Trump, Putin und das Europa-Kabarett

18. August 2025Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Rainer Nowak

Rainer Nowak ist CEO der Tageszeitung „Die Presse“. Zuvor war er Journalist und Ressortleiter für Wirtschaft und Politik bei der „Kronen Zeitung“ und davor Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer der Tageszeitung „Die Presse“.

Eine kleine Gedankenübung: Sie sind eine Führungskraft mit klingendem Namen. Dennoch werden Sie zu wichtigen Konzernmeetings und Klausuren nicht mehr eingeladen. Was machen Sie? Sie werden das Gespräch mit Ihren Kollegen suchen. Sollten Sie bemerken, dass Sie das Vertrauen verloren haben, werden Sie die Konsequenzen ziehen und sich einen neuen Job in einem anderen Unternehmen suchen.

Oder: Sie sind ein seit langem geschätztes Familienmitglied oder fester Bestandteil Ihres Freundeskreises. Dennoch werden Sie nicht mehr zu Feiern und Geburtstagen eingeladen. Was machen Sie? Sie suchen das Gespräch. Sollten Sie Gewissheit haben, dass Sie keine Zuneigung und Respekt mehr genießen, werden Sie auf Distanz gehen. Sie suchen sich neue Freunde. Mit der Familie ist das leider nicht so leicht, aber notfalls muss es auch ohne gehen.

Sollten Sie Europäer sein, machen Sie es ganz anders. Sie drehen völlig durch. Egal ob im Job oder privat: Wenn Sie keine zentrale Rolle mehr spielen, nicht mehr mit am Tisch sitzen dürfen, jammern Sie ohne Ende, suhlen sich im Selbstmitleid, beschimpfen Vorgesetzte, Kollegen, Verwandte und Freunde wegen der Ungerechtigkeit und bleiben das, was Sie schon immer waren und sind: ein trotziges Kind. So geschehen in den vergangenen Tagen rund um das Gipfeltreffen von Donald Trump und Vladimir Putin. Die beiden luden die Europäer nicht zu den dann vorerst gescheiterten Friedensgesprächen um den Ukraine-Krieg ein. Man konnte den Eindruck gewinnen, die Absenz der angeblichen Alliierten aus Europa sei gemeiner als die des Opfers, der Ukraine.

Mit der üblichen rituellen Inbrunst wurde Donald Trump zum Versager und Verlierer medial ausgerufen. Den angeblichen taktischen Erfolg Putins feierten die Medien mit der schon traditionellen Empörung. Dass es eine Annäherung gegeben hat, wurde schlicht verleugnet: Was nicht gefällt, kann nicht wahr sein. Denn natürlich steht eine zynische Einigung im Raum: Russland bekommt die eroberten Gebiete vermutlich plus noch nicht annektierter Flächen im Osten. Die Westukraine und Kiew bekommen einen brüchigen Frieden und eine angebliche Sicherheitsgarantie der USA; die man vermutlich erst nach Trump und JD Vance ernst nehmen kann. Das würde den Aggressor belohnen und die Ohnmacht Europas besiegeln. Aber es gibt dazu nur eine Alternative für Europa: Ab sofort jedes Stück Militärausrüstung zu packen und jede mietbare Söldnertruppe weltweit anzuheuern und alles in die Ukraine zu schicken. Oder gleich selbst eigene Soldaten einsetzen und einen Krieg mit Russland riskieren. Wird nicht passieren.

Aber dass die USA heute oder morgen aus dem Konflikt raus sind, muss allen Beteiligten klar sein. Entweder die EU übernimmt oder gibt auf. Die Kopfloses-Huhn-Taktik Brüssels, Berlins und Paris ist gescheitert. Wirtschaftssanktionen sind süß zu beschließen, bringen aber ohne Rest der Welt wenig bis nichts. Am Schluss wird sich leider die Herbert-Kickl-Linie durchsetzen: An Russland anbiedern, als Tourismusdestination auf die Rückkehr der großzügigen Geldgeber hoffen und wie Victor Orban den schneidigen Vasallen geben. Europa ist schlicht das alte neue Byzanz. Die Herrschaften aus dem Osten klopfen schon an.

Wir diskutieren derweilen von unten nach oben ernsthaft, ob man einen verurteilten Terroristen nach Syrien zurückschicken darf, ohne ihn dann vor Ort zu betreuen. Falsch, Europa und Österreich sind nicht die künftigen Tourismusziele der Welt, wir sind das Kabarettprogramm auf allen Kanälen weltweit und das jederzeit.

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