Guten Morgen Österreich!
Wir begrüßen Sie bei unserem wirtschaftspolitischen Briefing um 7 Uhr! Heute zusammengestellt und editiert von Sara Grasel, Gregor Plieschnig, Stephan Frank und Christoph Hofer – wir melden uns aus Wien.
News – das müssen Sie heute wissen:
6,3 Mrd. Euro sparen. 2025 müssen ohne EU-Defizitverfahren 6,3 Mrd. Euro eingespart werden. Auf diese Berechnungen auf Basis von der EU-Kommission übermittelter Daten haben die Regierungsverhandler für ihre Positionierung zum Thema Sparmaßnahmen gewartet – heute treffen die Parteien auf Ebene der Steuerungsgruppe zusammen. Die konkrete Höhe des Konsolidierungsbedarfs hängt von der Dauer des Referenzpfades ab. Bei vier Jahren sind es 24,1 Mrd. Euro, bei sieben Jahren 18,1 Mrd. Euro. In einem EU-Defizitverfahren wären es in vier Jahren 14,8 Mrd. Euro und in sieben Jahren 18,4 Mrd. Euro. Finanzminister Gunter Mayr will ein Defizitverfahren vermeiden und spricht sich für den Sieben-Jahres-Pfad (18,1 Mrd. Euro) aus. Sparen würde er z.B. bei Klimabonus, Bildungskarenz und durch ein Absenken der Förderquote. Bis Mitte Jänner muss ein genauer Plan an die EU-Kommission geschickt werden. [Quelle: BMF]
Kommentar: Mehr Nonsens als Konsens bei den Regierungsverhandlungen?
von Alexander Purger

In einem Museum für „Gehobenen Unsinn“ hätten sich die aktuellen Regierungsverhandlungen einen Extrasaal verdient. Einerseits haben wir einen Spitzensteuersatz von 55 Prozent, andererseits hören wir, dass die Reichen endlich einen gerechten Beitrag zum Sozialstaat leisten sollen. Einerseits wissen wir, dass die Wirtschaft bei den Lohnkosten nicht mehr konkurrenzfähig ist, andererseits heißt es, die Lohnnebenkosten könnten unmöglich gesenkt werden. Einerseits sagen alle, dass gespart werden muss, andererseits fordern alle mehr Geld.
Grafik (von Christoph Hofer): Der Fiskalrat prognostizierte gestern für 2024 ein Budgetdefizit von 3,9 Prozent und für 2025 von 4,1 Prozent. Im Laufe des Jahres haben sich die Budgetprognosen des Finanzministeriums und verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute zunehmend verschlechtert. Sah der Fiskalrat noch im Juni das Erreichen der Drei-Prozent-Maastricht-Defizitgrenze ab 2026 vor, liegt diese nun auch mittelfristig außer Reichweite. [Quellen: Fiskalrat, Download Jahresbericht]

Konkrete Sparvorschläge. Die Presse zitiert aus einem zweiseitigen Papier des Fiskalrats, auf dem konkrete Sparvorschläge festgehalten sind: Abschaffung der Überkompensation des Klimabonus (1,1 Mrd. Euro), Familienbonus i.H.v. 2.000 Euro pro Kind streichen (1,2 Mrd. Euro), Bildungskarenz abschaffen (300 Mio. Euro), motorbezogene Versicherungssteuer und Mineralölsteuer indexieren (ca. 2 Mrd. Euro), Klima- und Umweltschutzförderungen zurückfahren (1,8 Mrd. Euro) sowie Dieselprivileg und Pendlerpauschale reformieren (2,1 Mrd. Euro), Förderquote von 7,5 Prozent des BIP auf 6,7 Prozent absenken (3,5 Mrd. Euro). Ein letzter Vorschlag wäre eine Erhöhung der Umsatzsteuer von 20 auf 21 Prozent (1,7 Mrd. Euro) – Werte in Klammer jeweils Budgetentlastung im Jahr 2025. [Quelle: Die Presse]
