Morning in Brief

Morning in Brief, 12. Dezember 2024

Guten Morgen Österreich!

Wir begrüßen Sie bei unserem wirtschaftspolitischen Briefing um 06:30 Uhr! Heute zusammengestellt und editiert von Sara Grasel, Stephan Frank und Christoph Hofer – wir melden uns aus Wien.

News – das müssen Sie heute wissen:

OMV kündigt Gas-Vertrag. Gestern Abend gab die OMV bekannt, den Gasliefervertrag mit der russischen Gazprom mit sofortiger Wirkung zu kündigen. Der Schritt erfolgt aufgrund der Einstellung der Erdgaslieferungen durch Gazprom seit dem 16. November 2024. Der aus dem Jahr 2006 stammende Vertrag sah ursprünglich eine Laufzeit bis 2040 vor. Die OMV betont in einer Aussendung, dass man in der Lage sei, die Verträge aller Kunden aus alternativen Gasquellen zu erfüllen. Energieministerin Leonore Gewessler sieht die Vorgangsweise der OMV in einem Posting auf X als „notwendigen Schritt in Richtung Energieunabhängigkeit“. Es bestehe keine Gefahr für die Versorgungssicherheit Österreichs. Bundeskanzler Karl Nehammer hielt fest, dass der Versuch Russlands Energie als Waffe einsetzen, nicht funktioniere. [Quellen: OMV, Nehammer auf X, Gewessler auf X]

Kommentar: EZB – Weihnachtsfriede statt Krisensitzung
von Heike Lehner

Die letzte EZB-Sitzung dieses Jahres heute könnte doch einen Weihnachtsfrieden bringen. Die jüngsten Reden der Europäischen Zentralbank (EZB) lassen wenig Zweifel aufkommen: Eine weitere Zinssenkung steht bevor. Doch wer weiß, wie lange der geldpolitische Frieden anhält. Denn die altbekannten Probleme der Eurozone existieren nach wie vor. Sie sind sogar noch schlimmer geworden.

Grafik (von Christoph Hofer): 2,0 Prozent betrug die heimische Inflationsrate (HVPI) im November laut Schnellschätzung der Europäischen Kommission. Damit ist die österreichische Inflation inzwischen niedriger als jene in der Eurozone (2,3 Prozent). Vor allem Dienstleistungen treiben die Inflation jedoch an. [Quelle: Eurostat]

Insolvenzen. Laut einer neuen KSV-Hochrechnung werden heuer 6.550 Unternehmen in Österreich Insolvenz anmelden, das wäre ein Plus von 22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Passiva haben sich im Jahresvergleich um 31 Prozent auf 18,3 Mrd. Euro erhöht. Auch die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer steigt stark – um 27,4 Prozent auf 30.200 Betroffene. Handel, Bauwirtschaft, und Beherbergung/Gastronomie sind für fast die Hälfte aller Unternehmensinsolvenzen verantwortlich. Für 2025 rechnet der KSV mit 6.500 bis 7.000 Insolvenzen. [Quelle KSV1870 | Grafik: Insolvenzen von 2013 bis dato]

Industrie-Vision der AK. Die Arbeiterkammer hat sich aufgrund der Industrie-Rezession für eine Qualifizierungsoffensive, Maßnahmen gegen hohe Energiekosten und die Beteiligung der ÖBAG an Unternehmen ausgesprochen. Eine von Wirtschaftsvertretern oft geforderte Lohnnebenkostensenkung wies man zurück – bereits eine Senkung des Lohnnebenkostenbeitrags zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) um einen Prozentpunkt würde 2 Mrd. Euro kosten. Kritik gab es auch an der Ausschüttung von Dividenden. Die Industriellenvereinigung wies in einer Reaktion darauf hin, dass die Lohnstückkosten in Österreich in den letzten Jahren doppelt so stark gestiegen sind als beim wichtigsten Handelspartner Deutschland. [Quelle: AK-Pressekonferenz; IV-Aussendung]

Teilzeit-Boom. Immer mehr Österreicher arbeiten in atypischen Beschäftigungsverhältnissen (Teilzeit, befristet, geringfügig, freie Dienstverträge oder Leiharbeit). Teilzeitarbeit verzeichnet dabei mit 30,9 Prozent das größte Wachstum. Sowohl bei Frauen (plus 24,6 Prozent) als auch Männern (plus 62 Prozent) gibt es einen Trend zur Teilzeit. In der EU haben nur die Niederlande eine noch höhere Teilzeitquote. [Quelle: Statistik Austria]

