Mietpreisdeckel: Bärendienst statt Befreiungsschlag

Matthias Reith blickt auf 15 Jahre Erfahrung bei Raiffeisen Research zurück. Als Senior Ökonom analysiert und kommentiert er Österreichs Volkswirtschaft sowie den heimischen Immobilienmarkt. Ferner befasst sich Matthias Reith mit anderen Euroländern sowie der gesamten Eurozone und betrachtet dabei neben der Konjunktur insbesondere fiskalpolitische Fragestellungen.
Nun bekommen auch wir unseren Mietpreisdeckel. Oft versucht und genauso oft gescheitert, will Österreich den Beweis antreten, dass ein solcher doch als Allheilmittel gegen unerwünschte Entwicklungen am Wohnungsmarkt taugt. Irgendwann und irgendwo muss es doch funktionieren, warum dann nicht bei uns?
Der Mietpreisdeckel ist ein Rezept mit Risiken und Nebenwirkungen – und mit zweifelhaftem Nutzen. Denn wer steigenden Mieten per Mietpreisdeckel Einhalt gebieten will, setzt lediglich bei den Symptomen an. Und nicht bei den Ursachen steigender Mieten, die abseits der reinen Inflationsanpassung eben auch Spiegelbild von Knappheit sind. Was knapp und begehrt ist, wird zumeist schneller teurer. Der Wohnungsmarkt stellt in dieser Hinsicht keine Ausnahme dar. Es ist wie mit einem Thermometer. Man kann zwar das Thermometer manipulieren und immer die gleiche (gewünschte) Temperatur anzeigen lassen. Das verhindert aber nicht, dass es im Raum immer heißer wird, wenn die Heizung auf Anschlag läuft. Werden die Mieten eingefroren, ändert das am Wohnraummangel nichts – er kommt nur nicht mehr über den Preis daher. Baukosten steigen munter weiter, Mieten nicht: Der Erhalt der Bausubstanz gleicht unter diesen Voraussetzungen der Quadratur des Kreises. Die Miete bleibt dann zwar gleich, aber die Qualität sinkt. Es hilft nichts: Das Angebot an Mietwohnungen muss steigen, Eingriffe in den Mietmarkt bewirken genau das Gegenteil.
Denn um dem Mietdeckel zu entgehen, dürften Vermieterinnen und Vermieter verstärkt zu Verkäuferinnen und Verkäufern werden: Mehr Mietwohnungen werden in Eigentumswohnungen umgewandelt – und gehen damit dem Mietmarkt „verloren“. Gleichzeitig wird die ohnehin schon hohe Nachfrage nach Mietwohnungen weiter ansteigen. Werden die Mieten gedeckelt, wird Mieten verglichen mit Eigentum attraktiver. Es wetteifern also noch mehr Haushalte um die noch weniger gewordenen Mietwohnungen. Die verbliebenen Vermieterinnen und Vermieter haben dann die Qual der Wahl, aus der langen Liste der Interessenten einen Mieterin bzw. einen Mieter auszuwählen. Der Mietmarkt wird damit zu einem Vermietermarkt. Preisfrage: Wer hat dann die besseren Karten in der Mietwohnungslotterie? Der gutverdienende Single oder die Familie mit Kindern und niedrigem Einkommen? Für sozial Schwächere ist die Mietpreisbremse kein Befreiungsschlag, sondern ein Bärendienst. Ein weiteres Problem: Vor dem (Mietrechts-)Gesetz sind alle gleich. Ob Mindestsicherungsbezieher in Simmering oder Manager im schmucken Altbau in der Josefstadt – der Deckel passt auf jeden (Altbau-)Mietvertrag. Das ist „Gießkanne“ in bester österreichischer Tradition.
