll, ist nicht einmal mehr fahrlässig, das ist praktisch schon vorsätzliche Hausaufgabenverschleppung.

Dasselbe gilt für die Weigerung, den Gehaltsabschluss mit den öffentlich Bediensteten – Inflation plus 0,3 Prozent – nicht noch einmal nachzuverhandeln. In einer Situation, in der die Arbeitslosigkeit steigt und die Privatwirtschaft dahinsiecht, kann man nicht einfach so tun, als ob die Gehälter der sicheren Staatsjobs weiter steigen können wie geplant.

Und von den klimaschädlichen Förderungen, die selbst das Finanzministerium inzwischen völlig klar benennt, sollten wir nicht einmal mehr reden müssen. Hier braucht es nicht noch eine Arbeitsgruppe und noch zig Evaluierungen – sondern schnelle Gesetzesbeschlüsse, bis wann sie abgebaut werden.

All das liegt seit Jahr und Tag auf dem Tisch. Nein, die Tragödie ist nicht, dass die EU uns angesichts solcher unhaltbaren Zustände auf die Finger klopft – sondern, dass wir so tun, als ob wir eh längst auf Kurs wären. Sind wir nämlich nicht.