Eine neue Regierung? Na warte!

Alexander Purger ist Redakteur der Salzburger Nachrichten und schreibt die satirische Kolumne „Purgertorium“. Er ist Autor mehrerer Bücher, darunter der Kanzlerbiografie „Wolfgang Schüssel – Offengelegt“.
Was im Deutschen wie eine freundliche Vertröstung klingt, ist im österreichischen Sprachgebrauch so ziemlich das Gegenteil, nämlich eine handfeste Drohung: Na warte! Wer das sagt, fügt unausgesprochen eine ernste Drohung hinzu: Warte nur, du wirst noch deine Wunder erleben!
Was uns gleich mitten in das Drama der heimischen Regierungsbildung geführt hat. Vier Monate sind seit der Nationalratswahl vergangen (wer erinnert sich noch an den Sonntag im September?), und es wäre ein Wunder, wenn es bald eine Regierung gäbe. Denn wie sind die Aussichten? Na warte!
Bisher ist, das muss man so sagen, so ziemlich alles schiefgelaufen. Der Bundespräsident hat anfangs nicht Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt und ihm damit den allergrößten Gefallen getan. Denn in der ersten Runde, als die ÖVP noch eine andere Option hatte, wäre Kickl garantiert gescheitert und könnte jetzt in der zweiten Runde nicht so großspurig auftreten.
Es folgten die Dreierverhandlungen, bei denen sich a) die erschreckende Schwäche an der Spitze der SPÖ bemerkbar machte (wo blieb eigentlich das Machtwort aus dem Wiener Rathaus?) und bei denen b) als erste Partei ausgerechnet jene den Tisch verließ, die immer predigt, dass man nun doch das Staats- vor das Parteiwohl stellen müsse.
Dann folgte die bittere Erkenntnis für die ÖVP, dass man vermeintliche Wahlschlager wie ihr „Niemals mit Kickl!“ hinterher immer bezahlen muss, und sei es mit der eigenen Glaubwürdigkeit. Woraufhin die ÖVP nach Abgabe eben dieser Glaubwürdigkeit doch in Verhandlungen mit Kickl eintreten musste, da es ohne sie in Österreich eben keine Regierung geben kann. Oder weiß wer eine?
Am Anfang dieser Verhandlungen offenbarte der FPÖ-Chef einen wirklich atemberaubenden Mangel an sozialer Intelligenz, indem er die ÖVP, die ihn als einzige zum Kanzler machen kann, abwatschte wie einen Tanzbären. Mittlerweile hat sich Kickl etwas gemäßigt. Eventuell ist ihm gedämmert, dass die ÖVP ja auch die Möglichkeit hätte, ihn NICHT zum Kanzler zu machen.
Schließlich hat sich die SPÖ (und das war das erste verschämte Machtwort aus dem Wiener Rathaus seit langem) dazu bereit erklärt, mit der ÖVP eine zweite Runde von Koalitionsverhandlungen zu starten. Und zwar fügte das Wiener Rathaus halb ausgesprochen dazu, dass man zu diesem Zweck die Gewichte im roten Verhandlungsteam etwas verändern würde. Man weiß, was gemeint ist…
Seither sitzt die ÖVP am Verhandlungstisch mit der FPÖ nicht mehr ganz so wie das Kaninchen vor der Schlange, und man darf gespannt sein, wie es weitergeht. Dass sich Blau und Schwarz binnen drei Tagen auf einen Budgetpfad geeinigt haben, hat wenig zu besagen. Für zwei Parteien ähnlichen wirtschaftspolitischen Zuschnitts wäre alles andere eine Überraschung gewesen. Die wirklich haarigen Themen kommen erst: Europa, Ukraine, Russland. Oder auch die Asyl- und Abschiebepolitik, bei der Kickl im Wahlkampf das Blaue vom Himmel versprochen hat. Er kann nur hoffen, dass ihm der Bundespräsident da ein zweites Mal zu Hilfe eilt und keinen blauen Innenminister angelobt. Dann könnte Kickl den Schwarzen die Schuld daran geben, dass das Blaue nicht vom Himmel kommt.
Aber so weit, dass FPÖ und ÖVP wirklich gemeinsam regieren, sind wir noch lange nicht und werden wir möglicherweise auch nie kommen. Eine Einigung ist alles andere als ausgemacht. Und was ist, wenn sie sich nicht einigen? Neuwahlen und dann alles wieder von vorne? Na warte!