Stromgesetz: Netzdienlichkeit senkt Kosten für Netzausbau

20. August 2025Lesezeit: 5 Min.
Kommentar von Christian Tesch

Christian Tesch ist Geschäftsführer von oecolution. Er war in vielen Aufgaben rund um politische Strategie und politisches Management tätig, zuletzt als selbstständiger Politikberater, davor als Direktor der Politischen Akademie der Volkspartei. oecolution ist die Klima-NGO der Wirtschaft. Sie setzt sich für eine nachhaltige Standortpolitik ein. Die Ziele der Klimawende sollen gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden, marktwirtschaftliche Instrumente sollen die notwendige Transformation unterstützen und vorantreiben.

Über 500 Stellungnahmen, eine intensive – und größtenteils konstruktive – öffentliche Diskussion über mehrere Wochen. Das Interesse am neuen Stromgesetz – dem Elektrizitätswirtschaftsgesetz, das die Grundlage für die Strominfrastruktur in Österreich bildet – ist groß. Und das zurecht: 20 Jahre alt ist das Betriebssystem fürs Stromnetz, ein umfassendes Update dringend notwendig.

Eine lange Zeit in der sich viel getan hat. Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger (in manchen Wochen erreicht Österreich bereits das 100%-Ziel) und dadurch die Dezentralisierung der Netzeinspeisung als große Herausforderung einerseits, die fortschreitenden Möglichkeiten der Digitalisierung als große Chance andererseits.

Betroffen von den Reformen ist das gesamte Ökosystem Strom: Vom größten Wasserkraftwerk bis zur kleinen Solaranlage, vom größten Industriebetrieb bis zum kleinen Haushalt, von der Hochspannungsleitung bis zum Zählerkasten. Verständlich also das große Interesse, die Vielzahl an Stellungnahmen.

Dominiert wurde die öffentliche Diskussion von wenigen Detailthemen, getrieben von Interessensvertretungen. Dass diese die Interessen ihrer Mitglieder vertreten, ist logisch und auch legitim. Der Gesetzgeber muss aber das große Ganze im Blick haben, eine Systematik die allen Anforderungen – vor allem der nach möglichst günstigem Strom für Haushalte und Betriebe – gerecht wird. Die Bundesregierung, federführend Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und Energie-Staatssekretärin Elisabeth Zehetner, hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der dies leistet. Dies wird in den allermeisten Stellungnahmen auch anerkannt.

Klar ist: das Stromnetz muss in den nächsten Jahren massiv ausgebaut werden. Zum einen, weil wir deutlich mehr Strom (statt Öl und Erdgas) brauchen werden. Und zum zweiten, weil sich die Struktur des Systems massiv ändert – statt wie bisher wenige Erzeuger (große Kraftwerke) gibt es immer mehr kleinere (Solar, Windkraft und andere). Die Erzeugung durch Sonne und Wind ist bekanntlich nicht so gleichmäßig, wie etwa bei Gaskraftwerken. Richten wir unser Stromnetz an den Spitzenzeiten (mittags an einem wolkenlosen und windigen Sommertag) aus, wird das richtig teuer. Und ineffizient. Die Kosten dafür werden auf alle Nutzer aufgeteilt – und diese Netzkosten sind ein großer Anteil auf der Stromrechnung. Würde maximal-dimensioniert ausgebaut, wäre Strom für alle teurer als notwendig.

„Richten wir unser Stromnetz an den Spitzenzeiten aus, wird das richtig teuer. Und ineffizient.“

Christian Tesch

Ein großes Ziel ist also, die Auslastung des Netzes möglichst gleichmäßig zu verteilen und Spitzen abzuflachen. Die Digitalisierung bietet technischen Lösungen, das neue Stromgesetz schafft den regulatorischen Rahmen dafür. „Netzdienliches Verhalten“ ist das große Leitmotiv des Gesetzesentwurfs. Vieles zahlt darauf ein: Intelligente, digitale Messpunkte, dynamische Tarife, bidirektionales Laden, Besserstellung für Speicher, Direktleitungen von Kraftwerken zu Unternehmen, Energiegemeinschaften und einiges mehr.

