WKÖ: Die Ruhe nach dem Sturm

12. November 2025Lesezeit: 3 Min.
Kommentar von Gerald Loacker

Gerald Loacker ist Jurist und geschäftsführender Gesellschafter bei der BWI Unternehmensberatung GmbH, die auf Vergütungssysteme und Gehaltsvergleiche spezialisiert ist. Außerdem arbeitet er als Sachverständiger für Berufskunde, Arbeitsorganisation und Betriebsorganisation. Bis Oktober 2024 war er als Abgeordneter zum Nationalrat in den Bereichen Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wirtschaft sowie als stellvertretender Klubobmann der NEOS tätig.

Ein Sturm der Entrüstung ist über die Wirtschaftskammerorganisation hinweggefegt, weil ihre Beschäftigten aus der heurigen KV-Runde mit dem höchsten Prozentsatz aller Branchen aussteigen. Der Sturm hinterlässt allerdings keine Schäden. Stabil und unbeeindruckt steht der Koloss Wirtschaftskammer da, nachdem sich das Brausen gelegt hat: mit weiterhin teuren Kammerumlagen, der 4,2%-igen Gehaltserhöhung der WK-Beschäftigten, den zwei Milliarden Euro an Rücklagen und den exorbitanten Erhöhungen der Bezüge vieler Funktionäre. Alles bleibt, wie gehabt. Einzig im Generalrat der Nationalbank, die sich nicht einmal an der Peripherie des Sturmes befand, kommt es kollateral zu einem Personalwechsel.

Manche Beobachter fragen sich, wie es das alles geben kann: Keine Konsequenzen für irgendetwas oder irgendjemanden. Aber so funktioniert das Kammerwesen in Österreich. Es gibt zwar Kontrolle, aber keine funktionierende:

1. Der Kontrollausschuss

Als eine Art interne Revision prüft der Kontrollausschuss die eigene Kammer. Vorgesetzt ist den dortigen Beschäftigten dienstrechtlich der Direktor der jeweiligen Kammer. Was immer dieser Kontrollausschuss aufdeckt, landet in einem internen Kontrollbericht, unterliegt der Verschwiegenheit, soll daher niemals an die Öffentlichkeit gelangen. Kontrolle, die geheim bleibt, kann allerdings keine Wirkung entfalten.

Kontrolle, die geheim bleibt, kann keine Wirkung entfalten.

Gerald Loacker

2. Der Rechnungshof

Nach den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit prüft der Rechnungshof Organisationseinheiten des öffentlichen Sektors. Bei Kammern ist die Prüfung allerdings auf die Elemente Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit beschränkt. Die Zweckmäßigkeit darf er nicht prüfen. Will man jedoch die Sparsamkeit von Maßnahmen prüfen, ohne deren Zweckmäßigkeit mit in Betracht zu ziehen, bleibt wenig übrig. Vielleicht waren die Inserate nicht sparsam, aber man kann ja ihre Zweckmäßigkeit behaupten. Darüber hinaus sind die zahlreichen Tochter-GmbHs von Kammern zur Gänze der Prüfkompetenz des RH entzogen. Schon Josef Moser hatte als Rechnungshofpräsident die schwache Position des RH gegenüber Kammern bemängelt. Ohne Folgen.

3. Die Aufsicht

Die Aufsicht über die meisten Kammern liegt bei einem Bundesministerium, im Fall der WK beim Wirtschaftsministerium. Diese Aufsichtsrechte sind an sich schon bescheiden ausgestaltet. Wenn der Kammerpräsident und der zuständige Minister zur selben politischen Farbe gehören, schaltet die politische Realität den letzten Rest an Kontrolle aus, sodass selbst ein verurteilter Wahlbetrüger unter dem sehenden Auge der ministeriellen Aufsicht Kammerfunktionär bleiben darf.

Wenn schon die Kontrolleinrichtungen zahnlos sind, „dann wählt halt solche Funktionäre ab“, möchte man den Unternehmern ausrichten. Doch das Wahlrecht in der WK gibt das nicht her: Die Gewerbeschein-Inhaber wählen nur ihre Vertreter in der jeweiligen Fachgruppe. Darauf, wer sie dann in Sparte, Landeskammer und Bundeskammer vertritt, haben sie homöopathischen Einfluss.

Sich selbst die Bezüge erhöhen

Drei Kontrolleinrichtungen bestehen also, sind aber völlig zahnlos. Dazu kommen kammerinterne Mechanismen, die es außerhalb der Kammerwelt nicht gibt. So können die Präsidien der Landes-Wirtschaftskammern eine Erhöhung der eigenen Bezüge beschließen. Das kann kein Vorstand einer AG, kein Geschäftsführer einer GmbH: Deren Erhöhungen beschließen andere. Nur ein Kammerpräsidium kann das für sich selbst. In der WK Steiermark, wo darüber hinaus alle Präsidiumsmitglieder derselben Fraktion angehören, ist das 2022 und 2025 so geschehen, was dem WK-Präsidenten eine Erhöhung der Bezüge um 145 % in drei Jahren beschert, nämlich von 4.416,90 Euro auf 10.827,55 Euro. Das mache zwar „keinen schlanken Fuß“, ist aber ansonsten egal.

All das regt die Republik vielleicht kurz auf. Aber die Österreicher sind an vieles gewöhnt. Und sie wissen: Die Verfassung schützt den Status der Kammern.

Wieder ist ein Sturm vorbeigezogen.

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