Was wenn mehr Menschen das machen würden, was sie gut können?

Der Genetiker Markus Hengstschläger ist Leiter des Instituts für Medizinische Genetik und Organisationseinheitsleiter des Zentrums für Pathobiochemie und Genetik an der Medizinischen Universität Wien und u.a. auch stellvertretender Vorsitzender der österreichischen Bioethikkommission, Aufsichtsratsvorsitzender der Gesellschaft für Forschungsförderung Niederösterreich, Kuratoriumsmitglied des Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds und Gründer und Leiter des Symposiums „Impact Lech“.
Der Fachkräftemangel beschäftigt die heimische Wirtschaft bereits jetzt in hohem Maße und wird laut Prognosen in Zukunft noch massiv zunehmen. Die Ursachen dafür sind vielfältig. Beispielsweise nimmt die Erwerbsbevölkerung aufgrund sinkender Geburtenraten und einer alternden Bevölkerung ab. Zu wenige Menschen weisen jene Qualifikationen auf, die im Zuge der digitalen Revolution unverzichtbar geworden sind. Fachkräfte wandern im globalen Wettbewerb in andere Länder ab. Und zu guter Letzt münden Stammtischdiskussionen dann häufig noch mit einem „Die Menschen wollen einfach nicht mehr arbeiten“ in die höchste Klasse emotionaler Erregtheit. Sehr oft bemängeln dabei die Älteren die Arbeitsmoral der Jüngeren, etwa der ab 1997 geborenen „Generation Z“.
Wir dürfen bei diesen Diskussionen jedenfalls nicht außer Acht lassen, dass unattraktive Arbeitsbedingungen, zu wenig Anerkennung und Autonomie, starre Hierarchien, schlechte Bezahlung, oder etwa Mangel an Kinderbetreuung dabei eine entscheidende Rolle spielen können. Dennoch wird oftmals argumentiert, dass die jüngeren Generationen Arbeit nur mehr als notwendiges Übel sehen und neben flexibleren Arbeitsbedingungen und Homeoffice auch nur mehr Teilzeitbeschäftigung anstreben. Zumindest für den mir gut bekannten zugegebenermaßen kleinen Ausschnitt der Studierenden, die mir seit vielen Jahren an der Universität begegnen, kann ich das nicht bestätigen. Ja junge Menschen mögen vielleicht andere Vorstellungen vom Sinn ihrer Arbeit haben und legen vielleicht mehr Wert auf eine ausgeglichene Work-Life-Balance und weniger Wert auf die Höhe des Gehalts. Sie wollen also vielleicht einfach anders arbeiten.
Unbestritten bleibt, dass man jetzt schon darüber nachdenken sollte, wie man dem in Zukunft drohenden großen Fachkräftemangel begegnen kann. Vieles kann und soll getan werden. Laut Expertinnen und Experten müssen jetzt bereits unverzüglich Maßnahmen gesetzt werden, um beispielsweise die Arbeitsproduktivität zu steigern (etwa über Digitalisierung), um finanziellen Fehlanreizen zu begegnen, um die Erwerbsbeteiligung von Frauen und älteren Menschen zu erhöhen, oder um ausländische Fachkräfte nach Österreich zu holen. Und selbstverständlich führt kein Weg an entsprechenden Bildungs- und Ausbildungskonzepten vorbei.
Ganz aktuell ist ein Buch erschienen, das mich wieder einmal daran erinnert, dass der Mensch in jenen Bereichen mit besonderer Freude arbeitet, und auch bereit ist besondere Leistungen zu erbringen, in denen er besonders gut ist. Unsere Chancen auf Erfolg und Zufriedenheit im Beruf steigen, wenn die Tätigkeiten mit unseren Begabungen zusammenpassen. Genau genommen sind zwei Bücher erschienen. Einerseits die Neuauflage des Werks „Mach was du kannst. Warum wir glücklicher und erfolgreicher sind, wenn wir unseren Begabungen folgen – und nicht nur unseren Interessen“ des renommierten Professors für Psychologie Aljoscha Neubauer. Und andererseits das von ihm gemeinsam mit Dr. Barbara Weissenbacher unter dem Titel „Mach was du kannst. Entdecke deine Begabungen und finde den Job, der dich glücklich und erfolgreich macht“ veröffentlichte begleitende Workbook.
Oft wenn man davon spricht, dass Begabungen auch genetische und frühkindlich mitgeprägte Potenziale sind, die aber nur durch Wissenserwerb und Üben in eine besondere Leistung entwickelt werden können, wird man gefragt „Aber woher soll ich wissen wo meine Begabungen liegen?“. Auch wenn ich immer sage, dass es umso besser ist, umso früher (im Kleinkindalter, in der Elementarpädagogik etc.) man mit Talententdeckung und Begabungsförderung beginnt, so ist es andererseits vielleicht auch nie zu spät dafür. Und das gerade erschienene Workbook mit vielen praxisnahen Selbsttests und Checklisten kann neben Selbsteinschätzung (der Mensch ist nur leider nicht sehr gut darin, die eigenen Talente richtig einzuschätzen) oder etwa der Hilfestellung von Eltern, Freunden oder Mentoren eine wertvolle Unterstützung bei der Suche nach seinen Begabungen und seinem Beruf sein. Was hätte das für einen Impact auf die zukünftige Arbeitswelt, wenn mehr Menschen das machen würden, was sie gut können in dem Job, der sie glücklich und erfolgreich macht – ob jung oder alt?