Fed-Sitzung: Ein Plädoyer für langweilige Zentralbanken
Heike Lehner ist freiberufliche Ökonomin und Generalsekretärin der Aktion Generationengerechtigkeit. Ihre Spezialgebiete liegen im Bereich der Geldpolitik und Finanzwirtschaft, wozu sie aktuell ebenso promoviert.
Reden ist Silber – Schweigen ist Gold. Und auch wenn Fed-Chef Jerome Powell bei der Pressekonferenz nach der Sitzung der US-amerikanischen Notenbank notgedrungen viele Worte verlieren und die Fragen der Journalisten beantworten musste, blieb er inhaltlich auffällig still. Selbst wenn man die Pressekonferenz nach der erwartbaren Zinsentscheidung gestrichen hätte, wäre es niemandem aufgefallen. Denn Powell erzählte ungefähr zehn Mal, dass die Unsicherheit gestiegen sei und man sich auf nichts festlegen wollte, solange sich die Effekte der Zölle nicht materialisiert hätten.
Auch wich er der Frage aus, wie die Fed handeln würde, wenn in einem möglichen Stagflationsszenario die Inflation und die Arbeitslosigkeit steigen würden. Ob sie die Zinsen senken würde, um die Wirtschaft und somit die Beschäftigung zu stützen, oder sie erhöhen, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Denn immerhin hat die Fed im Gegensatz etwa zur Europäischen Zentralbank (EZB) ein duales Mandat: Sie verpflichtet sich nicht nur zur Preisstabilität, sondern auch zu einer geringen Arbeitslosigkeit. In einem Szenario, in dem die Wirtschaft schwächelt und die Inflation steigt, ist das ein Drahtseilakt. Gerade in Zeiten historischer Unsicherheit und politischer Nervosität braucht es eine Zentralbank, die Ruhe ausstrahlt und deren Handeln langweilig erscheint.
Über wenig regt sich US-Präsident Donald Trump derzeit so auf wie die US-amerikanische Zinspolitik. Er kenne sich so viel besser damit aus als Jerome Powell, den er in seiner ersten Amtszeit selbst zum Fed-Präsidenten ernannt hatte. Bisher hat Trump aber im Gegensatz zu früheren US-Präsidenten kein Treffen mit Powell einberufen. Stattdessen begnügt er sich bislang mit Kommentaren dazu, die er dem Fed-Präsidenten über Medien und Social Media ausrichtet. Während Trumps erster Amtszeit führten diese Zurufe – damals noch über Twitter – sogar dazu, dass Marktteilnehmer glaubten, die Fed könne diesem Druck nicht standhalten und würde die Zinsen senken. Die Unabhängigkeit der Fed wurde damit in Frage gestellt. Gestern hat die Fed die Möglichkeit genutzt, diesem Glauben der Vergangenheit einiges entgegenzusetzen. Und richtete Trump noch dazu aus, dass die Fed zur Fiskalpolitik genauso wenig Ratschläge liefern würde, wie sie umgekehrt für ihre Geldpolitik bräuchten. Dieser nüchterne Ansatz tut gut, bei der Pressekonferenz nach der Fed-Entscheidung führte diese Ansage zu Gelächter. Aber: Abwarten ist die richtige Devise.
Doch diese scheinbare Langeweile der Zentralbank darf nicht in Nichtstun ausarten oder mit Tatenlosigkeit verwechselt werden. In den letzten Jahren haben wir gelernt, dass Zentralbanken zu spät handeln können. Sie haben die Zinsen zu spät erhöht, weil sie die Inflationsdynamiken unterschätzt hatten. Diesen Fehler darf die Fed jetzt keineswegs wiederholen. Wenn die Inflation erstmal ansteigt und die Wirtschaft schwächelt, muss sie auf der Hut sein. Derzeit wirkt es aber so, als ob sie sich ihrer Aufgaben und ihrem Mandat bewusst ist. „Wenn du Dinge tust, die nicht in deinem Mandat sind, wozu bist du überhaupt unabhängig?“, antwortete Powell provokant auf eine Frage, die ihm vorwarf, sich zu sehr auf andere Themen außerhalb der Zentralbankaufgaben, wie etwa Klimawandel, fokussiert zu haben.
Er unterscheidet sich damit deutlich von der EZB. Zum einen interpretiert diese ihr Mandat zunehmend politisch, etwa bei der Klimapolitik – und zum anderen hat sie kürzlich erneut die Zinsen gesenkt, als Reaktion auf wirtschaftliche Unsicherheit und Zollrisiken. Die EZB hat zuletzt gezuckt, wo Standfestigkeit gefragt gewesen wäre, die Fed blieb aber unbeirrt. Während die EZB Unsicherheit als Handlungsaufforderung interpretiert, versteht die Fed sie als Signal zur Zurückhaltung – und handelt entsprechend. Geldpolitische Glaubwürdigkeit entsteht in der aktuellen Situation aber vor allem durch Ruhe, Konsistenz und die Fähigkeit, in einem nervösen Umfeld bewusst nicht zu schnell zu reagieren. Gerade jetzt, wo politische Impulsivität und ökonomische Unklarheit den Ton angeben, ist dieses Prinzip unbezahlbar.
„Die EZB hat zuletzt gezuckt, wo Standfestigkeit gefragt gewesen wäre.“
Heike Lehner