EU: Vom Prayer und Payer zum Global Player

21. November 2025Lesezeit: 3 Min.
Johannes Hahn
Kommentar von Johannes Hahn

Johannes Hahn (Dr.phil) war von 2010-2024 EU-Kommissar (Regionalpolitik, Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen,  zuletzt für Haushalt und Verwaltung). Davor war er Bundesminister für Wissenschaft und Forschung (2007-2010) und Stadtrat in Wien (2003-2007). Vor seiner politischen full-time Tätigkeit bekleidete er viele Jahre Management- und Vorstandspositionen in der Industrie (VA Technologies, Novomatic).

Die Europäische Union ist unangefochten Spitzenreiter, wenn es um Hilfsgelder in der Entwicklungszusammenarbeit geht. Das wissen bloß die wenigsten. Wenn es um internationale Hilfe geht, kommt einem meistens eher das amerikanische Programm USAID in den Sinn. US-Präsident Donald Trump hat dort Mitte des Jahres den Stecker gezogen und damit einen weltweiten Aufschrei verursacht. Egal ob Aids-Hilfe oder Wiederaufbau nach einem Krieg: Die Logos der US-Entwicklungshilfe prangten deutlich sichtbar auf jedem Fahrzeug, jeder Kiste, jedem Behälter für Nahrungsmittel. 

USAID war nicht nur das am höchsten dotierte Programm eines Einzelstaats, es stand symbolisch für die Rolle der USA als Weltretter. Und das, obwohl die EU und ihre Mitglieder zusammen die meisten Mittel für Entwicklungszusammenarbeit bereitstellen. Es wäre nun ein historisches Zeitfenster, dieses Bild geradezurücken – ganz im Sinne von „vom Prayer über den Payer zum Player“. Bisher stecken wir in der Phase des Geldgebens fest – um als größter globaler Player wahrgenommen zu werden, muss dringend an der Wahrnehmungsschraube gedreht werden. 

Warum das? Weil wir mit einem starken Branding als größter globaler Helfer unsere geopolitischen Interessen einfacher durchsetzen können. Das wäre zum Beispiel hilfreich, wenn wir unsere Vorstellungen von Menschenrechten oder Umweltschutz „exportieren“ wollen – und sicherlich effizienter als der erhobene Zeigefinger, mit dem die EU das bisher in diversen Regularien und Abkommen tut. Diese Sichtbarkeit kann aber auch Wirtschaftsbeziehungen stärken, gerade in Regionen, an denen auch China massiv Interessen hat. Und nicht zuletzt sind unsere internationalen Hilfsgelder ein starkes Argument in der Flüchtlingspolitik. Dass Österreich nun an einer Afrika-Strategie arbeitet, ist vor diesem Hintergrund natürlich zu begrüßen.

Mit einem starken Branding als größter globaler Helfer können wir unsere geopolitischen Interessen einfacher durchsetzen.

Johannes Hahn

Bisher funktioniert die EU-Entwicklungshilfe dezentral. Die Mitgliedsländer zahlen in die Fördertöpfe der EU ein und die wiederum überweist Geld an nationale Agenturen wie die österreichische Development Agency oder an internationale Hilfsorganisationen wie das World Food Programme. Natürlich ist mit Widerstand zu rechnen, wenn diese Institutionen keine Mittel mehr aus der EU-Entwicklungshilfe erhalten. Es gibt aber viel zu gewinnen, dieses System zu durchbrechen. Denn bisher kommen die EU-Gelder nur über Zwischenschritte dort an, wo sie gebraucht werden. Das verursacht Overhead-Kosten von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Dadurch ergibt sich außerdem eben auch ein Visibilitätsproblem der EU: der größte Geldgeber für internationale Hilfe bleibt unerkannt. Finanziell sind wir längst in dem Vakuum, das USAID hinterlassen hat, jetzt muss sich die EU auch zu erkennen geben.  

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