Welthandel? Jetzt erst recht!

Georg Renner ist freier Journalist in Niederösterreich und Wien mit Fokus auf Sachpolitik. Er publiziert unter anderem für „Datum“ und „WZ“, zuvor war er nach Stationen bei der „Presse“, „NZZ.at“ und „Addendum“ Innenpolitikchef der „Kleine Zeitung“.
Knapp zwei Wochen ist es her – noch bevor US-Präsident Donald Trump mit Kanada, Mexiko und China seinen Strafzoll-Rundumschlag in Gang gesetzt hatte, dass der ehemalige deutsche Grünen-Abgeordnete Volker Beck twitterte: „Dass TTIP gescheitert ist, werden wir teuer bezahlen. An dem Fehler war ich beteiligt.“
TTIP, das wäre die Transatlantic Trade and Investment Partnership gewesen, das „Freihandelsabkommen“ zwischen der EU und den USA, das zum Beispiel Zölle abgebaut, Schiedsverfahren geregelt oder Standards angeglichen hätte. Die Verhandlungen darüber hatten 2013 begonnen, wurden aber formal 2016, nach dem ersten Amtsantritt Trumps im Weißen Haus, eingefroren. De facto galt das Abkommen zu dem Zeitpunkt auf europäischer Seite aber schon als gescheitert. Zahlreiche NGO, Lobbygruppen und Parteien – tendenziell linke wie Becks Grüne – hatten über Jahre europaweit über Jahre Stimmung dagegen gemacht.
Das Niveau der Diskussion über TTIP damals lässt sich am ehesten als „unterirdisch“ zusammenfassen. Im tendenziell boulevardaffinen Österreich war vor allem die Sorge verbreitet, dass „Chlorhendl“ aus den USA fortan den heimischen Fleischmarkt überschwemmen würden, sollte das Abkommen unterzeichnet werden – ganz so, als ob Konsumenten nicht selbst entscheiden würden, zu Lebensmitteln welcher Herkunft sie greifen würden.
Jetzt kann man lange über einzelne Passagen des damaligen Entwurfs diskutieren – aber dass der besonders in Österreich weit verbreitete prophylaktische Horror vor dem Handel mit der Welt übertrieben ist, zeigt sich sowohl an älteren Beispielen wie unserem Beitritt zur EU-Freihandelszone wie auch an neueren, etwa dem Abkommen mit Kanada, CETA: Angesagte Horrorszenarien von der Blutschokolade bis zum Raubbau an unserer Natur fanden nicht statt, dafür hat Österreichs Exportwirtschaft klar profitiert. Und, da hat Beck recht: Auch TTIP wäre wohl ein Gewinn für uns gewesen.
Jetzt kann man einwenden, gegen Trumps Zoll-Wahnsinn, mit dem er die USA wahlweise ins Zeitalter des Merkantilismus zurücklenkt oder zumindest Druck für politische Zugeständnisse auf seine Partner ausübt, hätte auch so ein Abkommen nichts geholfen: Kanada und Mexiko sind mit den USA schließlich auch im USMCA (dem Nachfolgeabkommen zu NAFTA) verbunden, die Zolldrohungen kamen trotzdem.
Das stimmt – wenn ein Staat beschließt, alle Regeln zugunsten kurzfristiger Scheinsiege zu ignorieren, hilft das beste Abkommen nichts. Aber die meisten Staaten tun das eben nicht, sondern halten sich an den Grundsatz „pacta sunt servanda“, Verträge sind einzuhalten.
Und genau deshalb ist es wichtig, dass Österreich sich im Rahmen der EU jetzt nicht auf einen „jeder kämpft für sich“-Posten zurückzieht, weil die USA sich partout auf ein Zeitalter der Handelskriege versteifen. Im Gegenteil: Die Antwort auf wenige Rowdys muss sein, dass sich die fairen Spieler noch stärker zusammentun.
Konkret heißt das, den prinzipiellen Widerstand gegen anstehende Handelsverträge wie das Mercosur-Abkommen mit den Staaten Südamerikas aufzugeben – und noch mehr Engagement dahinter zu stellen, weiter Abkommen mit der Welt zu schließen.
Österreich, wo fast jeder zweite Euro im Export erwirtschaftet wird, profitiert von einem offenen, Welthandel, in dem nicht das Recht des Stärkeren, sondern klare, festgeschriebene Regeln regieren. Das sollte sich unsere Politik – und ganz besonders die Regierungsverhandler – zu Herzen nehmen und nicht die Fehler von TTIP damals wiederholen.