Man sieht vor lauter Bürokratie-Wald die Bäume nicht mehr

Elisabeth Zehetner setzt sich seit mehr als 20 Jahren für innovative Initiativen, junge Unternehmer:innen, Gründer:innen und Frauen in der Wirtschaft ein. Seit März 2025 ist sie Staatssekretärin im Ministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus im Kabinett Christian Stocker. Davor war sie Geschäftsführerin von oecolution austria, der ersten Organisation in Österreich, die zeigt, dass wirtschaftlicher Erfolg und Wohlstand die besten Voraussetzungen für wirksamen Klimaschutz sind. 2024 erschien im ecowing-Verlag ihr erstes Buch „Im Namen des Klimas“.
Die Entwaldungsverordnung der EU (EUDR), die dieser Tage wieder in den Schlagzeilen ist, ist ein Beispiel, wie gut gemeinte Initiativen zu weitreichenden Bürokratielasten führen können. Ursprünglich als Schutzmaßnahme gegen globale Entwaldung gedacht, stellt die Verordnung in ihrer Praxisform vor allem kleinere Unternehmen in Österreich vor eine erhebliche Belastung. Nun wurde der Start zwar um ein Jahr verschoben, aber die Herausforderungen bleiben bestehen.
Gemäß EUDR müssen alle Unternehmen in der Holz-Wertschöpfungskette eine umfassende Sorgfaltserklärung abgeben, um sicherzustellen, dass das verwendete Holz nicht aus problematischen Quellen stammt. Die Realität für einen Sägewerksbetreiber ist jedoch eine Flut an Dokumentationen: Referenznummern für jede Lieferung, die bis zur Holzquelle zurückverfolgt werden müssen. Die Prozesse fressen Ressourcen und treiben die Betriebskosten in die Höhe – für den eigentlichen Umweltgedanken bleibt wenig übrig. Und das, obwohl Österreichs Waldfläche seit Jahrzehnten wächst und eine strikte Rodungsregulierung längst etabliert ist.
Doch die EU-Entwaldungsverordnung ist nur ein Beispiel von vielen, wie exzessive Regelungen Unternehmen über Gebühr belasten. Nicht nur Sägewerke und Holzverarbeiter, sondern fast alle Branchen leiden unter einer stetig wachsenden Bürokratiewelle. Das Problem ist dabei nicht nur die Anzahl der neuen Regeln, sondern die damit verbundene Detailtiefe, die Zeit und Geld bindet und die Innovationskraft hemmt.
Der Vergleich zum Symbol der „gekrümmten Gurke“ mag plakativ erscheinen, aber der Kern bleibt aktuell: Zahlreiche EU-Regulierungen greifen tief in unternehmerische Entscheidungen ein, ohne den Nutzen ausreichend zu prüfen. Dabei geht es nicht darum, Regeln grundsätzlich infrage zu stellen – klar definierte Rahmenbedingungen sind wichtig. Eine Möglichkeit, den Regulierungsdschungel zu lichten, wäre eine „one-in-more-out“-Regel. Dabei sollte für jede neue Vorschrift mindestens eine – besser noch mehrere – bestehende Regel entfallen, um die Bürokratie nicht weiter aufzublähen. In Kombination mit sogenannten „sunset clauses“, also einer Befristung von Rechtsvorschriften, könnte dies eine regelmäßige Überprüfung sicherstellen: Jede Regel müsste so ihre Notwendigkeit, Wirksamkeit und Effizienz nachweisen, bevor sie fortbesteht oder dauerhaft etabliert wird. Ein Ansatz, der Bürokratie nachhaltig reduzieren und Unternehmen entlasten könnte.
Denn für Unternehmen bedeutet Überregulierung, dass sie wertvolle Ressourcen für Verwaltungsaufgaben binden müssen, statt in neue Technologien oder nachhaltige Innovationen zu investieren. Gerade jetzt, in Zeiten steigender Energiepreise und notwendiger Investitionen in Klimaschutz und Digitalisierung, ist das fatal. Die Konkurrenzfähigkeit österreichischer und europäischer Unternehmen leidet, und in einem Umfeld, das schnelle Anpassungen und Innovationssprünge verlangt, wirkt zu viel Bürokratie wie ein schwerer Ballast.
Überregulierung trägt auch zu einem anderen Problem bei: Der Staat versucht oft, neue Herausforderungen mit immer weiteren Vorschriften zu lösen, die auf den ersten Blick kostenlos erscheinen. Doch die langfristigen Kosten für die Wirtschaft sind hoch, und der Mehrwert bleibt oft fraglich. Unternehmen sehen sich in einem regelrechten Dschungel von Nachweispflichten gefangen, der die Attraktivität des Standorts Österreich untergräbt und im Extremfall die Abwanderung fördert.
Wollen wir Österreich und Europa als zukunftsfähigen, innovativen Standort erhalten, ist eine grundsätzliche Neubewertung der Regulierungslandschaft notwendig. Bürokratieabbau und effiziente Regeln, die Platz für unternehmerisches Handeln und Wachstum lassen, wären ein wichtiger Schritt, um die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts zu sichern.