Morning in Brief

Morning in Brief, 17. November 2025

Guten Morgen Österreich!

Wir begrüßen Sie bei unserem wirtschaftspolitischen Briefing um 7 Uhr! Heute zusammengestellt und editiert von Sara Grasel, David Schima und Christoph Hofer – wir melden uns aus Wien.

News – das müssen Sie heute wissen:

🇦🇹 Schultz übernimmt WKÖ, Salzburg senkt Kammerumlage. Martha Schultz übernimmt interimistisch als WKÖ-Präsidentin, bis die Nachfolge für Harald Mahrer geregelt ist. Das soll laut Berichten Wochen oder auch Monate dauern. Sie will in dieser Übergangszeit bereits Reformen anstoßen. Die WK Tirol hatte am Freitag die viel kritisierte Erhöhung der Funktionärsentschädigungen zurückgenommen und forderte eine bundesweite Lösung für die Lohnerhöhung der WK-Mitarbeiter von 2,1 % und eine Nulllohnrunde für die Managementebene. Die WK Salzburg kündigte laut ORF an, die Kammerumlage 2 für Unternehmen von 0,36 auf 0,2 % zu senken. Die Neos forderten überhaupt eine Abschaffung dieser „absurdesten Abgabe, die es in Österreich gibt“. Die Industriellenvereinigung präsentierte am Freitag ein „Reformpaket für eine moderne Unternehmerkammer“. Unter anderem wird eine sukzessive Senkung der Kammerumlagen um 30 % bis zum Jahr 2029 gefordert. Ein „Weiter wie bisher“ könne man sich nicht mehr leisten, so IV-Präsident Georg Knill. [Quellen: WKÖ, WB, WB Tirol, ORF, Neos, IV | Reaktionen: Stocker

Kommentar: Der Vorläufer der WKÖ hat seine Wurzeln in der Revolution
von Gerhard Jelinek

Da gehen Wiener einmal auf die Barrikaden, machen Revolution, vertreiben den Regierungschef, erhängen einen Minister und was kommt dabei raus: die Handelskammer. Die Rufe nach Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft wurden schon Mitte der 1990er-Jahre erhört. Eine Abstimmung ging aber zugunsten selbiger aus. Die Finanzierung der Handelskammern wurde aber ursprünglich nicht den (Pflicht-)Mitgliedern aufgehalst.

💡 WKÖ-Kammerumlage 2 steigt seit 2010 um 65,4 %. Die Kammerumlage 2 der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) ist in den vergangenen Jahren deutlich überinflationär gestiegen: Seit 2010 wuchs sie um 65,4 % – im Vergleich zu einer kumulierten Inflation von 53,5 % im selben Zeitraum. Die Kammerumlage 1 legte hingegen nur um 42,5 % zu. Für das Jahr 2025 rechnet die WKÖ insgesamt mit Einnahmen aus Kammerumlage 1 und 2 von rund 700 Mio. Euro – verteilt auf die Bundeskammer und die neun Landeskammern. Davon entfallen 449 Mio. Euro auf die lohnsummenbezogene Kammerumlage 2, die damit den Großteil der Einnahmen ausmacht. Die umsatzbezogene Kammerumlage 1 trägt 254 Mio. Euro bei. Hinzu kommen noch die je nach Branche und Fachgruppe festgelegten Grundumlagen, die direkt an die regionalen Fachorganisationen (Sparten und Innungen) fließen. [Quellen: WKÖ, Parlamentarische Anfragen, Statistik Austria, Wifo, Agenda Austria | Grafik von Christoph Hofer]

🇦🇹 Neuer ElWG-Entwurf kommt – Kritik von FPÖ und Grünen. Schon diese Woche soll der neue Entwurf für das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) vorliegen. Das von der Wirtschaft dringend erwartete Gesetz benötigt im Nationalrat eine Zweidrittel-Mehrheit, also auch die Stimmen von FPÖ oder Grünen. Nach der Begutachtung wurde wohl in einigen Punkten nachgebessert. Die FPÖ kritisierte gestern, dass Stromlieferanten für den Sozialtarif zwar 50 Mio. Euro bereitstellen müssen, diese aber aufgrund der Konstruktion nur zur Hälfte bei Anspruchsberechtigten ankommen würden. Grünen-Obfrau Leonore Gewessler forderte in der ORF-Pressestunde ein „taugliches Gesetz“ für die Strompreisgestaltung ein – der 1. Entwurf sei das nicht gewesen. Die Mechanik für Netzgebühren für Stromerzeuger halte sie „nicht für gescheit“ – Strom würde so eher teurer. Die ÖVP bezeichnete das ElWG gestern als „Billigstromgesetz“ und forderte FPÖ und Grüne auf, mit einer Zustimmung „Verantwortung zu übernehmen“. [Quellen: FPÖ, ÖVP, Gewessler in der ORF-Pressestunde

