Wenn der Mutterinstinkt des Staates in freien Märkten wütet

21. August 2025Lesezeit: 4 Min.
Sara Grasel Illustration
Kommentar von Sara Grasel

Sara Grasel ist Chefredakteurin von Selektiv. Sie ist seit fast 20 Jahren Wirtschaftsjournalistin mit Stationen bei „Die Presse“, Trending Topics und brutkasten. Zuletzt war sie Chefredakteurin der Magazine der Industriellenvereinigung.

Bisher läuft die für Österreich ungewohnte Koalition aus drei Parteien erstaunlich friktionslos. Gestritten wird nicht – oder zumindest nicht öffentlich –, selbst dann nicht, wenn es vielleicht angebracht wäre. Im Dienste der Harmonie schauen ÖVP und Neos der SPÖ scheinbar stillschweigend dabei zu, wie sie den Staat immer übergriffiger werden lässt. Und das in Zeiten, in denen von der Opposition in diesen Punkten auch kein Widerspruch zu erwarten ist – auch die FPÖ forderte gestern „einen staatlichen Eingriff in die Preisgestaltung“. Ein haarsträubender Markteingriff folgt dem nächsten und das ausgerechnet in Bereichen, in denen Nachbarländer bereits vorexerziert haben, welche katastrophalen Folgen es hat, wenn der Mutterinstinkt des Staates in guter Absicht in freien Märkten wütet.

So muss man dieser Tage dabei zuschauen, wie Vizekanzler Andreas Babler – zuständig für Sport und Kultur – den ebenfalls roten Finanzminister mit der Erstellung von Modellen für Markteingriffe „beauftragt“, wie er in einem APA-Interview zum Besten gibt. Wem es im Frühjahr völlig zurecht die Haare aufgestellt hat, als sich die SPÖ mit einer Mietpreisbremse für Altbau-Wohnungen durchgesetzt hat, der sollte jetzt besser nicht weiterlesen. Dass die Mietpreisbremse im Herbst auch für Neubau-Wohnungen kommen wird, „garantiert“ Babler in dem Interview. Vermieter sollen nach seinem Willen nur noch die Hälfte der Inflation an Mieter weiterreichen dürfen. Man stelle sich den Aufschrei vor, das würde jemand für die Lohnverhandlungen fordern, um Unternehmen im internationalen Wettbewerb nicht noch stärker auszubremsen!

Damit aber nicht genug. Babler stärkt dem Finanzminister bei Preiseingriffen bei Lebensmitteln den Rücken. Welche Schwierigkeiten das mit sich bringt, kann man zum Beispiel von Ungarn lernen. Dort sorgten staatlich verordnete Niedrigpreise für Grundnahrungsmittel für leere Regale, aber nicht nur das. Die Preise für nicht regulierte Lebensmittel stiegen, die Inflation kletterte auf ein Rekordhoch und schließlich gab es auch noch Probleme mit dem EU-Recht – Kläger war übrigens die ungarische Tochter von Spar-Österreich. Hinzu könnten Preisdeckel bei Lebensmittel je nach Modell weitere Schwierigkeiten bringen: Ein möglicher Run auf billige Produkte führt zu Engpässen. Und dann bleibt auch noch eine heikle Frage offen, die Wifo-Chef Gabriel Felbermayr im Selektiv-Talk „Markt & Mächte“ in den Raum gestellt hat: „Wer bekommt denn das Sozialsemmerl“? Dass wir uns in Österreich schwer tun mit der Treffsicherheit solcher Maßnahmen, ist ja hinlänglich bekannt.

Welche Folgen die massiven Eingriffe in die Mieten haben, wurde an dieser Stelle bereits mehrmals ausführlich behandelt. Die Ergebnisse sind ja ähnlich wie bei den staatlich festgesetzten Lebensmittel-Preisen. Berlin hat es ausprobiert – per Gesetz gekappte Mieten sorgen für Engpässe und dann schlägt das Tante-Jolesch-Prinzip zu: das begehrte und knappe Gut wird teurer. Was bleibt ist der schale Geschmack, dass Österreich zum Schreckgespenst für kleine und große Investoren wird.

Mal ehrlich: Würden Sie jetzt eine (Neubau-)Wohnung kaufen oder bauen, wenn unklar ist, ob Sie sie zu einem rentablen Preis vermieten können? Das Geld ist dann vielleicht woanders besser aufgehoben. Kapitalflucht wäre auch eine verständliche Reaktion auf das über Österreich schwebende Damoklesschwert der Vermögensteuern – ja, klar sind ÖVP und Neos dagegen, aber wer weiß, ob dieses Versprechen hält, wenn die bescheidene Wirtschaftslage in Österreich das Budgetloch noch größer werden lässt und der Finanzminister höhere und neue Steuern erfolgreich als scheinbar letzten Ausweg verkauft. Eine kluge Standortstrategie, die Investitionen anlockt und Österreich wieder auf die Überholspur lenkt, sieht anders aus.

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