Viel heiße Luft um die heiße Luft
Christian Tesch ist Geschäftsführer von oecolution. Er war in vielen Aufgaben rund um politische Strategie und politisches Management tätig, zuletzt als selbstständiger Politikberater, davor als Direktor der Politischen Akademie der Volkspartei. oecolution ist die Klima-NGO der Wirtschaft. Sie setzt sich für eine nachhaltige Standortpolitik ein. Die Ziele der Klimawende sollen gemeinsam mit der Wirtschaft erreicht werden, marktwirtschaftliche Instrumente sollen die notwendige Transformation unterstützen und vorantreiben.
Die Weltklimakonferenz im brasilianischen Urwald ist voll im Gange. Aber geht auch was weiter? Man muss wohl fair sein und differenzieren. Zur COP30 kommen innerhalb von zwei Wochen etwa 50.000 Delegierte zusammen, aus Politik und Verwaltung, aus Wissenschaft und Forschung, aus Wirtschaft und Bürgergesellschaft. Bei unzähligen Side-Events werden konkrete Maßnahmen diskutiert, wird an echten Lösungen gearbeitet, werden Kontakte und Kooperationen gestartet. Das ist gut so.
Weniger gut fällt die Zwischenbilanz aus, wenn wir auf den „politischen” Teil blicken. Jenen Ausschnitt, der – nahezu exklusiv – im Zentrum der medialen Berichterstattung steht. In diesen Debatten geht es um Verpflichtungen, Vorschriften, Verhandlungen. Und um den Einsatz öffentlicher Gelder. Staatliches Geld aber ist nichts anderes als Geld des Steuerzahlers. Hart erarbeitet von vielen Menschen. Da der Klimawandel nun mal nicht wegverhandelt werden kann, verkommen diese Verhandlungen zum praxisfernen Selbstzweck, bilden ein selbstreferenzielles System im Dreiklang Politik, Medien und Klimabewegung. Nicht der Weg ist das Ziel, sondern die Diskussion. Gesucht werden Schuldige (sehr gerne: erfolgreiche Marktwirtschaften), nicht Lösungen. Argumentiert wird moralisch, nicht technologisch oder gar ökonomisch.
Dem Klima ist es bekanntlich egal, wo CO2 emittiert wird.
Christian Tesch
Die Medien lieben das. Das Netzwerk Klimajournalismus fordert ganz unverblümt und unjournalistisch Parteinahme durch Medien, Geschichten mit Helden und Bösewichten werden empfohlen. Naheliegend, wer wohl die Bösewichte sein sollen. Und der ORF kommt dem gerne nach: Wer andere Meinungen vertritt, wird der „Desinformation“ bezichtigt, wer sich etwa um Wohlstand sorgt, wird als Klimaskeptiker diffamiert. Worüber sollte stattdessen diskutiert, an welchen Lösungen sollte gearbeitet werden, welche politischen Maßnahmen könnten wirkliche Erfolge bringen?
Für Ökonomen liegt es auf der Hand: Ein Preis fürs CO2. Also Zertifikate, die im Laufe der Jahrzehnte immer weniger werden. Wer weniger CO2 emittiert, als er Zertifikate hat, kann sie verkaufen. Wer (noch) mehr braucht, muss sie kaufen. Ein lupenreines marktwirtschaftliches System. Innovationsfördernd und maximal effizient. Oder anders gesagt: Wenn man mit Klimaschutz Geld verdienen kann, kommt die Klimawende ganz von selbst.
Aber es funktioniert nur global. Wenn manche Länder und Regionen dabei sind und andere nicht, führt das zu Wettbewerbsnachteilen. Das erleben wir gerade, auf Kosten des europäischen Wohlstandes. Produziert (und damit Geld verdient, Wohlstand geschaffen) wird anderswo. Dem Klima hilft das gar nichts, ganz im Gegenteil: Es wird produziert, wo der CO2-Ausstoß größer ist, als er in Europa wäre. Und dem Klima ist es bekanntlich egal, wo CO2 emittiert wird. Moralische Vorreiter werden nicht verschont.

Würde Europa den Kampf gegen den Klimawandel ernst nehmen, müsste es sich für ein derartiges weltweites Modell einsetzen. Anders als der erhobene Zeigefinger oder die moralische Überheblichkeit würde das wirkliche Lösungen bringen. Leider hört man davon nichts. Wohl deshalb, weil es schlicht nicht diskutiert wird.
Wie immer in einer Marktwirtschaft gilt: Es wird Unternehmen geben, die innovativer und erfolgreicher sind und auch welche, die am Wandel scheitern. So war es immer, wenn es neue Technologien gab. Im Ergebnis ist das aber gut für die Volkswirtschaft. Für Arbeiten an der Theorie am theoretischen Konzept hinter dieser optimistischen Einschätzung – dem vom österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter geprägten Konzept der „kreativen Zerstörung“ – wurde heuer sogar der Wirtschafts-Nobelpreis vergeben.
Wozu eine Welt-Klimakonferenz noch dienen kann, ist der Blick auf Wege in anderen Weltregionen. Das sei besonders europäischen Vertretern ans Herz gelegt. Sie stehen ja im Ruf, die Welt lieber als Besserwisser zu bereisen, denn als Lernende – nicht nur in Klimafragen. Mit dem Blick auf andere Weltregionen meine ich nicht den erschreckten und abfälligen Blick auf die USA. Über dortige aktuelle klimapolitische Entwicklungen kann man sich zu Recht ärgern. Ändern scheint ungleich schwieriger. Europa kann weder mit militärischer noch wirtschaftlicher Macht aufwarten.
Vielmehr denke ich an China. In gewisser Weise entwickelt sich China zum globalen Vorreiter der Klimawende. Und das mit wirtschaftlichem Erfolg. China hat schon vor einigen Jahren kluge strategische Entscheidungen getroffen, darunter die Konzentration auf Zukunftstechnologien der Klimawende: Photovoltaik, E-Mobilität, Batterien. Dazu die Hand auf dafür notwendige „Seltene Erden“. Jetzt sind sie Weltmarktführer, ohne China keine Klimawende. Gleichzeitig schaffen sie damit Wohlstand im eigenen Land.
In gewisser Weise entwickelt sich China zum globalen Vorreiter der Klimawende.
Christian Tesch
All das ist nicht zufällig passiert, sondern folgt einem Plan. Dem inzwischen berühmt-berüchtigten Fünf-Jahres-Plan. Der sollte nicht missverstanden werden als Abbild der sowjet-kommunistischen Fünf-Jahres-Pläne. Vielmehr ist er eine durchdachte Industriestrategie.
Klingelt da was? Ja, es gibt eine europäische Industriestrategie, aber die besteht mehr aus blumigen Absichtserklärungen als aus konkreten Maßnahmen. Und auch Österreich soll bald eine Industriestrategie bekommen. Ein Blick nach China lohnt sich vielleicht, um zu sehen, wie man Industriepolitik, Klimawandel-Technologie und Wohlstand gemeinsam denken kann.