Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er betreibt den Politik-Podcast „Ist das wichtig?“ und publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“. Zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.
Ich sage es geradeheraus: Ich bin kein allzu großer Fan des „Nachhaltigkeitsmechanismus“ für die Pensionen, den die schwarz-rot-pinke Koalition gerade in das ASVG geschrieben hat.
Zu lang die Vorlaufzeit – erst 2031 müssen Maßnahmen greifen, die eine übergroße Steigerung des Budgetbeitrags zum Pensionssystem bremsen –, zu schwammig die Formulierung dieser Maßnahmen („kostendämpfende Änderungen betreffend Beitragssatz, Kontoprozentsatz, Anfallsalter, Pensionsanpassung und Anspruchsvoraussetzungen“), und noch dazu alles nur einfachgesetzlich, sodass die nächste Koalition den Mechanismus ganz einfach wieder aushebeln kann, sollte es ihr gerade nicht passen.
„Too little, too late greift das alles – die geburtenstärksten Jahrgänge gehen jetzt in Pension.“
Georg Renner
Too little, too late greift das alles – die geburtenstärksten Jahrgänge gehen jetzt in Pension, in sechs Jahren mit einer den „wohlerworbenen Rechten“ angemessenen Übergangsfrist anzupassen, ist schlicht zu spät: Dann ist es längst einzementiert, dass die Republik über Jahrzehnte ein gutes Fünftel des Bundesbudgets ausgeben wird, nur um das Pensionsniveau zu halten – und sich damit Spielraum für andere Reformen nimmt.
Das gesagt habend: Es ist ein kleiner Lichtblick, dass es diesen Automatismus überhaupt gibt. Denn auch, wenn er bescheiden bis dorthinaus ausfällt: Er ist ein erster, kleiner Systembruch.
Denn die traurige Wahrheit ist folgende: Unsere Gesellschaft – nicht nur Politik, sondern wir alle – ist in weiten Teilen darauf gebaut, dass es mit dem Wachstum immer weiter geht. Wir haben bisher schlicht kein Konzept, kein Rezept dafür, wie wir mit einer dauerhaften Schrumpfung umgehen. Die Idee, dass eines Tages die Bevölkerung nicht mehr wachsen könnte, dass wir weniger Stunden arbeiten und die verbleibenden Arbeitsstunden nicht mehr produktiver nutzen können: All das ist in unseren Strukturen, Ritualen und Gesetzen nicht so vorgesehen.
Morning in Brief
Das Wichtigste zum Start des Tages
Das Wichtigste zum Start des Tages.
Und zwar nicht, weil die Urväter des Sozialpartnerstaats in den 1950ern und 60ern sich klarerweise nicht vorstellen konnten, dass es nicht stetig bergauf gehen würde; die letzten Gesetze, die auf permanentes Wachstum bauen – die automatisierte Anpassung der Sozialleistungen an die Inflationsrate – sind gerade einmal zwei Jahre alt, beschlossen zu einer Zeit, in der all diese Trends bereits absehbar waren.
Jetzt ist es würdig und recht, mit aller Kraft daran zu arbeiten, dass Österreich wieder wächst, in Wirtschaft, Wohlstand, Bevölkerung und Produktivität, wie sich das alle vernünftigen politischen Kräfte wünschen.
Aber nicht langsam dafür zu planen, wie wir damit umgehen, wenn diese Hoffnung sich nicht manifestieren sollte – wenn die Geburtenraten niedrig bleiben, die Migration versiegt oder das Produktivitätswunder nicht eintritt zum Beispiel –, wäre fahrlässig.
Die „Nachhaltigkeitsklausel“ ist ein allzu kleiner Anfang – aber sie sollte Schule machen. Es wird wohl unpopulär sein, aber irgendwer wird die Bevölkerung darauf vorbereiten müssen, dass man nicht alles von den Pensionen bis zur Sozialhilfe weiterhin mindestens mit der Inflation erhöhen wird können, solange Bruttoinlandsprodukt und Staatseinnahmen hinterherhinken.
Sollte es gut ausgehen und das Werk bald wieder brummen, umso besser – aber generell wären weitere Ausgaben-Zielpfade und härtere Automatismen bei Überschreitung eine sinnvolle Sache.