Wer Energie-Erzeugung belastet, zahlt doppelt

Barbara Schmidt ist seit 2007 Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, der Interessenvertretung von Österreichs E-Wirtschaft. Davor war sie unter anderem in der Rechtsabteilung der E-Control Austria und als Klubreferentin im österreichischen Parlament tätig. Sie hat das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien absolviert. Sie ist Coach und Mediatorin.
Der Begutachtungsentwurf des Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) sorgt aktuell für intensive Debatten – zu Recht, denn der Gesetzesvorschlag ist ein wichtiger Schritt hin zu einem modernen und funktionalen Stromsystem. Um die Transformationskosten im Energiesystem zu dämpfen, brauchen wir klare Signale in Richtung eines systemdienlichen Verhaltens. Wer Strom dann produziert, wenn er gebraucht wird, und ihn dann verbraucht, wenn viel günstige, erneuerbare Energie verfügbar ist, soll künftig belohnt werden. Die geplante Spitzenkappung und die Einführung leistungsbezogener Netzentgelte sind in diesem Zusammenhang wichtige Schritte. So weit, so richtig.
Viel weniger zielführend ist hingegen der Vorschlag, einspeiseabhängige Netzentgelte für Erzeuger einzuführen. Was auf den ersten Blick wie eine fairere Verteilung von Kosten aussieht, wird sich am Ende als teurer Irrtum entpuppen. Denn statt Entlastung für Verbraucher drohen Wettbewerbsverzerrungen, Standortnachteile und ein Rückgang inländischer Investitionen. Neben PV- und Windkraft-Anlagen wären davon auch die Wasserkraftwerke betroffen, die seit Jahrzehnten das Fundament der heimischen Stromproduktion bilden und einen wichtigen Beitrag zu unserer Versorgungssicherheit leisten. Gerade die großen Anlagen, die schon jetzt ihren Teil zu den Netzkosten beitragen, würden durch zusätzliche Belastungen gegenüber Anbietern in Nachbarländern ins Hintertreffen geraten. Die Folge: weniger Erzeugung in Österreich und mehr Stromimporte – mit negativen Auswirkungen auf Versorgungssicherheit, Wertschöpfung und Klimabilanz.
„Gerade die großen Anlagen, die schon jetzt ihren Teil zu den Netzkosten beitragen, würden durch zusätzliche Belastungen gegenüber Anbietern in Nachbarländern ins Hintertreffen geraten.“
Barbara Schmidt
Noch gravierender sind die langfristigen Effekte: Durch neue Belastungen verlieren auch Investitionen diesseits der Grenze an Attraktivität. Dabei könnte man gerade mit dem konsequenten Ausbau der heimischen Erzeugung das Problem hoher Preise an der Wurzel lösen, ohne die Versorgungssicherheit zu beeinträchtigen. Den Kunden wiederum würde eine Neuverteilung der Tarife wenig bringen – denn über steigende Großhandelspreise würden die zusätzlichen Kosten für Erzeuger den Weg am Ende wohl erst wieder auf viele Stromrechnungen finden. Aus einer vermeintlichen Entlastung wird so eine mehrfache Belastung – durch Marktverzerrungen, geringere Wettbewerbsfähigkeit und schwindende Wertschöpfung.
Der europäische Strommarkt ist seit vielen Jahren ein Erfolgsmodell – allein Österreichs Haushalte und Unternehmen haben durch ihn seit der Liberalisierung rund 13 Milliarden Euro gespart. Doch die Energiekrise hat gezeigt, dass wir uns nicht allein darauf verlassen können. Wer Versorgungssicherheit und wettbewerbsfähige Preise will, muss heute investieren: in saubere heimische Erzeugung, in leistungsfähige Netze, in Speicher und Digitalisierung. Dafür braucht es keine zusätzlichen Hürden, sondern ein verlässliches Umfeld mit Planungssicherheit.
Denn eines ist sicher: Die Transformation des Systems gelingt nur mit einem starken Fundament – und nicht mit neuen Belastungen für jene, die sie vorantreiben sollen.