Mord im Beamtengehälter-Express
Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er betreibt den Politik-Podcast „Ist das wichtig?“ und publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“. Zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.
Bevor wir über die Neuauflage der Gehaltsverhandlungen mit den öffentlich Bediensteten in Österreich reden, sollten wir folgende Timeline durchgehen – mir scheint, dass da bei dem einen oder anderen die Fakten durcheinanderkommen:
- Am 29. September 2024 haben wir einen neuen Nationalrat gewählt – mit der FPÖ als stärkster Partei vor ÖVP, SPÖ, Neos und Grünen.
- Am 3. Oktober veröffentlicht das noch von Magnus Brunner geführte Finanzministerium erstmals seine Prognose, entgegen aller Ankündigungen im Wahlkampf mit 3,3 Prozent doch ein Defizit jenseits der EU-Limits zu erwarten.
- Am 24. Oktober tritt der neue Nationalrat erstmals zusammen. Formal ab diesem Zeitpunkt hat die türkis-grüne Regierung keine Mehrheit mehr hinter sich.
- Am 5. November stellt der Fiskalrat, der finanzpolitische Watchdog der Republik, eine Prognose von 3,9 Prozent Defizit für 2024 – und noch trüberen Aussichten für die kommenden Jahre.
- Am 26. November einigen sich Beamtenminister Werner Kogler und die GÖD-Spitze auf die Doppel-Gehaltsrunde für den öffentlichen Dienst: 2025 werden die Gehälter 0,3 Prozentpunkte unter der Inflationsrate erhöht, 2026 dafür 0,3 Prozentpunkte darüber.
- Am 11. Dezember passiert diese Gehaltserhöhung den Nationalrat – FPÖ, ÖVP, SPÖ und Grüne beschließen sie gemeinsam, dagegen stimmen nur die Neos.
Ich schreibe das in solcher Deutlichkeit aus, weil gerade etliche Leute aus Regierungskreisen behaupten, Kogler habe die Beamteneinigung quasi im Alleingang durchgedrückt – und außerdem habe man ja nicht wissen können, wie schlimm es um die Staatsfinanzen bestellt gewesen wäre. Das ist, pardon, Humbug: Spätestens ab 3. Oktober 2024 waren die Karten alle auf dem Tisch, wer ab da nichts mehr von dem fiskalischen Desaster wissen wollte, vor dem die Republik stand und steht, musste aktiv wegschauen.
Und Kogler hätte sich allein auf den Kopf stellen können – wenn der neu gewählte Nationalrat gesagt hätte, sicher nicht, wir bleiben in beiden Jahren unter der Inflation, hätte er sich mit seiner Einigung auf den Kopf stellen können.
Nein, es ist wie im Orient-Express: Es waren (fast) alle zusammen. Diese Erhöhung haben FPÖ, ÖVP, SPÖ und Grüne gemeinsam zu verantworten. Wer ein bisschen Spaß zum Weinen haben will, liest die damalige Debatte im Nationalrat nach.
Diese Erhöhung haben FPÖ, ÖVP, SPÖ und Grüne gemeinsam zu verantworten.
Georg Renner
So viel zur Verantwortung. Eine ganz andere Frage ist, wie eine sinnvolle Lösung ausschaut. Der öffentliche Dienst, das sind zum allergrößten Teil ja nicht mehr verstaubte Beamte in irgendwelchen endlosen Ministerialgängen (und auch die haben einen wichtigen Job), sondern Menschen, die sehr unmittelbar wichtige Leistungen bringen: Das sind die Lehrerinnen in Klassen mit 25 Kindern, von denen drei Viertel kein Wort Deutsch können, das sind die Soldaten und Polizistinnen, die heute mehr als je zu vor unsere Sicherheit gewährleisten sollen, das sind die IT-Experten, die unsere kritische Infrastruktur sichern. Und ja, es sind auch die Referenten in Ämtern, wo jede unbesetze Stelle um Monate längere Verfahren bedeutet.
Ja, natürlich ist es eine Herausforderung, wenn der Staat durch bessere Gehälter und höhere Sicherheit der Wirtschaft Konkurrenz um die besten Köpfe macht. Aber gleichzeitig brauchen einen attraktiven öffentlichen Dienst – und besetzte Stellen in Schulen, Polizeiwachen, Kasernen usw.
Natürlich ist es eine Herausforderung, wenn der Staat durch bessere Gehälter und höhere Sicherheit der Wirtschaft Konkurrenz um die besten Köpfe macht.
Georg Renner
Wie man das politisch auf einen Nenner mit der Budget- und Wirtschaftskrise bringt? Regierung und Gewerkschaft haben einen guten ersten Schritt gemacht, indem sie sich zu neuen Verhandlungen getroffen haben. Es wäre zu begrüßen, wenn da in den nächsten Tagen ein gemeinsames Bekenntnis herausschaut, dass auch der öffentliche Dienst etwas zur Konsolidierung des Staatshaushalts beitragen wird müssen. Die „Einigung“ zur Pensionserhöhung sollte da eine passable Richtschnur sein.
Für die Zukunft wäre es aber besser, wenn das Parlament nur Ausgaben beschließt, bei denen es nicht ein paar Monate später panisch zurückrudern muss.