🇦🇹 Stimmung in Wirtschaft hellt sich auf, aber weiter negativ. Laut Bank-Austria-Konjunkturindikator hat sich im Oktober die Stimmung in allen Wirtschaftssektoren verbessert, nachdem sie sich zu Herbstbeginn eingetrübt hatte. Insgesamt bleibt der Indikator aber im negativen Bereich bei minus 1,3 Punkten. „In allen Wirtschaftssektoren herrscht weiter Pessimismus vor, die Stimmung liegt zum Teil sogar weit unter dem langjährigen Durchschnitt. Schwach zeigt sich die österreichische Konjunktur vor allem auch im internationalen Vergleich“, so Bank-Austria-Ökonom Walter Pudschedl. [Quelle: UniCredit Bank Austria

„Deutschland performt in den letzten Jahren schlechter als Österreich“
Interview mit Stefan Bruckbauer

Unterm Strich wird sich heuer ein kleines Wirtschaftswachstum ausgehen, aber das Potenzialwachstum bleibt mittelfristig niedrig. „Wir können den Rückgang des Potenzialwachstums durch die Demografie in den nächsten 10 Jahren ausgleichen, indem jeder Beschäftigte in Österreich pro Jahr um 50 Stunden mehr arbeitet“, sagt Stefan Bruckbauer, Chefökonom der Bank Austria. Noch schwächer als Österreich habe sich in den vergangenen Jahren aber Deutschland entwickelt und auch auf den bevorstehenden Strukturwandel Richtung IT und Künstliche Intelligenz sei Österreich besser vorbereitet.

🇦🇹 Wien macht 2,6 Mrd. Euro neue Schulden. Die Stadt Wien wird im kommenden Jahr rund 22,14 Mrd. Euro ausgeben und 19,51 Mrd. Euro einnehmen. Daraus ergeben sich ein Budgetdefizit von 2,63 Mrd. Euro für 2026 und ein Gesamtschuldenstand von 14,89 Mrd. Euro. 33 % der Ausgaben fließen in den Bereich Gesundheit und Soziales und 23 % in Bildung. Über den Voranschlag wird Mitte Dezember im Gemeinderat abgestimmt. Um das Defizit im kommenden Jahr zu drücken, sollen neben den bereits bekannten Maßnahmen bei Öffis und Bauprojekten die Förderungen und Zuschüsse um insgesamt 10 bis 15 % gesenkt werden. [Quellen: Stadt Wien, APA via Medienberichte | Reaktionen: ÖVP, KPÖ, Grüne, FPÖ]

🇦🇹 Infrastrukturausbau würde Produktivitäts-Schub bringen. Laut Infrastrukturreport wäre die Wirtschaftsleistung bei optimal ausgebauter Infrastruktur um 18 % höher. Jährlich bleiben dadurch 87 Mrd. Euro an Produktivität ungenutzt. Insbesondere durch den Ausbau von Glasfaser- und 5G-Netzen ließe sich die Produktivität der Unternehmen fast um ein Fünftel steigern. Derzeit steige zwar die Verfügbarkeit, aber die Nutzung sinke. Die Autoren empfehlen „Aufklärung von Tür zu Tür“. [Quelle: BMWKKMS | Grafik: Heimisches Produktivitätswachstum im Sinkflug

🇦🇹 Heimische Baukosten über Vorjahresniveau. Im Oktober stiegen die Kosten für den Wohnungs- und Siedlungsbau im Vergleich zum Vorjahresmonat um 1,8 %. Gegenüber September blieben die Baukosten aber unverändert. Im Straßenbau zog der Kostenindex im Jahresvergleich um 0,6 % an, gegenüber September bedeutet das ein Minus von 0,5 Punkten. Im Brücken- und Siedlungswasserbau gab es einen Kostenanstieg von jeweils 1,2 % – ein Rückgang von minus 0,3 bzw. minus 0,1 Zählern im Monatsvergleich. [Quelle: Statistik Austria]

