Zu spät für die Pension – noch Zeit für die Pflege?

26. Mai 2025Lesezeit: 4 Min.
Kommentar von Gerald Loacker

Gerald Loacker ist Jurist und geschäftsführender Gesellschafter bei der BWI Unternehmensberatung GmbH, die auf Vergütungssysteme und Gehaltsvergleiche spezialisiert ist. Außerdem arbeitet er als Sachverständiger für Berufskunde, Arbeitsorganisation und Betriebsorganisation. Bis Oktober 2024 war er als Abgeordneter zum Nationalrat in den Bereichen Arbeit, Soziales, Gesundheit und Wirtschaft sowie als stellvertretender Klubobmann der NEOS tätig.

Im ersten Quartal 2025 verzeichnete der Bundeshaushalt ein Defizit von über 7,5 Milliarden Euro. Mehr als 6,6 Milliarden Euro flossen in Pensionszuschüsse – ein bezeichnendes Signal für die Schieflage unseres umlagefinanzierten Pensionssystems. Und es kommt noch dicker: Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer treten in diesen Jahren sukzessive in den Ruhestand. Die Zahl der Pensionisten wird steigen, während gleichzeitig deutlich weniger Erwerbstätige für die Finanzierung zur Verfügung stehen.

Linke Stimmen verweisen gerne auf das Jahr 2070: Dann, so die Argumentation, entspanne sich die demografische Lage wieder, weil auf die Boomer schwächere Jahrgänge folgen. Das stimmt in der Theorie, bringt uns aber in der Praxis nichts. Denn die Kostenlawine rollt jetzt an, nicht in 45 Jahren. Die finanzielle Schieflage ist heute real, nicht hypothetisch.

Die Wahrheit ist: Das letzte Zeitfenster, um gegenzusteuern, hat sich gerade geschlossen. Noch vor wenigen Jahren wäre es möglich gewesen, die wachsenden Pensionskosten der Boomer-Generation zu mildern, etwa durch einen frühzeitig wirksamen Nachhaltigkeitsmechanismus, wie ihn das aktuelle Regierungsprogramm ab dem Jahr 2035 vorsieht. Doch bis dieser greift, sind die Boomer in Pension, mit hoher Lebenserwartung und großzügigen Leistungszusagen. Österreich hat es verschlafen.

Ältere Menschen haben naturgemäß einen größeren Bedarf an Gesundheitsleistungen, wodurch die Ausgaben für den Gesundheitssektor ebenfalls steigen werden. Allerdings ergeben sich diese Aufwände auch aus innovativen Medikamenten und besseren technischen Geräten, die den jungen Alterskohorten genauso zugutekommen.

Das nächste Problem, das spezifisch die Älteren betrifft, ist aber mindestens so groß: Diese zweite Welle kommt mit Verzögerung, dann nämlich, wenn viele der heutigen Pensionisten pflegebedürftig werden. Statistisch geschieht das etwa 20 Jahre nach dem Pensionsantritt. Wenn wir also jetzt nichts tun, werden nach den explodierenden Pensionskosten auch noch die Pflegekosten als nächste Milliardenlast an die junge Generation weitergereicht. Es ist eine Frage der Fairness, diesem Szenario rechtzeitig entgegenzuwirken.

Dafür kommen mehrere Lösungen in Frage. Zwei seien hier kurz angerissen:

  1. Pflegeversicherung mit Eigenbeitrag
    Wer keine private Pflegeversicherung nachweisen kann, sollte einen Pflegekostenbeitrag in Höhe von 1,65 % seiner Pension leisten. Das ist exakt die Ermäßigung, die Pensionisten aktuell gegenüber Arbeitern und Angestellten in der Krankenversicherung genießen: Arbeitnehmer zahlen 7,65 %, Pensionisten nach Erhöhung des Beitragssatzes durch die aktuelle Regierung immer noch vergleichsweise bescheidene 6,00 %. Wer nicht vorsorgt, sollte sich also zumindest in diesem Umfang an den künftigen Pflegekosten beteiligen.
  2. Wiedereinführung des Pflegeregresses
    Der Pflegeregress wurde 2017 aus wahltaktischen Motiven abgeschafft. Seither gilt: Stationäre Pflegekosten werden unabhängig vom Vermögen der Betroffenen voll aus Steuermitteln bezahlt. Das bedeutet in Generationensprache: Auch hier zahlen wieder die Jungen – und zwar für die Pflege der Alten. Der frühere Regress stellte sicher, dass zuerst das eigene Vermögen zur Finanzierung herangezogen wurde. Nur der Fehlbetrag war von der Allgemeinheit zu tragen.

Das gern bemühte Gegenargument, der Pflegeregress bestrafe die Sparer, hält einer genaueren Prüfung nicht stand. In Wahrheit bestraft die aktuelle Regelung wieder jene, die gar nicht mehr sparen können, weil ihnen die erdrückend hohen Steuern bereits jeden Spielraum nehmen. Der Staat finanziert aus ihrem Einkommen die Pflegekosten derer, die ihr eigenes Vermögen unangetastet lassen dürfen.

Ein weiteres Problem: Die Abschaffung des Regresses hat einen massiven Fehlanreiz geschaffen. Für viele Familien ist es seither ökonomisch naheliegender, ältere Angehörige ins Heim zu geben, wo sämtliche Kosten von der öffentlichen Hand übernommen werden, statt sie zuhause zu betreuen. Dort bleiben viele Leistungen weiterhin privat zu finanzieren. Der Staat hat mit dieser Regelung gewissermaßen den Opa verstaatlicht.

Dass die Alten viele sind, ist nicht die Schuld der Jungen. Dass die Jungen wenige sind, ist auch nicht die Schuld der Jungen. Die Generation, die zu wenige Kinder bekommen hat, darf nicht alle daraus resultierenden Probleme an die Folgegenerationen abschieben.

Österreich steht vor einer doppelten Kostenwelle: steigende Pensions- und Pflegeausgaben. Für die Pensionsreform ist es – zumindest mit Blick auf die Boomer – zu spät. Aber für die Pflegefinanzierung bleibt uns noch ein kleines Zeitfenster. Dieses sollten wir nützen. Nicht, um alten Menschen etwas wegzunehmen, sondern um den kommenden Generationen nicht alles aufzubürden.

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