In Österreich wächst vor allem der Staat

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.
Der Staat ist als Arbeitgeber offenbar attraktiver, als man meinen möchte. Immer wieder überraschen Umfragen mit dem Ergebnis, dass Studenten mit ihrem Abschluss im öffentlichen Dienst anheuern wollen. Gratuliere! Sie haben sich für eine Zukunftsbranche entschieden.
Die Beschäftigung in der Industrie geht stark zurück. In den 1970ern war noch die Hälfte der Berufstätigen im produzierenden Bereich tätig – davon sind wir mittlerweile stark entfernt. Klar, der Strukturwandel in Richtung Dienstleistungen. Aber nicht nur! In den letzten zwei Jahren sind in der Industrie 56.600 Jobs verloren gegangen, während im öffentlichen Sektor 70.000 Jobs entstanden sind. 2008 war das Jahr der Trendwende – seither gibt es mehr Beamte als Beschäftigte in der Produktion. Und die Dunkelziffer ist weitaus höher.
Wie das? Bei der Industrie spricht man volkswirtschaftlich von „verbundenen Sektoren“ und meint damit z. B. Unternehmensberater oder Versicherungen. In der Industrie hat sich aber auch unfreiwillig ein mit dem öffentlichen Dienst verbundener Sektor etabliert. Das Verfassen von Berichten und Ausfüllen von Formularen ist in vielen Unternehmen zu einem eigenen Geschäftszweig geworden. Leider nicht zu einem ertragreichen.

Wenig ertragreich ist der „starke Staat“ auch für den Steuerzahler. Der Anteil des Staates an der Wertschöpfung Österreichs ist im vierten Quartal 2024 im Jahresabstand um 3,5 Prozent gewachsen – so stark wie kein anderer Bereich. In der Industrie ging der Anteil an der Wertschöpfung um 6,5 Prozent zurück. Gleichzeitig klafft ein großes Schuldenloch im Budget, das nun schrittweise durch höhere Steuern und Abgaben gefüllt werden soll. Die Entmündigung von Bürgern und Unternehmen kommt uns also teuer zu stehen.
Die Aufgabe des Staates ist es, die Freiheit zu schützen – die Freiheit, die es jedem Einzelnen ermöglicht, sich zu entfalten. Und auch die Freiheit des Marktes. Wir brauchen auch die Freiheit, gierig und neugierig zu sein, um den Entdecker- und Erfinderinstinkt zu wecken und neue, bessere und – ja – ertragreichere Lösungen zu finden. Ob das gelingt, wenn hauptsächlich die Beamtenschar wächst?