Wie die „Made in China“-Strategie China in 10 Jahren unabhängiger machte

Bernhard Seyringer ist Politikanalyst. Seine thematischen Schwerpunkte fokussieren „Strategic Foresight“ und „Neue Technologien und Internationale Politik“. Seyringer ist zudem Experte für digitale Geopolitik.
Im Mai 2015 hat die chinesische Führung die Smart Manufacturing-Strategie „Made in China 2025“ verabschiedet. Das Ziel war, die Fertigungskapazitäten Chinas deutlich zu verbessern und die Abhängigkeit von internationalen Anbietern und Märkten zu reduzieren. Da es aber kein „Zoll“ war, hat man die darin liegende Kampfansage im Westen meist nicht verstanden. Wie prognostiziert, sind die negativen Auswirkungen auf die deutsche und österreichische Industrie bereits deutlich zu spüren. Für China wurde die Strategie, vor allem wegen der komplementär wirkenden Industriepolitik der EU zum eindeutigen Erfolg.
Chinas Industriepolitik
Mit der Ausweitung der Exportlizenzen-Regulierung auf den Bereich EDA (Electronic Design Automation) -Software für die Chip-Herstellung vergangene Woche, hat die US-Administration mitten in die „Chokepoint“-Technologien getroffen, bei denen China von internationalen Anbietern noch fast vollständig abhängig ist. Damit kommt einer der längsten Hebel im Technologiewettbewerb zwischen China und den USA zum Einsatz. Der Weltmarkt in diesem Sektor wird von drei US-Unternehmen dominiert. Selbst am Heimmarkt erreichen chinesische Anbieter keine 20 Prozent Marktanteil. Damit wurde eine der wenigen Branchen getroffen, in denen keine deutlichen Fortschritte in Richtung technologischer Souveränität zu verbuchen sind. Das ist eine bittere Erkenntnis für die Führung in Peking. Zehn Jahre nach Veröffentlichung von „Made in China 2025“.
„Made in China 2025“ (MIC 2025) ist ein Zehnjahresplan, der genau diese Abhängigkeiten von internationalen Anbietern deutlich reduzieren sollte. Es ging um die sprungartige Verbesserung der Produktionskapazitäten des Landes in zehn ausgewählten Industriesektoren. Mit den zusätzlichen „Roadmaps“ vom Oktober 2015 und Frühling 2017 wurden für chinesische Unternehmen branchenabhängig klare Ziele am Heimmarkt festgelegt: Von 10 Prozent bei Passagierflugzeugen bis 90 Prozent bei Elektroauto-Komponenten, Eisenbahntechnologie und Agrartechnologien.
Obwohl etliche Anleihen beim deutschen Konzept von „Industrie 4.0“ genommen wurden, unterscheiden sich die Ziele doch deutlich: MIC 2025 war von Anfang an sehr strategisch gedacht und zielte auf Marktverdrängung, oder zumindest Schwächung internationaler Unternehmen am chinesischen Markt und auf die Absorption ganzer Wertschöpfungsketten ab. Das bereits 2006 vorgegebene Staatsziel, der „indigenous innovation“- „Technologische Souveränität“ – bildete hierfür die Leitlinie.
„MIC 2025“ ist seit 2018 aus den offiziellen Reden und Papieren der Führung des Landes verschwunden, da zumindest die USA begonnen haben, auf die handelspolitische Kampfansage aus Peking zu reagieren. Die Ziele wurden aber sowohl in den 14. Fünfjahresplan (2021-2025) als auch in viele weitere Strategiepläne inkludiert.
War „MIC 2025“ erfolgreich?
In den Bereichen Eisenbahntechnologie, Agrartechnologie, Erzeugung Elektrischer Energie, mit Ausnahme der Nukleartechnologie, wurden sämtliche Ziele erreicht. In vielen Bereichen der Informationstechnologie konnten deutliche Durchbrüche verbucht werden: Eine Vielzahl an unterschiedlichen Chips wird jetzt von chinesischen Herstellern entwickelt und produziert, auch wenn das Ziel von 40 Prozent Eigenversorgungsquote nicht erreicht wurde. Auch 80 Prozent der Smartphones, Computer und Server werden mittlerweile „indigenous“ herstellt. Noch bedeutender ist, dass es gelungen ist, die vollständige Wertschöpfungskette bei „Legacy Chips“ (Chips größer 28nm-Technologie), vom Rohstoff bis zum fertigen Chip, ausschließlich mit chinesischer Technologie abzubilden. Diese Halbleiterelemente sind zwar weit entfernt vom technologischen cutting-edge, aber es handelt sich dabei immerhin um die meist-verbauten Chips. China wird damit spätestens 2027 den Weltmarkt fluten und westliche Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen stellen.
„China wird mit den meist-verbauten Chips spätestens 2027 den Weltmarkt fluten.“
Bernhard Seyringer
Anders verhält es sich bei unterschiedlichen Komponenten in der Luftfahrttechnologie, insbesondere Passagierflugzeuge: Das gesetzte Ziel von 10 Prozent Markanteil in China wurde nicht erreicht, auch bei Materialtechnologien und Biotechnologien wurden die gesetzten Ziele oft weit verfehlt.
Nicht unwesentlich: Nach wie vor verweigert eine Vielzahl chinesischer Unternehmen der Führung die Kooperation, beim Streben nach „technologischer Autonomie“ und entscheidet sich für die meist qualitativ-besseren Produkte internationaler Anbieter.