„Für sozial Schwächere ist die Mietpreisbremse kein Befreiungsschlag, sondern ein Bärendienst.“
Matthias Reith
Gerade in den Ballungszentren sind Mietwohnungen derzeit ein besonders knappes Gut. Die Zahl der Inserate ist in den letzten zweieinhalb Jahren deutlich zurückgegangen. Der Grund: Jahr für Jahr ziehen Haushalte aus einer Mietwohnung aus und in eine Eigentumswohnung ein – oder ins eigene Haus im Grünen. Jeder Umzug ins Eigentum bedeutet eine (wieder) frei werdende Mietwohnung. Mit der „Rückkehr der Zinsen“ samt KIM-Verordnung ist dieser Prozess jedoch ins Stocken geraten. Der Traum vom Eigenheim wird seit Mitte 2022 länger in der Mietwohnung geträumt. 30 % oder 1.700 mehr Haushalte pro Quartal als vor der Zinswende haben sich für das „Wohnen zur Miete“ entschieden. Haushalte, die in früheren Jahren wohl zumindest teilweise den Weg ins Eigentum gefunden hätten.
Sinkende Zinsen und gestiegene Einkommen bringen den Eigentumsmarkt langsam wieder in Schwung. Die Verspannungen auf dem Mietmarkt lösen sich dadurch aber nicht über Nacht auf. Bereits heute fehlen allein auf dem Wiener Wohnungsmarkt gut 50.000 Wohneinheiten – Tendenz steigend. 2024 wurden in der Bundeshauptstadt im Neubau um 36 % weniger Baugenehmigungen erteilt als 2021. Das ist Wohnraum, der benötigt wird, der in den nächsten Jahren aber nicht auf den Markt kommt. Eine Mietpreisbremse, die auch den Neubau umfasste, wäre gleichzeitig auch eine Investitionsbremse. Was wir brauchen, ist aber das Gegenteil – einen Investitionsturbo. Die Investitionen im Wohnbau sind seit dem ersten Quartal 2022 real um 22 % eingebrochen. Es gibt nur wenige andere Euroländer, in denen der Wohnbausektor einen schwereren Stand hatte als in Österreich. Nachhaltig wirkt gegen steigende Mieten und knappes Angebot nur eines: Bauen, bauen, bauen.
„Eine Mietpreisbremse, die auch den Neubau umfasste, wäre gleichzeitig auch eine Investitionsbremse.“
Matthias Reith
Zudem gilt: Was oft wiederholt wird, wird dadurch nicht richtiger. Früher war vieles anders und manches besser. Dass aber die Mietbelastung eine weitaus geringere war, stimmt nicht. Ja, die Haushalte mögen heute deutlich mehr an die Vermieterin bzw. den Vermieter überweisen als noch vor einigen Jahren. Ende 2024 musste ein österreichischer Mieterhaushalt im Durchschnitt 9,9 Euro pro Quadratmeter für Miete und Betriebskosten aufwenden. Das ist fast ein Viertel (23 %) mehr als Ende 2019. Doch auch Inflation und Löhne kannten seit Corona bekanntlich nur eine Richtung. Verglichen mit dem, was verdient wird (+26 %), ist „Wohnen zur Miete“ für Bestandsmieter sogar billiger geworden.

Etwas anders mag es aussehen, wenn ein vor (vielen) Jahren abgeschlossener Mietvertrag gekündigt wird und man sich neuerlich auf Wohnungssuche begibt. Wer derzeit eine neue Wohnung sucht, muss mit höheren Monatsmieten und damit einer höheren Mietkostenbelastung rechnen als jemand, der bereits vor längerer Zeit fündig geworden ist. Mieterhaushalte wendeten im Vorjahr 23 % ihres Einkommens für die Miete auf – vor zehn Jahren waren es 22 %. Eine Mietkostenexplosion sieht anders aus. Für finnische, schwedische und dänische Haushalte wären die österreichischen Mieten ein Schnäppchen. Im EU-Vergleich ist die österreichische Mietkostenbelastung nämlich „unauffällig“. In 12 Mitgliedsstaaten müssen Mieter tiefer in die Tasche greifen, in 14 Ländern ist Mieten günstiger als hierzulande.