Steirische Regierung steht. Mario Kunasek wird der erste FPÖ-Landeshauptmann der Steiermark. Neben Kunasek besteht die blaue Regierungsmannschaft aus Claudia Holzer, Stefan Hermann und Hannes Amesbauer. Der steirische ÖVP-Chef und bisherige Landeshauptmann Christopher Drexler musste sich aufgrund von innerparteilichem Druck zurückziehen und gibt den Parteivorsitz ab. Manuela Khom wird neue geschäftsführende Parteiobfrau der steirischen ÖVP und Landeshauptmannstellvertreterin. Drexler dürfte zweiter Landtagspräsident werden. Das ÖVP-Team besteht neben Khom aus Barbara Eibinger-Miedl, Karlheinz Kornhäusl und Simon Schmiedtbauer. Die neue Landesregierung und die Ressortverteilung wird heute um 11 Uhr vorgestellt, am Mittwoch soll die konstituierende Landtagssitzung stattfinden. [Quellen: Medienberichte, FPÖ Steiermark I, II, III]
Höhere Strom- und Gasrechnung. 2025 beschert den Endkunden höhere Gas- und Stromrechnungen: Netzentgelte für Strom steigen im Schnitt um 23,1 Prozent; jene für Gas um 16,6 Prozent. Grund hierfür sind vor allem höhere Netzkosten und, dass in der Energiekrise auf ein Minimum gesenkte Abgaben ab Jänner wieder in voller Höhe schlagend werden. Auch das Auslaufen der Strompreisbremse mit 31. Dezember 2024 kann zu höheren Kosten führen. Energieministerin Gewessler kündigte indes an, dass sie eine Klage gegen die deutsche Gasspeicherumlage vor dem EuGH vorbereitet, sollte diese von der deutschen Regierung nicht beendet werden. Die Gasspeicherumlage führt laut AGGM zu täglichen Mehrkosten von 750.000 Euro. [Quelle: E-Control: Strom, Gas; Gewessler auf X]
Budgetprobleme in Gemeinden. Ohne Gegenmaßnahmen werden nächstes Jahr 45 Prozent aller Städte und Gemeinden in Österreich Abgangsgemeinden sein, warnt eine Studie im Auftrag des Städtebundes. Die Gemeinden würden mit immer mehr Aufgaben und Ausgaben, vor allem im Sozialbereich, aber nicht im gleichen Maße steigenden Finanzflüssen konfrontiert sein. Wenn es unter der neuen Bundesregierung nicht eine nachhaltige Reform gibt, müssten die Gemeinden Leistungen zurückfahren. [Quelle: Städtebund]
Deutsche Neuwahl fixiert. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vertrauensfrage im Bundestag wie erwartet verloren: 394 Abgeordnete entzogen ihm das Vertrauen, 207 unterstützten ihn, 116 enthielten sich der Stimme (insgesamt 717 abgegebene Stimmen). Damit ist der Weg zum Neuwahltermin so gut wie fixiert; Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier muss nun binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Als Wahltermin hatten sich die Parteien schon zuvor auf den 23. Februar 2025 geeinigt. Bis zur Konstituierung eines neuen Bundestags bleiben Bundeskanzler und Bundesregierung im Amt. [Quelle: Deutsche Bundesregierung]
Deutsche Wirtschaft. Die deutschen Betriebe blicken pessimistisch auf das kommende Jahr. Nur 12,6 Prozent der Unternehmen gehen davon aus, dass die Geschäfte 2025 besser laufen. Etwa ein Drittel (31,3 Prozent) rechnet dagegen damit, dass sich ihre wirtschaftliche Lage im Jahr 2025 verschlechtert. Eine Mehrheit (56,1 Prozent) erwartet, dass ihre wirtschaftliche Lage 2025 unverändert bleibt. Eine aktuelle Studie rechnet für heuer mit rund 22.400 Insolvenzen, ein Anstieg von 24,3 Prozent zum Vorjahr. Zuletzt gab es 2015 mit 23.180 Fällen eine höhere Zahl. [Quelle: Ifo-Institut; Creditreform]