🇦🇹 IT-KV: Abschluss über 3,5 % gefordert. Die 1. Verhandlungsrunde zum IT-Kollektivvertrag für 90.000 Beschäftigte ging am Freitag ergebnislos zu Ende. 2024 waren 9 Runden notwendig. Verhandlungsgrundlage ist laut Gewerkschaft die von Wifo und IHS für 2025 auf 3,5 % geschätzte Inflationsrate. Die GPA fordert einen Abschluss über der Inflation, die Arbeitgeber haben laut GPA kein Angebot vorgelegt. [Quelle: GPA | Grafik: Zwischenstand in den Herbstlohnrunden

🇦🇹 LH-Konferenz ohne Neuigkeiten zu Schulden, RH kritisiert Gemeinden. Die Landeshauptleutekonferenz ging am Freitag ohne weitere Details oder Ergebnisse zum Stabilitätspakt und der finanziellen Situation der Länder zu Ende. Die 21 Punkte der offiziellen Tagesordnung wurden einstimmig beschlossen – darunter auch ein Bekenntnis zur Netzkostensenkung und Konsolidierung von Netzgesellschaften. Den Stabilitätspakt will man jedoch noch heuer abschließen. Am Freitag übte der Rechnungshof Kritik an der Schuldenpolitik von zwei Gemeinden in Vorarlberg – dort hätte es trotz überdurchschnittlicher Schulden keinen mittel- und langfristigen Plan für strukturelle Einsparungen gegeben. [Quellen: Land Steiermark, Rechnungshof

🇪🇺 Eurozone verzeichnet zartes Wachstum. Im 3. Quartal 2025 wuchs die Wirtschaft im Euroraum im Vergleich zum Vorquartal um 0,2 %. Die wirtschaftliche Flaute in Deutschland dämpfte einen stärkeren Anstieg des BIPs in der Eurozone. Konjunkturelle Vorreiter waren vor allem Spanien (+0,6 %) und Frankreich (+0,5 %), Italien verharrt hingegen in der Stagnation. Österreich verzeichnete im Quartalsvergleich ein zartes Plus von 0,1 %. [Quelle: Eurostat

🇪🇺 EU will 2026 mehr Geld für Sicherheit ausgeben. Verhandler von EU-Parlament und Mitgliedsstaaten haben sich auf höhere Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit geeinigt. Die Ausgaben für den Bereich Sicherheit und Verteidigung sollen 2026 um 200 Mio. Euro auf 2,8 Mrd. Euro steigen, die Ausgaben für Migration und Grenzmanagement um 230 Mio. Euro auf 5 Mrd. Euro. Die Einigung muss noch von EU-Staaten und Europaparlament abgesegnet werden. [Quelle: EU-Parlament, EU-Rat

🇩🇪 Deutsches Budget für 2026 mit 182,9 Mrd. Euro Neuverschuldung. Der Deutsche Bundestag hat am Freitag den Haushalt für 2026 mit der zweithöchsten Neuverschuldung der Bundesrepublik Deutschland beschlossen. Der Etat sieht Ausgaben von 524,54 Mrd. Euro und eine Neuverschuldung von 97,9 Mrd. Euro vor. Hinzu kommen Kredite für die Sonderetats für Infrastruktur und Klimaneutralität sowie für die Bundeswehr. Die gesamte Neuverschuldung beläuft sich auf 182,9 Mrd. Euro. Die Zinslast soll sich bis 2029 auf 66,5 Mrd. Euro verdoppeln. 2026 soll zudem eine Rücklage von 9,7 Mrd. Euro aufgebaut werden, um den Spardruck 2027 zu verringern. [Quelle: Bundestag

🇺🇸 USA senken Zölle für die Schweiz auf 15 %. Die USA und die Schweiz konnten sich auf ein Abkommen einigen, das die US-Importzölle für die Schweiz auf 15 % senkt, und damit auf das Niveau der EU. Bisher lagen die Zölle bei 39 % – die Schweizer US-Exporte sind daraufhin eingebrochen. Die Schweiz sagte dafür zu, Fertigungsprozesse in die USA zu verlegen und den Handelsüberschuss abzubauen. [Quellen: Weißes Haus, Schweizer Bundesrat