Abschied von Androsch. Der ehemalige Vizekanzler sowie Finanzminister und Industrielle starb am Mittwoch unerwartet im 87. Lebensjahr. [Nachrufe: SPÖ, WKO, Nationalratspräsidium, SPÖ Wien, NÖ Landesregierung, Samariterbund, FPÖ, IV]

Höhere Steuern als „letztes Mittel“. EcoAustria-Chefin Monika Köppl-Turyna spricht sich in einer neuen Analyse zur Budgetkonsolidierung für höhere Steuern als „letztes Mittel“ aus. Ausgabenseitige Sparmaßnahmen in Kombination mit einer Pensionsreform könnten 2025 ein Volumen von 3 Mrd. Euro bringen und 2026 4,9 Mrd. Euro – darunter u.a. die Abschaffung der Bildungskarenz und der Zuschüsse zum Klimaticket. „Einnahmenseitige Maßnahmen“ könnten kommendes Jahr 1,4 Mrd. Euro einbringen und im Jahr darauf 1,5 Mrd. Euro.  Zu diesen Maßnahmen gehören u.a. Streichungen von Steuerbefreiungen bei PV-Anlagen und der motorbezogenen Versicherungssteuer, Abschaffung des Pendlerpauschales und des Steuervorteils bei Dienstwägen. [Quelle: EcoAustria]

Budget: EU-Defizitverfahren. Sollte Österreich der EU-Kommission bis Jänner keinen Sanierungspfad präsentieren, droht ein Defizitverfahren. Finanzminister Gunter Mayr und Kanzler Karl Nehammer wollen ein Defizitverfahren abwenden, die SPÖ sieht das jedoch anders. SPÖ-EU-Abgeordneter Andreas Schieder zur Presse: „Es wäre gescheit, das Verfahren zur Anwendung zu bringen, weil es wesentliche Erleichterungen im Konsolidierungsprozess mit sich bringen würde.“ Es gäbe dann mehr Spielraum für „wachstumsfördernde Investitionen“; die Budgetkonsolidierung „muss ausgabenseitig und einnahmenseitig“ erfolgen, so Schieder weiter. [Quelle: Die Presse]

EU-Verbrennerverbot. Die Europäische Volkspartei (EVP) fordert eine „ganzheitliche EU-Strategie“ und „Technologie-Offenheit“ als Grundprinzip für den Automobilsektor. Das für 2035 geplante Verbrenner-Aus solle rückgängig gemacht werden, um neben Elektroautos auch andere Technologien wie synthetische/biologische Kraftstoffe und E-Fuels, sowie Plug-In-Hybride zuzulassen. Die Evaluierung des Verbrennerverbots solle daher von 2026 auf 2025 vorgezogen, die Emissionsgrenzwerte für 2025 um zwei Jahre verschoben und die „limitierten“ Klima-Auswirkungen mit drohenden Jobverlusten und Deindustrialisierung aufgewogen werden. [Quellen: EVP-Positionspapier, ÖVP, FPÖ]

Green Deal ist „ein ziemliches Desaster“
Interview mit Stephan Schwarzer – eFuel Alliance Österreich

Im Interview mit Selektiv spricht Stephan Schwarzer über das Verbrennerverbot der EU, Technologieoffenheit im Rennen mit China und den Green Deal der EU. „Mit Green Finance hat es begonnen, das war der erste Sündenfall“, sagt Schwarzer in Hinblick auf die bürokratische Dimension des Green Deals.