EZB-Leitzinsstrategie. Angesichts der weiterhin schwächelnden Konjunktur bei gleichzeitig sinkenden Inflationsrisiken signalisiert die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, weitere Zinssenkungen im kommenden Jahr. Sollte die Entwicklung stabil bleiben, werde man diese eingeschlagene Strategie weiterverfolgen. [Quelle: EZB]
Bessere Unternehmensstimmung Eurozone. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) von S&P Global für den Euroraum kratzt zum Jahresende mit einem Plus von 1,2 Zählern auf 49,5 Punkte knapp an der Wachstumsschwelle von 50. Von Reuters befragte Ökonomen waren von einem Nachgeben der Stimmung ausgegangen. Für die Verbesserung des Einkaufsmanagerindex sorgten dabei allein die Dienstleister: Deren Barometer kletterte um 1,9 auf 51,4 Punkte und damit wieder in die Wachstumszone. Ganz anders bei der Industrie – ihr Barometer verharrte bei 45,2 Zählern, deutlich unter der Wachstumsschwelle. [Quelle: PMI, Reuters]
Budget Griechenland. Von Jänner bis November 2024 erzielte Griechenland einen primären Haushaltsüberschuss von knapp 12 Mrd. Euro. Am Sonntag wurde das Budget für das Jahr 2025 mit 159 von 299 Stimmen vom Parlament verabschiedet. Für 2025 wird ein BIP-Wachstum von 2,3 Prozent erwartet (nach 2,2 Prozent im Jahr 2024). Trotz des primären Überschusses wird für 2024 ein Budgetdefizit (inklusive Zinszahlungen) von 1,7 Mrd. Euro (0,7 Prozent des BIP) und für 2025 ein Defizit von 1,4 Mrd. Euro (0,6 Prozent des BIP) prognostiziert. [Quellen: Naftemporiki I, II; Aussendung des griechischen Finanzministeriums]
Selektive Agenda:
9:00 Uhr, Straßburg: Zweiter Plenartag Europaparlament (16.-19. Dezember)
10:00 Uhr, Brüssel: Europaministerin Edtstadler beim EU-Rat Allgemeine Angelegenheiten der Außen- und Europaminister
10:00 Uhr, Brüssel: Energieministerin Gewessler beim EU-Umweltrat
12:00 Uhr, Brüssel: Wahl der EU-Ombudsperson – österr. Kandidatin: Mahler
12:30 Uhr, Wien: Bundespräsident Van der Bellen besucht Kardinal Schönborn vor Weihnachten; 16:30 Uhr: Kanzler Nehammer bei Schönborn
Nachmittags, Wien: Treffen der Steuerungsgruppe der Koalitionsverhandler
Selektives Networking:
Jobwechsel und Karriereschritte: Christine Scheil hat Anfang November den Posten als Chief Financial Officer bei karriere.at übernommen. Alexander Kleedorfer und Daniel Smith verstärken die Kommunikationsagentur bettertogether group als Senior Advisors. Doris Lippert wurde einstimmig zur neuen VÖSI Präsidentin gewählt.
Geburtstage: Wir gratulieren Papst Franziskus zum Geburtstag!
Sehen & gesehen werden:
Heute, 17:00 Uhr, Wien: Weihnachtskonzert anl. herausragender Leistungen der ehrenamtlichen Helfer mit Nationalratspräsident Rosenkranz, Bundesratspräsident Ebner [Info]
Heute, 18:00 Uhr, St. Pölten: Leitbetriebe Austria und Leadersnet laden zur Weihnachtsmesse in den Dom St. Pölten mit anschl. Agape. [Info]
Heute, 18:00 Uhr, Wien: Physiknobelpreisträger Ferenc Klausz hält einen Vortrag an der Akademie der Wissenschaften im Rahmen der Christmas Lectures zum Thema „Molekulare Herzschläge für die Zukunft der Medizin“. [Info]