An zwei Maßnahmen, die gegen hohe Spitzenbelastungen wirken, gab es Kritik und Sorge. Auf den ersten Blick verständlich aus der Sicht der Betroffenen, auf den zweiten Blick aber sinnvoll und Kosten sind teils vermeidbar. Die Spitzenkappung (in geringem Ausmaß) lässt sich vermeiden, wenn man bei Erzeugungsspitzen nicht einspeist, sondern speichert. Batterien und andere Speicher werden von den Netzgebühren befreit. Und Netzentgelte für Einspeiser sind durchaus gerecht – derzeit werden 90% der Netzkosten von den Verbrauchern getragen, Netzinvestitionen sind aber auch wegen der Erzeuger notwendig. Auch hier gilt: Wer Überproduktion speichert, muss nicht einspeisen. Aber die Entgelte werden ohnehin moderat sein, wie die E-Control bereits angekündigt hat. Außerdem wird die direkte Weitergabe („peer-to-peer“) an Nachbarn endlich möglich, und das ohne Netzentgelte.

„Die Spitzenkappung (in geringem Ausmaß) lässt sich vermeiden, wenn man bei Erzeugungsspitzen nicht einspeist, sondern speichert.“

Christian Tesch

Ebenfalls wichtig für den Netzausbau: Bessere Koordination, in dem die Netzbetreiber ihre Ausbaupläne regelmäßig vorlegen und abstimmen müssen. Das sind immerhin über 100 an der Zahl (eigentlich unverständlich in einem Quasi-Monopol, aber das ist ein anderes Thema). Und die Abschreibedauer für Netzinvestitionen wird gestreckt, was die laufenden Kosten verringert.

Das neue Stromgesetz bringt auch mehr Wettbewerb für Private. Die unlesbaren Rechnungen müssen übersichtlicher werden, eine monatliche Abrechnung wird möglich und auf der Rechnung wird auf den Tarifkalkulator hingewiesen, mit dem man Anbieter einfach vergleichen kann. Das wird Druck auf die Großen machen, günstigere Tarife anzubieten. Größere Energieversorger müssen verpflichtend auch dynamische Tarifmodelle anbieten – Kunden können Strom dann verbrauchen, wenn viel da ist. Das ist dann billiger und vor allem auch netzdienlich.

Zusammengefasst kann man also sagen: Netzdienliches Verhalten zu fördern – bei Erzeugung, Speicherung und Verbrauch – ist das große Leitmotiv des neuen Stromgesetzes. Physik und Ökonomie statt Ideologie und Wunschdenken sind die Grundlage, ein großer Unterschied zu den gescheiterten Versuchen der letzten Jahre.

Einziger Wermutstropfen: Der Sozialtarif. Unternehmen werden gesetzlich gezwungen, bestimmte Preise anzubieten. Das ist energiepolitisch wenig relevant, aber ordnungspolitisch schlicht systemwidrig. Wenn man eine Unterstützung für sozial Schwache für sozialpolitisch notwendig hält, gibt es bessere Instrumente. Dies noch zu ändern, scheint aber unrealistisch, bestehen doch die SPÖ und ihr nahestehende Organisationen vehement darauf.

„Einziger Wermutstropfen: Der Sozialtarif. Unternehmen werden gesetzlich gezwungen, bestimmte Preise anzubieten.“

Christian Tesch

Konstruktive Vorschläge aus dem Begutachtungsverfahren können sicher rasch eingearbeitet werden, ohne Systematik und Ziele aufzugeben. Dann braucht die Bundesregierung noch die Zustimmung zumindest einer weiteren Parlamentspartei für die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Das sollte inhaltlich machbar sein, auch wenn immer die Gefahr politischer Kleinkrämerei besteht.

Was aber dann dringend notwendig ist: Unsicherheit nehmen durch klare Spielregeln der E-Control. Die muss es rasch nach Parlamentsbeschluss geben. Die E-Control wird durch das Gesetz gestärkt, damit muss sie verantwortungsvoll umgehen. Investitionen in Erneuerbare zahlen sich auch im neuen Strommarkt aus. Zurzeit herrscht allerdings Zurückhaltung, weil die Rahmenbedingungen zu unklar sind. Dem Gesetz müssen unmittelbar die Regeln und Tarife der E-Control folgen – dann können Investoren wieder fundierte Renditeberechnungen anstellen und Investitionsentscheidungen treffen. Die brauchen wir – für die Energiewende und für Wirtschaftswachstum.

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