EU-Mercosur-Abkommen. Wirtschafts- & Arbeitsminister Kocher hofft auf ein „Umdenken des Parlaments“ in Bezug auf das EU-Mercosur-Handelsabkommen. Kocher ist derzeit durch zwei Nationalratsbeschlüsse aus 2019 zur Ablehnung des Abkommens auf EU-Ebene verpflichtet. Aufgrund der „aktuellen Konjunkturflaute in der exportierenden Industrie“ soll Österreich „seine Haltung gegenüber dem Mercosur-Abkommen gründlich“ überdenken. Darüber hinaus wurde der Vertragstext seit 2019 überarbeitet, die Beschlüsse könnten daher rechtlich nicht mehr relevant sein. [Quellen: Kocher auf X; Blogbeitrag]

15. EU-Sanktionspaket. Das gestern präsentierte Sanktionspaket gegen Russland zielt auf die „Schattenflotte“ von Öl-Transportern ab, der nun das Einlaufen in EU-Häfen verboten wird. Weiters werden Unternehmen und Personen sanktioniert, die Export-Verbote umgehen und damit den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine unterstützen – darunter sollen auch chinesische Drohnenhersteller fallen. Das Paket soll am Montag beschlossen werden. [Quellen: Reuters, Von der Leyen auf X, ungarische Ratspräsidentschaft]

Politik-Nulllohnrunde. Mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ, Grünen und Neos wurde gestern die Nulllohnrunde für Politiker auf Bundesebene im Nationalrat beschlossen. Auf Landesebene gibt es Unterschiede: Das Burgenland will eine komplette Nulllohnrunde umsetzen. Niederösterreich zieht bei Regierungsmitgliedern mit, Bürgermeister bekommen ab Jänner 2025 jedoch 3,5 Prozent mehr und Landtagsabgeordnete dann ab Juli 2025 eine Erhöhung von 4,6 Prozent. In Wien, Oberösterreich, Salzburg, Vorarlberg und der Steiermark gibt es ebenfalls Erhöhungen; in Tirol will man noch abwarten. [Quellen: ÖVP NÖ, FPÖ NÖ, Parlament]

US-Inflation gestiegen. Die Verbraucherpreise in den USA stiegen im November um 2,7 Prozent. Von Oktober auf November stiegen die Preise um 0,3 Prozent. Nächste Woche wird trotz steigender Inflation eine Reduktion der Leitzinsen durch die US-Notenbank erwartet. [Quelle: U.S. Bureau of Labor Statistics]

Selektive Agenda:

9 Uhr, Brüssel. Rat der EU-Innenminister mit Innenminister Karner; u.a. Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien; 17:30 Uhr Pressekonferenz mit EU-Kommissar Brunner

9 Uhr, Frankfurt. Zinspolitische Sitzung des EZB-Rates (Ergebnis um 14:15 Uhr)

13 Uhr, Berlin. Außenministertreffen mit den Außenministern Deutschlands, Frankreichs, Polens, Italiens, Spaniens, Großbritanniens und der Ukraine, sowie EU-Außenbeauftragter Kallas

Selektives Networking:

Jobwechsel und Karriereschritte: Mit 1. Jänner 2025 übernimmt Siegfried Meryn die Position des Chefarztes im Wiener Roten Kreuz. Aurélie Tournan übernimmt ebenfalls ab 1. Jänner die Geschäftsführung des Donau Soja Vereins und der gemeinnützigen Donau Soja GmbH. Clemens Pig wurde für weitere 5 Jahre als CEO der Austria Presse Agentur bestätigt. Simon Biedermann wurde mit Ende August 2025 zum neuen Liechtensteiner Botschafter in Wien bestellt.

Geburtstage: Wir gratulieren Brigitte Karner zum Geburtstag.

Sehen & gesehen werden:

Spotted. Am Mittwochabend lud das Hayek Institut anl. des 50. Jahrestags der Verleihung des Wirtschaftsnobelpreises an Friedrich Hayek zur Feier, um in vorweihnachtlicher Stimmung das Jahr Revue passieren zu lassen. Neben der Gastgeberin Barbara Kolm wurden u.a. gesehen: Andreas Tögel, Jeannine Hierländer, Maximilian Weinzierl uvm.

Heute, 14:30 Uhr, Wien: Das Vienna Center for Disarmament and Non-Proliferation (VCDNP) lädt zu einer Diskussion ins Rathaus: „Securing Our Future: Reducing Nuclear Threats Today and Tomorrow“ mit ehem. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon, Robert Floyd (Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization), Angela Kane (ehemalige UNO-Abrüstungsbeauftragte), Alexander Kmentt (Leiter der Abrüstungsabteilung im Außenministerium), Altbundespräsident Heinz Fischer. [invite only]

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