Selektive Agenda:

Heute, Belém, Brasilien: UN-Klimakonferenz COP30 (bis 21.11.) [Info]

9:00 Uhr, Istanbul, Türkei: Herbsttagung der Parlamentarischen Versammlung der OSZE (bis 19.11.) [Info]

Heute, Brüssel, Belgien: EU-Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ mit Europaministerin Plakolm, Thema u. a. Mehrjähriger Finanzrahmen (MFR) 2028-2034 [Info]

Heute, Brüssel, Belgien: EU-Rat „Landwirtschaft und Fischerei“ mit Landwirtschaftsminister Totschnig [Info]

11:00 Uhr, Brüssel, Belgien: EU-Kommission veröffentlicht Herbst-Konjunkturprognose

Wochenvorschau

Am Montag veröffentlicht die EU-Kommission ihre Herbst-Konjunkturprognose für die einzelnen EU-Staaten und die EU-Gesamtwirtschaft – das könnte auch neue Details zu Österreichs Defizitpfad bringen.   

Aufgrund der Nationalratssitzungen tagt der Ministerrat bereits am Dienstag – dabei wird es u. a. um das „Shrinkflation“-Gesetz gehen. Die Arbeiterkammer präsentiert eine Umfrage zu Voll- und Teilzeit. Digitalisierungsstaatssekretär Alexander Pröll nimmt in Berlin am Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität teil – u. a. mit Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auf der Agenda steht u. a. die Präsentation der „Declaration on European Digital Sovereignty“. 

Am Mittwoch startet der Nationalrat in eine zweitägige Plenarsitzung. Auf der Tagesordnung stehen u. a. Änderungen bei Großverfahren. Die Statistik Austria veröffentlicht die Oktober-Inflationsdaten für Österreich und Eurostat die Verbraucherpreisentwicklung in der Eurozone. 

Am Donnerstag befasst sich der Nationalrat u. a. mit dem Aus für die Klebevignette und einer Novelle des Hochleistungsstreckengesetzes für einen beschleunigten Ausbau. 

Selektive Agenda, Termine & Events 🗓️

Was steht auf der Agenda der Bundesregierung und wo treffen sich Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zum Austausch? Die wichtigsten Termine im Überblick.

Der Link zum Selektiv-Terminkalender wechselt jeden Montag.

Selektives Networking:

Jobwechsel und Karriereschritte: Hannes Zanner wurde zum neuen Bundesvorsitzenden der FCG Bau Holz gewählt. Harald Kapper wurde als Präsident der ISPA – Internet Service Providers Austria bestätigt. Eike-Clemens Kullmann ist neuer Ombudsmann des Presserats. Konrad Mylius wurde zum Vorsitzenden der Kooperationsplattform Forst Holz Papier (FHP) gewählt. 

Geburtstage: Wir gratulieren Hubert von Goisern zum Geburtstag.

Sehen & gesehen werden:

9:00 Uhr, Wien: 22. Vienna Economic Forum – Vienna Future Dialogue unter dem Motto „Economy meets Politics. Strengthening the European Voice“ in der Raiffeisen Bank International [Info]

10:00 Uhr, Wien: Austrian ERA Symposium 2025: „Towards Europe’s Fifth Freedom“ u. a. mit Eva-Maria Holzleitner und Peter Hanke im Tech Gate Vienna [Info]

17:00 Uhr, Brüssel: Abendempfang zu „30 Jahre EU-Mitgliedschaft von Österreich, Schweden, Finnland“ u. a. mit Claudia Plakolm [invite only]

17:00 Uhr, Wien: Podiumsdiskussion zu „Reform des Scheidungsrechts“ u. a. mit Walter Rosenkranz, Anna Sporrer und Marcella Prunbauer-Glaser im Parlament [invite only]

19:00 Uhr, Wien: Science Talks des BMFWF zu „Wie schaut die Welt auf Europa? Perspektivenwechsel für neue Antworten in einer vernetzten Welt“ u. a. mit Harald Oberhofer und Michael Laczynski in der Aula der Wissenschaften [Info]

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