Energiewirtschaft zu Unrecht Sündenbock für hohe Strompreise

3. September 2025Lesezeit: 5 Min.
Kommentar von Barbara Schmidt

Barbara Schmidt ist seit 2007 Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung von Österreichs E-Wirtschaft. Davor war sie unter anderem in der Rechtsabteilung der E-Control Austria und als Klubreferentin im österreichischen Parlament tätig. Sie hat das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien absolviert. Sie ist Coach und Mediatorin.

 

Die Energiepreisdebatte hat in Österreich wieder voll an Fahrt aufgenommen. Mit den jüngsten Inflationsdaten zählt das Land zu jenen in der Eurozone mit der höchsten Teuerung. Laut Schnellschätzung der Statistik Austria ist die Inflation im August auf 4,1 Prozent gestiegen – der höchste Wert seit März 2024 und für Haushalte und Unternehmen gleichermaßen belastend.

Dabei ist es wichtig, mit einem Missverständnis aufzuräumen: Die Branche wird in der öffentlichen Diskussion gerne als Verursacherin hingestellt. Fakt ist zwar, dass die Stromrechnungen der Endkundinnen und Endkunden gestiegen sind, doch der aktuelle Preisschub hat seine Ursachen nicht in der Energiewirtschaft selbst, sondern vor allem in den Rahmenbedingungen.

Hauptgrund für die im Jahresvergleich gestiegene Rechnung und somit auch Beitrag zur Inflationsrate ist das Auslaufen zentraler Unterstützungsmaßnahmen mit Jahresbeginn – allen voran der Strompreisbremse. Mit ihr waren die ersten 2.900 kWh Verbrauch pro Haushalt seit Ende 2022 stark gestützt, ergänzt um eine mehr als 90 Prozent reduzierte Elektrizitätsabgabe sowie den Entfall der Erneuerbaren-Förderkosten. Zwar haben viele Lieferanten ihre Strompreise in den vergangenen Monaten spürbar gesenkt, doch der Wegfall dieser umfassenden Entlastungsmaßnahme kann dadurch nicht vollständig ausgeglichen werden. Entsprechend wird sich das Ende der Strompreisbremse nach der Methodik zur Berechnung der Inflationsrate noch bis Ende 2025 spürbar in den Inflationsdaten niederschlagen und jeden Monat die Energiewirtschaft als Sündenbock durch die Schlagzeilen getrieben.

„Entsprechend wird sich das Ende der Strompreisbremse nach der Methodik zur Berechnung der Inflationsrate noch bis Ende 2025 spürbar in den Inflationsdaten niederschlagen.“

Barbara Schmidt

Ebenfalls auf der Rechnung spürbar sind die erhöhten Netzkosten. Aus Sicht der Branche ist hier jedoch eine differenzierte Betrachtung notwendig: Einerseits ist der Netzausbau unverzichtbar, um unser Stromsystem im Zuge des großen Umbaus zukunftsfit zu machen. Das verursacht zwar jetzt Kosten, bringt aber langfristig deutliche Vorteile. Andererseits sollte man die Relationen im Blick behalten: Zwar sind die Netzkosten in den vergangenen Jahren gestiegen, doch unter Berücksichtigung der allgemeinen Inflation – die von 2001 bis Oktober 2024 rund 75 Prozent beträgt – liegen die durchschnittlichen Entgelte immer noch unter dem realen Preisniveau von 2001.

Vorschläge der E-Wirtschaft liegen vor

Die Energiewirtschaft ist sich der Situation bewusst und hat konkrete Vorschläge erarbeitet, um die Belastungen für Konsumentinnen und Konsumenten sowie Unternehmen abzufedern. Viele dieser Maßnahmen könnten kurzfristig wirken, andere sind mittel- bis langfristig entscheidend für eine stabile und nachhaltige Preisentwicklung.

Im Kern geht es um drei Hebel: Steuern und Abgaben senken, Netztarife dämpfen und den Ausbau der heimischen Erzeugung vorantreiben.

Eine Senkung der Elektrizitätsabgabe auf das EU-rechtlich zulässige Minimum würde unmittelbar entlasten, auch wenn dies budgetwirksam ist. Ebenso könnten die Ökostromförderbeiträge reduziert werden, was ohne Auswirkungen auf das Staatsbudget möglich wäre.

Bei den Netzkosten gilt es, diese auf das notwendige Ausmaß zu begrenzen. Ein Beispiel: Eine Spitzenkappung bei PV-Anlagen wäre volkswirtschaftlich sinnvoll, da dadurch der Netzausbau weniger groß ausfallen müsste. Auch die Verteilung der Netzkosten steht auf dem Prüfstand. Klar ist für uns: Mehr Flexibilität ist das Gebot der Stunde. Wer sich netzdienlich verhält – also Strom dann verbraucht, wenn viel erzeugt wird, und einspeist, wenn wenig verfügbar ist – sollte das auch auf der Rechnung merken.

Zukünftig wird ein höherer Grad der Elektrifizierung und mehr Absatz aus dem Netz zu einer niedrigeren Belastung jedes Einzelnen führen.

Wenig abgewinnen können wir hingegen der Idee, die Erzeugung zusätzlich zu belasten. Neue Netzentgelte für Stromproduzenten würden unterm Strich jede produzierte Kilowattstunde verteuern und die Finanzierungskosten neuer Anlagen aufgrund der Unsicherheit erhöhen. Die Preissteigerungen schlagen sich auch im Großhandel nieder. Wird günstige, emissionsfreie Erzeugung aus Österreich belastet, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Strom importiert werden muss – häufig aus fossilen Quellen oder in Form von Atomstrom.

Der Ausbau erneuerbarer Energien ist der zentrale Schlüssel für langfristig sinkende Strompreise und eine resilientere Stromversorgung. Er erfordert jedoch schnellere Genehmigungsverfahren, stabile Investitionsbedingungen und eine bessere Netzintegration.

Zeit zu handeln

All diese Vorschläge sind nicht neu. Sie liegen seit langem auf dem Tisch. Gerade in einer Zeit, in der die Transformation beschleunigt werden muss und gleichzeitig die Kaufkraft und der Wirtschaftsstandort unter Druck stehen, sollte es im Interesse aller Beteiligten liegen, Lösungen, die für das Gesamtsystem und nicht für Partikularinteressen die besten sind, gemeinsam umzusetzen. Die Branche ist sich ihrer Verantwortung bewusst und bereit für die Investitionen in eine sichere, saubere und leistbare Energiezukunft.

Das Rezept für leistbare Energie muss im Elektrizitätswirtschaftsgesetz umgesetzt werden. Viele gute Vorschläge dazu sind im Entwurf enthalten, einige Maßnahmen aus technischer, rechtlicher oder systemischer Sicht anzupassen. Wir haben unsere Anmerkungen eingebracht. Nun liegt es an der Regierung, die gesamthaft sinnvollen Lösungen und Kompromisse auszuloten und ein Gesetz auf den Weg zu bringen, das auch im Parlament eine Zweidrittelmehrheit findet. Wir stehen mit unserer Expertise und unserem Blick auf das Gesamtsystem bereit.

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